Teilweise verbarrikadierte Fenster, eingeschlagene Scheiben, verrostete Türen, bröckelnder Putz, baumelnde Kabelstränge an den Außenwänden: Das unbewohnte Mehrfamilienhaus mit der Nummer 158 in der Friedrich-Humbert-Straße ist nach Auffassung der Einwohnergemeinschaft Bremen-Grohn ein gefährlicher Schandfleck, der endlich zu beseitigen sei. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, hat die Initiative rund 1000 Unterschriften gesammelt, die Vegesacks Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt dem Bausenator übergeben will.
Bereits seit dem Jahr 2006 steht das vor gut einhundert Jahren erbaute Haus an der Friedrich-Humbert-Straße leer und verfällt. Bewohnt werden darf es aus Sicherheitsgründen nicht mehr, die Schrottimmobile ist zum Spekulationsobjekt gereift. Als die Straße vor neun Jahren ausgebaut wurde, habe der Hausbesitzer aus der Neustadt gehofft, in der Stadtgemeinde einen potenziellen Käufer zu finden, sagen Mitglieder der Einwohnergemeinschaft.
Doch Bremen habe kein Interesse, hat der Leiter des Bauamtes Bremen-Nord, Maximilian Donaubauer, die Einwohnergemeinschaft wissen lassen. Und als auch die Pläne eines Architekten ins Stocken gerieten, das marode Gebäude umzubauen, startete die Grohner Bürgerinitiative vor ein paar Wochen mit ihrer Unterschriftensammlung.
Ortstermin am Montagvormittag im Ortsamt Vegesack: Pastor Klaus Balz von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, Apotheker Günter Wallis, Rechtsanwalt Heinrich Theilmann und der Vorsitzende des TV Grohn, Uwe Harm, statten Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt einen Besuch ab. Sie haben mit ihren Mitstreiter nahezu ein Drittel der Grohner Einwohnerschaft bewegen können, per Unterschrift gegen die „Rattenburg“ mobil zu machen. Dornstedt soll die aneinandergereihten und aufgerollten Listen Bausenator Joachim Lohse übergeben. Die Immobilie Friedrich-Humbert-Straße 158, heißt es in einer kurzen Erklärung zu der Unterschriftenaktion, stelle seit Jahren eine massive Störung des Orts- und Straßenbildes dar und gefährde „nach unserer Einschätzung“ die Verkehrssicherheit auf öffentlichen Wegen. Dass die „Einschätzung“ der Realität entspricht, ist freilich Voraussetzung für ein Einschreiten der Stadtgemeinde. Denn nur wenn tatsächlich Gefahr im Verzuge sei, könne die Baubehörde aktiv werden, erklärt der Ortsamtsleiter und verweist auf die Landesbauordnung. Aus Sicht der Einwohnergemeinschaft wird die Gefahr mit dem zunehmenden Verfall des Gebäudes und der Invasion von Ratten von Tag zu Tag größer. Inzwischen wuchern sogar junge Bäumchen auf zerborstenen Mauerecken, hängt Putz nur noch locker an der Außenwand, die einen schmalen Fußweg begrenzt.
Zur Besucherrunde im Amtszimmer von Dornstedt gehört auch der frühere Bremer Bausenator Bernd Meyer. Er sei als interessierter Bürger gekommen, sagt Meyer, der heute wieder dort wohnt, wo er aufgewachsen ist: in Grohn. Schrottimmobilien seien ein bundesweites Thema und Ärgernis, erklärt Meyer und verweist auf eine Gesetzesinitiative der Länder Bremen und Nordrhein-Westfalen.
Danach sollen die Rechte der Ordnungsämter gestärkt werden, um Hauseigentümer bei baulichen Missständen notfalls auch zum Abriss einer „Rattenburg“ verpflichten zu können. Langwierige Gerichtsverfahren könnten gleichwohl die Folge sein, denn das Eigentumsrecht hat in Deutschland einen hohen Stellenwert.
Für Klaus Balz verhält sich der Besitzer der Immobilien an der Friedrich-Humbert-Straße schlicht „asozial“. Er spiele auf Zeit und spekuliere mit der Rattenburg auf Kosten der Allgemeinheit. Balz: „Es muss also dringend etwas geschehen.“ Während viele Hauseigentümer in ihre Immobilien investiert hätten, um das Straßenbild zu verschönern, konterkariere der Eigentümer von Haus 158 diese Bemühungen, ärgert sich auch Apotheker Günter Wallis.
Die Einwohnergemeinschaft setzt jetzt darauf, dass sich der Bausenator von den 1000 Unterschriften beeindrucken lässt und aktiv wird. „Wenn die Unterschriften vorliegen, erfolgt umgehend die Überprüfung der Vorwürfe“, verlautete gestern aus der Presseabteilung des Bauressorts. Die Bewertung des früheren Bausenators Bernd Meyer fällt deutlicher aus: „Die Rattenburg verschandelt den Ortseingang von Grohn, deshalb ist die Politik dringend gefordert.“