Der Nachname Redzepovic ist den meisten Sykern bekannt. Der Grund ist grausam: Am 15. November 2002 verbrannte sich Miroslav Redzepovic im Syker Rathaus. Er und seine Familie sollten damals abgeschoben werden. Zwei Jahre später musste die verwitwete Mutter mit vier Kindern nach Serbien ausreisen. Tochter Slobodanka ist jetzt wieder in Syke, und ihr droht ein ähnliches Schicksal. Ein Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits abgelehnt, jetzt liegt ein Antrag auf Bleiberecht bei der Niedersächsischen Härtefallkommission.
Syke. Slobodanka Redzepovic ist eine muntere junge Frau mit wachen Augen. Sie ist 21 Jahre alt, ihre Altersgenossinnen gehen in Diskotheken, feiern, shoppen, genießen das Leben zumeist unbeschwert. Davon ist Slobodanka Redzepovic weit entfernt. Die Beschreibung ihrer Lebensumstände in den vergangenen acht Jahren liest sich wie ein Gruselroman. Vater Miroslav verbrannte sich 2002 im Syker Rathaus, Mutter und vier Kinder wurden zwei Jahre später nach Serbien abgeschoben. Dort begann für Slobodanka Redzepovic das Grauen: Sie wurde nach eigenen Angaben geschlagen, vergewaltigt, zwangsverheiratet und zwangsprostituiert. Irgendwann wurde der Leidensdruck für die in Deutschland geborene serbische Roma zu groß: Hochschwanger floh sie mit ihren beiden Kindern und deren Vater nach Deutschland. Nach Syke, wo sie aufgewachsen ist. Nach der Ablehnung ihres Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wartet die fünfköpfige Familie nun auf die Entscheidung der Niedersächsischen Härtefallkommission.
Auf dem Gehweg vor der städtischen Notunterkunft an der Sulinger Straße in Syke steht ein buntes Rutscheauto. Ein klarer Hinweis auf Kinder. Die sitzen drinnen, Familie Redzepovic hat es sich auf einem bunten Ecksofa gemütlich gemacht. Der Fernseher läuft. Die fünfjährige Valentina malt. Dass ihr Männchen einen quadratischen Kopf hat, stört sie gar nicht. Sie findet das lustig. Ihre kleine Schwester Anna-Maria (3) sitzt bei ihrem Vater auf dem Schoß, Söhnchen David, sieben Monate alt, liegt auf einer Krabbeldecke. Familienidyll, alle scheinen sich wohlzufühlen. Auch Slobodanka Redzepovic. Die sagt in akzentfreiem Deutsch: "Syke ist meine Heimat, hier fühle ich mich zuhause." Die Frage ist nur: Wie lange noch?
Denn der Asylantrag von Slobodanka Redzepovic wurde bereits abgelehnt. Woran sie nicht ganz schuldlos ist. Sie habe damals kein Bahnticket nach Oldenburg zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt bekommen und sei deshalb zur Begründung ihres Antrags nicht erschienen. "Das war mein größter Fehler", ärgert sich die 21-Jährige. "Ich hätte mir Geld leihen sollen, ich hätte schwarzfahren sollen, aber ich hätte dort erscheinen müssen." Wobei: Ihre Chance auf Asyl war ohnehin nur gering. Christina Runge, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Diepholz und in dieser Funktion auch zuständig für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, erklärt: "Das Asylrecht ist klar definiert. In Serbien herrschen formal keine kriegerischen Verhältnisse, deswegen ist es schwierig."
Also wandte sich Familie Redzepovic über einen Anwalt, wie Rahmi Tuncer von Pro Asyl im Landkreis Diepholz mitteilt, an die Niedersächsische Härtefallkommission, um weiter bleiben zu dürfen. "In der Härtefallkommission sitzen vom Innenminister berufene Persönlichkeiten aus Wohlfahrtsverbänden und Kirchen", erläutert Rahmi Tuncer. Aber: Die Härtefallkommission bewertet mitnichten die Umstände in Serbien, sie bewertet, wie hart es wäre, wenn man Slobodanka Redzepovic samt Anhang aus ihrem Syker Leben reißen würde. "Dazu gehört auch die Integration am Arbeitsmarkt", weiß Rahmi Tuncer. "Wenn die Menschen ausreichend verwurzelt sind, wird meist positiv entschieden." Christina Runge ergänzt: "Der Casus knacktus ist, dass sie sich selbst finanzieren können muss."
Slobodanka Redzepovic ist bereit dazu. Ihre beiden Töchter gehen zum katholischen Kindergarten, zur Sprachschule, Valentina sogar schon zum Schwimmunterricht. "Ich bringe sie überall hin und hole sie wieder ab", sagt die stolze Mutter. Zudem habe sie Kontakt zur Hacheschule aufgenommen, die sie schon in ihrer Kindheit besucht hatte. "Ich will einen Abschluss machen und dann arbeiten gehen. Ich will nicht vom Sozialamt leben. Ich gehe auch in anderer Leute Häuser und putze dort die Toiletten."
Doch reicht der Wille aus? Martina Schaffer ist Vorsitzende der Härtefallkommission und erzählt: "Für einen positiven Bescheid sollten die Menschen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, sie sollten ins örtliche Leben integriert sein, ihre Kinder sollten zur Schule gehen und sie selbst sollten Arbeit haben." Etwa sechs Monate benötige solch ein Entscheidungsprozess, "in einigen Fällen dauert es auch länger".
Positiv daran: In dieser Zeit können Slobodanka Redzepovic und ihre Familie nicht ausgewiesen werden. "Die Entscheidung der Härtefallkommission wird selbstverständlich abgewartet, so lange passiert nichts", verspricht Klaus Speckmann vom Fachdienst Sicherheit und Ordnung im Landkreis Diepholz. Der Landkreis selbst habe keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung, "aber die Kommune wird manchmal gefragt". Die Betroffenen sollten positive Fakten schaffen, meint er, "es ist ein Prozess, in dem auch Veränderungen berücksichtigt werden".
Nach Serbien führt für Slobodanka Redzepovic kein Weg zurück. "Ich möchte meine Vergangenheit hinter mir lassen, einen Strich ziehen." Am liebsten in Syke. "Ich hätte überall in Deutschland hingehen können, aber ich wollte zurück nach Syke." Alte Schulfreundinnen hätten sie schon besucht, Nachbarn hätten mit Teppichen und Vorhängen ausgeholfen. Ihre Töchter haben im Kindergarten Freundschaften geschlossen, sie selbst auch. Sie spürt Unterstützung. "Das ist ein schönes Gefühl. Ich weiß, dass mich jemand mag und will, dass ich hierbleibe."
Töchterchen Valentina freut sich schon auf die Schule, die für sie nach den Sommerferien beginnt. Doch wird sie dort auch hingehen? Es liegt in den Händen der Härtefallkommission. "Ich habe mein Leben im Griff", behauptet Slobodanka Redzepovic. "Ich würde nie in mein altes Leben zurückkehren. Ich will nicht, dass meine Töchter in einem Land aufwachsen, wo Frauen wie Scheiße behandelt werden." Und wenn sie doch gehen müssten? Darauf weiß Slobodanka Redzepovic nur eine Antwort: ein Achselzucken.