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Preis deckt Produktionskosten nicht Milchbauern steht das Wasser bis zum Hals

"Eigentlich müsste ich Eintritt von Ihnen nehmen, wenn wir in den Stall gehen." Man könnte es Galgenhumor nennen, mit dem Landwirt Johann Schütte aus Schwarme seine Lage als Milchbauer umschreibt. Schuld an der Misere sei der extrem niedrige Milchpreis, der die Produktionskosten nicht decke.
21.08.2015, 00:00 Uhr
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Von Karin Neukirchen-Stratmann

„Eigentlich müsste ich Eintritt von Ihnen nehmen, wenn wir in den Stall gehen. Denn wir zahlen im Moment jeden Tag Eintritt.“ Man könnte es Galgenhumor nennen, mit dem Landwirt Johann Schütte aus Schwarme seine momentane Lage als Milchbauer umschreibt. Schuld an der Misere sei der extrem niedrige Milchpreis, der die Produktionskosten bei Weitem nicht decke.

Derzeit gebe es nur magere 26 Cent pro Liter. „Die Produktionskosten liegen aber locker bei 30 Cent plus Arbeitslohn, also bei rund 38 Cent gesamt“, rechnet Jens Schütte, der Hofnachfolger, vor. Unterm Strich heißt das für die Landwirte, dass sie täglich Geld aus eigener Tasche auf die Produktion der Milch drauflegen, statt damit ihr Einkommen zu erzielen.

So schlecht sei es nicht immer gewesen, erklärt Johann Schütte. „Wir hatten auch schon ein paar gute Jahre, aber Anfang vergangenen Jahres sank der Preis von 39 auf 29 Cent.“ Jetzt hoffen Vater und Sohn auf ein schnelles Ende dieser Talfahrt, denn „die Lage ist ernst, sehr ernst“.

Um den Betrieb auch für den Nachfolger zukunftsfest zu machen, hat Johann Schütte kontinuierlich investiert und Ställe ausgebaut. Angefangen hat die Familie 1889 in der Heide in Schwarme, das alte Haus, das der Urgroßvater damals erwarb, steht auch heute noch. „Mein Urgroßvater war noch Maurer, die nachfolgenden Generationen dann Landwirte“, blickt Schütte zurück. Heute bewirtschaftet Johann Schütte mit seinem Sohn Jens einen Ackerbaubetrieb mit rund 125 Hektar, produziert mit zur Zeit 80 Kühen Milch, und hält dazu Jungvieh. 1996 wurde in einen neuen Boxenlaufstall investiert, 2003 kam ein Rinderlaufstall dazu. „Da war Jens in der Ausbildung, und es wurde klar, dass er den Hof mal übernimmt“, blickt Vater Johann Schütte zurück. 2013/14 dann die letzte Investition in einen Liegeboxenstall. Familie Schütte produziert auf den Feldern nicht nur Getreide, sondern auch Futter für die Kühe, „das können wir zu 90 Prozent hier selber anbauen.“ Außerdem wird auch die eigene Nachzucht im Stall aufgezogen.

Die Milch wird über die Milchliefer-Genossenschaft Thedinghausen zur Molkerei nach Rehburg geliefert. Johann Schütte sitzt ebenfalls im Milcherzeuger-Ausschuss, nimmt daher auch an den Preisverhandlungen mit der Molkerei teil. Seit dem 1. April produzieren die Landwirte in Deutschland nicht mehr nach der Quote. „Das sehen wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, so Johann Schütte. Lachend, weil man nun nicht mehr an eine bestimmte Milchmenge gebunden sei. „Wir müssen keine Kühe mehr verkaufen, damit wir die Quote nicht übererfüllen, denn Kühe sind keine Computer, die kann man nicht einfach einstellen.“ Viele Landwirte hätten in die Quote investiert, diese wurde zum Beispiel auch verkauft oder verpachtet. „Das gibt es jetzt nicht mehr. Die Quote war einmal Betriebskapital.“ 31 Jahre lang habe die Quote den Milchmarkt beherrscht, ein Ziel sei die Vermeidung von Überproduktionen bei Milch und Butter gewesen. Funktioniert habe dies nicht wirklich, am Ende sei wieder zu viel Milch auf dem Markt gewesen.

Johann Schütte sieht den Wunsch einiger Berufskollegen, die Vermarktung in eigene Hände zu nehmen, kritisch. „Wenn der Preis nach oben geht, kann das funktionieren, aber wenn der Preis abstürzt, steht man da auch auf dem Schlauch.“ Die Zahl der Milchviehbetriebe halbiert sich alle zehn Jahre, wie Schütte selber beobachten kann. „Wir waren in der Milchliefer-Genossenschaft mal 120 Betriebe, jetzt sind wir 60, und das ist in zehn Jahren passiert.“

Zwei Familien müssen bei Schüttes von der Landwirtschaft leben. „Bis Ende des Jahres können wir wohl so noch durchhalten, aber dann wird es eng, denn die Bank will bedient werden, und im Frühjahr müssen neues Saatgut und Dünger bezahlt werden“, blickt Johann Schütte besorgt in die Zukunft. Er nimmt auch die großen Lebensmittelkonzerne in die Pflicht: „Die reden von fairem Handel und Nachhaltigkeit, drücken aber die Preise, wo sie können.“

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