Mit einer aktuellen Studie macht der Nordbremer Biologe Alexander Lerchl von sich reden. Demnach fördert elektromagnetische Strahlung das Wachstum von Tumoren – zumindest bei Mäusen. Der Professor an der Grohner Jacobs University deutet die Befunde allerdings nicht als Beleg dafür, dass durch Handy-Nutzung Krebs verursacht wird. Iris Messerschmidt sprach mit dem Wissenschaftler.
Herr Lerchl, in der jüngst veröffentlichen Studie haben Sie herausgefunden, dass elektromagnetische Strahlung das Wachstum von Tumoren in Mäusen fördert. Bedeutet dies jetzt, dass wir uns vom Handy verabschieden müssen?
Alexander Lerchl:
Nein, sicherlich nicht. Dies ist zunächst mal eine Tierstudie, die viele weitere Fragen aufwirft. Generell gilt, dass Tierstudien nicht eins zu eins auf den Menschen übertragbar sind.
Wo genau begegnet uns elektromagnetische Strahlung im Alltag und wann muss ich Angst haben, davon Krebs zu bekommen?
Elektromagnetische Strahlung ist überall dort zu finden, wo Sender in Betrieb sind. Also zum Beispiel Sender des Radios und des Fernsehens, Wlan-Spots, Richtfunkstrecken und so weiter. Die wichtigste Strahlungsquelle für den Menschen ist aber das Handy, da es sich beim Senden direkt am Kopf befindet. Es ist aber noch zu früh, von einer Krebsgefahr zu sprechen.
Das Fraunhofer-Institut hat schon 2010 Effekte auf Tumore der Leber und der Lunge durch elektromagnetische Strahlung entdeckt. Was bedeutet Effekte?
Die vom Fraunhofer-Institut gefundenen Effekte waren mit den von uns beobachtenden Effekten fast deckungsgleich. Wir haben ja diese Studie aus Hannover wiederholt und konnten die Ergebnisse reproduzieren. Dies ist ein wichtiges Kriterium, bevor Effekte als gesichert angesehen werden. Effekte bedeutet: Die Anzahl der untersuchten Tiere mit Auswirkungen war höher.
Warum gab es jetzt noch einmal eine Studie und wer hat diese finanziert?
Wichtige Studien müssen wiederholt werden, bevor die Effekte als gesichert angesehen werden können. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat unsere Studien finanziert, da dies die Institution ist, die ein Interesse an der Fragestellung hat.
Nicht erst seit Veröffentlichung der jüngsten Studie diskutiert die Fachwelt über die Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunk. Als ehemaliger Vorsitzender des Ausschusses für nicht-ionisierende Strahlung der Strahlenschutzkommission (SSK), sind Sie dafür bekannt, engagiert die Unbedenklichkeit des Mobilfunks und anderer Funktechniken zu versichern. Hat sich Ihre Meinung durch die jetzige Studie verändert?
Nein. Was wir seit vielen Jahren wissen und auch durch eigene Studien bestätigt bekommen haben, ist, dass Mobilfunkstrahlung Krebs nicht auslösen kann. Die neue Studie hat hingegen untersucht, ob bestehende Tumore durch elektromagnetische Felder stärker oder schneller wachsen können.
Die Veröffentlichung der Studie zog erneut eine internationale Diskussion nach sich. So hat beispielsweise der Physiker, Professor Klaus Buchner, Mitglied des Europaparlaments, in einem Vortrag keinen Zweifel daran gelassen, dass elektromagnetische Felder krank machen können. Was entgegen Sie auf solche Aussagen? Gibt es überhaupt einen Meinungsaustausch?
Die Pauschalaussage, dass elektromagnetische Felder krank machen, ist nicht zu halten. Dies bestätigen auch Statistiken, die nicht zeigen, dass es zu einem Anstieg der Krebshäufigkeiten gekommen ist. Ein Meinungsaustausch zwischen Herrn Buchner und mir gibt es nicht.
Müssen wir uns als Gesellschaft, die das Handy als Standardausrüstung nutzt, Sorgen machen?
Derzeit ist es für solche Sorgen zu früh. Allerdings könnten unsere Ergebnisse helfen zu verstehen, warum Vielnutzer von Handys ein höheres Risiko haben, an einem Hirntumor zu erkranken. Denn, so denken wir uns das derzeit, könnte ein bereits bestehender Tumor durch die elektromagnetischen Felder schneller wachsen und daher auch früher diagnostiziert werden. Hier sind aber sicherlich noch weitere Forschungen vonnöten.
Worauf sollte der Einzelne bei der Handy-Nutzung achten?
Jedes Handy wird mit einem auf der Verpackung sichtbaren SAR-Wert versehen. Je geringer der Wert ist, desto geringer die Strahlenbelastung. Allerdings ist dieser Wert nur eine grobe Orientierung, da zum Beispiel bei schlechten Empfangswerten das Handy wesentlich stärker sendet als bei guten.
Zur Person: Alexander Lerchl gehört seit den ersten Tagen als Professor zur Jacobs University. Der Biologieprofessor und Dean (übersetzt Dekan) ist mit seiner Familie aus Karlsruhe nach Bremen gezogen. Er studierte an den Universitäten in Marburg und Göttingen, legte Auslandssemester an der Universität in Texas (San Antonio) ein, habilitierte 1995 an der Universität in Münster, wo er 2001 eine Professur übernahm. Lerchl musste sich wegen seiner Forschung, bei der Nagetiere eingesetzt werden, wiederholt mit Kritik seitens Tierschützern auseinandersetzen.