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Faire Milch zum fairen Preis auf den Markt gebracht / Krisenmanagement gefordert Milchbauern helfen sich selbst

Tarmstedt. 24 bis 28 Cent für jeden Liter Milch bekommen die deutschen Bauern derzeit von ihren Molkereien. Damit sie und ihre Familien von ihrer Arbeit leben können, müssten es allerdings 43 Cent sein.
13.07.2015, 00:00 Uhr
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Von Johannes Heeg

24 bis 28 Cent für jeden Liter Milch bekommen die deutschen Bauern derzeit von ihren Molkereien. Damit sie und ihre Familien von ihrer Arbeit leben können, müssten es allerdings 43 Cent sein. „Das kann auf Dauer kein Betrieb überleben“, sagt Karin Mansholt. Die Milchbäuerin aus Aurich gehört zum Vorstand des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), der auf der Tarmstedter Ausstellung mit einem eigenen Stand auf diese „Marktverwerfung“ aufmerksam macht.

Dabei gibt Mansholt unverwunden zu, dass die Misere hausgemacht ist. Der Milchpreis sei deswegen im Keller, weil die deutschen Bauern immer mehr Milch produzierten. Im vorigen Jahr sei die Milchmenge um vier Prozent auf 161 Millionen Tonnen gestiegen. Aus deren Sicht sei das zunächst vernünftig: „Die Bauern liefern mehr Milch, um ihre Kosten bei sinkenden Erlösen auf eine größere Menge zu verteilen“, so Mansholt. Insgesamt aber gerate der Markt aus den Fugen, weil sich die Preisspirale immer weiter nach unten drehe. Und die Molkerei – Teil zwei des Problems – nutzten den niedrigen Preis, um größere Mengen an ihre Großkunden, die Lebensmittelketten und Discounter, loszuschlagen. „Die Molkereien unterbieten sich gegenseitig, statt den Bauern faire Preise zu zahlen“, beklagt die Verbandsfunktionärin.

Und warum wechseln die Bauern nicht einfach die Molkerei? Oder, noch besser, warum vermarkten sie ihre Milch nicht einfach selbst? „Das geht nicht so einfach“, sagt Mansholt. Die Milchbauern seien vertraglich verpflichtet, den allergrößten Teil ihrer Milch an die Molkereien abzuliefern „Andienungspflicht heißt das“, erklärt sie. Bei allen anderen landwirtschaftlichen Produkten gebe es dies nicht: „Ein Weizenerzeuger kann sein Getreide verkaufen, an wen er will. Oder er kann es einlagern, bis die Preise wieder steigen.“

Was also tun, wird es wieder einen Milchstreik geben wie vor einigen Jahren, als die Bauern aus Protest tausende Liter Milch auf den Misthaufen gekippt haben? „Solche plakativen Aktionen schließe ich nicht aus“, sagt Mansholt. Wobei sie klar stellt: „Ich werde dazu bestimmt niemanden aufrufen, denn das wäre strafbar.“ Fakt sei allerdings, dass den 70 000 deutschen Milchbauern wirtschaftlich das Wasser bis zum Hals stehe. „Wenn nichts geschieht, werden sich immer mehr Milcherzeuger verabschieden, und die Konzentration nimmt zu. Am Ende produzieren die Handelsketten ihre Milch selbst“, unkt Mansholt.

Und im Ausland sehe es nicht anders aus, eher noch schlechter. In Portugal würden derzeit 18 Cent für den Liter Milch bezahlt, in Lettland gar nur acht bis zehn Cent. „Auf dem europäischen Markt bahnt sich eine Katastrophe an“, warnt die Funktionärin, deren Verband etwa ein Drittel der deutschen Milcherzeuger vertritt.

Zur Lösung des Problems müsse die Politik eingreifen. Der Gesetzgeber, so die Forderung des BDM, müsse die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Bauern nur noch so viel Milch produzierten, wie gerade gebraucht werde. „Wir brauchen eine Steuerung der Milchmenge, damit Übermengen vermieden werden“, sagt Mansholt, „sonst gehen reihenweise Betriebe pleite“. Der Verband hat ein Konzept zum Milchmarkt-Krisenmanagement vorgelegt, das unter anderem eine private Lagerhaltung von Milch vorsieht. Werde die Milchmenge dadurch nicht genügend reduziert, müssten diejenigen, die weiterhin viel Milch liefern, Ausgleichsabgaben an jene Milchbauern zahlen, die ihre Lieferungen reduzieren. „Wir wollen keine Planwirtschaft“, sagt Mansholt, „aber der Markt muss so gestaltet werden, damit wir fair behandelt werden.“

Parallel zu diesem kompliziert anmutenden Krisenmanagement ist der BDM selbst unter die Milchlieferanten gegangen, indem er eine eigene Marke kreiert hat: Die faire Milch. Sie stammt von Bauern, die im BDM organisiert sind, ist komplett Gentechnik frei und wird in einer Molkerei in Plauen abgefüllt. „In Niedersachsen haben wir keine Molkerei gefunden“, so Mansholt. Der empfohlene Verkaufspreis betrage 1,19 Euro je Liter, wovon faire 43 Cent an die Erzeuger gingen, betont Mansholt.

Sie und ihre BDM-Mitstreiter hoffen nun, dass immer mehr Verbraucher bewusst zur fairen Milch greifen, um die Bauern zu unterstützen. Der Verbraucher, das räumt Mansholt ein, habe allerdings nur einen begrenzten Einfluss, da lediglich ein Drittel der Milch direkt in deutschen Kühlschränken lande. Der weitaus größere Rest gehe in die Käseproduktion oder werde von der Lebensmittelindustrie verarbeitet.

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