Vor allem in der Dämmerungszeit kommt es häufig zu Wildunfällen. Ein Patentrezept, wie man solch einen Unfall vermeiden kann, gibt es nicht. Kreisjägermeister Hilmer Kruse und Helge Cassens von der Polizei haben aber Tipps, wie man sich als Autofahrer im Falle eines Wildwechsels verhalten sollte.
Für Autofahrer eine Horrorvorstellung: Man ist während der Dämmerungszeit mit seinem Auto unterwegs und plötzlich erblickt man einige Meter vor sich ein Reh auf der Straße. Ausweichen, bremsen oder den Zusammenstoß riskieren? „Eine Patentlösung gibt es nicht“, sagt Kreisjägermeister Hilmer Kruse. „Man sollte aber definitiv nicht das Steuer verreißen. Es ist traurig um jedes Tier, aber in diesem Fall ist das eigene Leben wichtiger.“
Sein Tipp: „Fernlicht aus und Gas runter.“ Ähnlich sieht es auch Helge Cassens von der Polizeiinspektion Verden/Osterholz. „Bremsen ist erlaubt, wenn es aber nicht mehr vermeidbar ist, sollte man den Zusammenstoß in Kauf nehmen“, so Cassens, der darauf hinweist, wie gefährlich es ist, das Steuer zu verreißen: „Ich habe es schon erlebt, dass solche Unfälle für die Autoinsassen zum Tode führten.“
Wenn es zum Zusammenstoß mit dem Wild gekommen ist, sollte man laut Cassens zu allererst den Unfallort sichern und ein Warndreieck aufstellen. „Dann ist es wichtig, die Polizei zu rufen“, sagt er. Kruse weist darauf hin, dass weitere Tiere folgen können. „Es ist nicht ungewöhnlich, wenn an gleicher Stelle oder in der Nähe erneut Tiere über die Straße wollen.“
In den meisten Fällen überlebt das Tier den Zusammenstoß nicht, sagt Kruse, und wenn doch, dann oft nur schwer verletzt. „Vor Ort wegen wir ab, was dann zu tun ist. Wenn sich das Tier quält, können wir es erschießen. Ansonsten kümmert sich der Jagdpächter um das Wild“, so Cassens.
Erhöhte Aufmerksamkeit
Gerade jetzt, nach der Umstellung auf Sommerzeit, sind Wildunfälle nicht selten. Mensch und Tier haben die gleiche Aktivphase, denn während sich in der Morgendämmerung viele Berufstätige auf den Weg zur Arbeit machen, verlassen die Wildtiere ihre Einstände auf der Suche nach Futter. Das Risiko von gefährlichen Begegnungen, besonders an Wald- und Feldrändern steigt. Aber nicht nur die Umstellung auf Sommerzeit ist ein Grund. „Im Frühjahr passiert in der Natur viel. Wildkräuter wachsen, und da will das Rehwild dann hin. Zudem werden durch die Ernte Flächen frei, die Tiere müssen sich dann andere Plätze suchen, wandern und überqueren dann eventuell auch mal eine Straße. Deshalb ist erhöhte Aufmerksamkeit in dieser Jahreszeit besonders wichtig“, so der Kreisjägermeister.
Anders als in Niedersachsen und im Bund, wo die Zahl der Wildunfälle angestiegen ist, ist sie im Landkreis Verden gesunken. Die Polizei verzeichnete hier im Jahr 2013 insgesamt 652 Wildunfälle. Gemessen an der Gesamtunfallzahl ist dieser Bereich im Landkreis mit über 16 Prozent zwar noch immer der Höchste, allerdings lag die Zahl der Wildunfälle 2012 noch bei 962. Kruse führt das auch auf die Arbeit der Jägerschaft zurück die Reflektoren, Duftzäune und Dreibeine an den Bundes-, Landes- und Kreisstraßen aufgestellt hatte. Vielerorts warnen zudem gesonderte Verkehrsschilder mit einem zusätzlichen Hinweis vor häufigem Wildwechsel an dieser Stelle. „Dennoch bleiben diese Straßen die Hauptgefahrenzonen für Wildunfälle“, so Kruse. An der A27 zwischen dem Bremer Kreuz und Verden-Ost sei es seit dem Aufbau eines Zaunes durch die niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr kaum noch zu Unfällen gekommen.
Hintergrund: Gegen den Trend
Während die Zahl der Wildunfälle im Landkreis Verden sinkt, ist sie in Niedersachsen und in Deutschland angestiegen. 2013 kamen nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) auf Deutschlands Straßen mehr als 230 000 Stück Großwild ums Leben. Verglichen mit dem Gesamtdurchschnitt der fünf Vorjahre stieg 2013 die Zahl der getöteten Wildschweine (25 000), Damhirsche (4400), Rehe (198 400) und Rothirsche (2900) laut DJV um insgesamt 1,6 Prozent. Auch in Niedersachsen ist die Zahl angestiegen. Laut der Landesjägerschaft Niedersachsen wurden im Zeitraum April 2012 bis März 2013 rund 30 000 Wildunfälle registriert. Im Jahr davor waren es noch knapp 28 400. Besonders bei Zwischenfällen mit Schwarzwild war der Anstieg in Niedersachsen auffällig. Hier wuchs die Zahl von 1609 auf 1942.