Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Heinz Rudolf Kunze liest aus seinem Roman „Manteuffels Murmeln“ / Mehr als 400 Zuhörer bei „Literatur vor Ort“ Von Wutbürgern und Blutwürgern

Am Mittwochabend betrat Heinz Rudolf Kunze die Bühne in der Verdener Sparkasse, um seinen ersten Roman zu präsentieren. Etwa 400 Gäste besuchten die Veranstaltung „Literatur vor Ort“, eine Lesereihe, die zum 16. Mal in Verden stattfand. Musikalisch umrahmt wurde die Lesung von Jan Drees auf der Gitarre.
09.05.2014, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von GISELA ENDERS

Am Mittwochabend betrat Heinz Rudolf Kunze die Bühne in der Verdener Sparkasse, um seinen ersten Roman zu präsentieren. Etwa 400 Gäste besuchten die Veranstaltung „Literatur vor Ort“, eine Lesereihe, die zum 16. Mal in Verden stattfand. Musikalisch umrahmt wurde die Lesung von Jan Drees auf der Gitarre.

In den Vorjahren lasen Schriftstellerinnen wie Cornelia Funke und Elke Heidenreich, Journalisten wie Peter Scholl-Latour und Hellmuth Karasek oder die Entertainer Hape Kerkeling und Eckhardt von Hirschhausen aus ihren Büchern im Rahmen der Lesereihe „Literatur vor Ort“. Am Mittwochabend stand ein Künstler auf der Bühne, den Silke Korthals, Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Verden, als „einen Künstler, der viele Talente in sich vereint“ ankündigte: Heinz Rudolf Kunze. Der Autor und Rockmusiker, Musicaltexter und Dozent betrat gemeinsam mit Gitarrist Jan Drees die Bühne zu einer Lesung mit Musik, gleichzeitig war es der 50. gemeinsame Auftritt.

Bereits mit 20 Jahren errang Kunze den ersten Platz bei einem Literaturwettbewerb. „Alle drei Jahre wird in Buchform zusammengepresst, was nicht auf eine Platte passt“, erzählte Kunze, der nach eigenen Angaben noch rund 5000 Texte in der Schublade habe – zu viele für ein einziges Leben. Bevor der Literat mit seiner Lesung begann, tauschte er seine markante Brille gegen ein Lesemodell, und Jan Drees entlockte seiner Gitarre mal psychedelische Klänge, mal zarte Melodien, die perfekt zu den Darbietungen Kunzes passten.

„Manteuffels Murmeln – dieser Roman ist komplett wahnsinnig“, sagte Kunze über sein Hauptwerk. Zwei Männer, Manteuffel und Gruber, spielen die tragenden Figuren. Durch Schüsse verletzt, liegen sie im Krankenhaus. Aus der Narkose erwacht, versuchen sie, sich zu erinnern – an ihr Leben und an eine Frau mit dem Namen Minze, die darin eine Rolle gespielt hatte. Als Arzt betreut John Lennon die Männer – ein Vergleich mit dem Charakter des legendären Beatle-Gitarristen sei gewollt. Es gehe in diesem Buch um unser aller Leben, um Musik, Philosophie, auch um Kindheit, beschrieb der wortgewaltige Macher den Inhalt des Werkes.

Immer wieder unterbrach Kunze die Schilderung der Lebensumstände seiner beiden Protagonisten für Wortspielereien, mit denen er mal fragwürdige Errungenschaften der heutigen Zeit oder aber auch den Menschen an sich aufs Korn nahm: „Weiß denn jemand hier, wer jetzt die Rechnung ohne den Wirt macht? Vielleicht der Wutbürger? Der Gutbürger? Der Blutwürger? Ihnen auch alles Liebe, sterben Sie schön. Bis morgen dann in alter Frische.“

Jeder Abend ist anders

Wenig später lästerte er über den Song „Flipper“, von Kindern und Müttern jahrzehntelang geliebt – aus seiner Sicht gesehen der „erbärmlichste Reim der Weltgeschichte“. Auch Osnabrück, die Stadt an der Hase, bekam ihr Fett weg. Sie sei überall von Rändern umgeben, Osnabrück sei mal piefig, mal pfiffig, eben unauffällig, so der einstige Sohn der Stadt, der sich auch mit dem Wohl und Wehe von Spaziergängen auseinandersetzte.

Er las vor, was mit Horst Labahn geschah. Der wollte nie spazieren gehen und wurde, als er es ein einziges Mal tat, von einem außergewöhnlich aggressiven Wildschwein aufgefressen, dem Wildhüter zuvor ebenfalls den Namen Horst verpasst hatten. Durchgeplant sind die Auftritte von Kunze und Drees nicht: „Jeder Abend ist anders, wir wollen uns auch gegenseitig überraschen“, antwortete der freischaffende Musiker aus Hamburg, „es wird improvisiert, wir sind nicht auf Autopilot“.

Ganz privat wurde der studierte Germanist Kunze, als er von seiner Freizeit berichtete. Die sei ganz profan – er habe spießige Hobbys. Dazu zählten Vorabendkrimis und Fußball im Fernsehen. „Auf Problemfilme habe ich keine Lust, da sehe ich lieber den Bullen von Tölz“, erzählte er. Darüber hinaus wäre er für den Wochenendeinkauf zuständig und mache gelegentlich mit seiner Frau Urlaub. „Nur eine Woche, mehr halte ich nicht aus.“ Neue Ideen, die ständig in seinem Kopf kreisten, müssten schließlich umgesetzt werden. So komme in Kürze ein Kinderprojekt über die Tierwelt unter Wasser heraus, das im Juni gestartet werde. „Maffay hat ja Tabaluga beerdigt, da wird ein Platz frei“, sagte der vielseitige Künstler lachend.

Ein musikalischer Schlenker stand am Ende des mitreißenden Abends. „Das Dasein und ich“ beschreibt die Schwierigkeiten, die sich im Zusammenleben von Eltern und Kindern ergeben, und „Wenn Du sie siehst“, ist ein trauriges Liebeslied. „Traurige Liebeslieder sind viel schöner als rosa Schubidu“, meinte Kunze und legte zum Abschied zarten Schmelz in seine rockige Röhre.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)