WESER-KURIER-Sportchef Marc Hagedorn wirft einen amüsanten Blick hinter die Kulissen der EURO2016. Heute geht es um das Angeln am Genfer See.
Eigentlich schade, dass Joachim Löw kurz vor dem Turnier Marcus Sorg zu seinem zweiten Assistenten gemacht hat. Ich glaube, dass Horst Hrubesch hier viel besser hingepasst hätte. Evian wäre für ihn genau das richtige Plätzchen gewesen. Der Genfer See ist nämlich ein Paradies für Angler. Jedenfalls, wenn ich die Anzahl der Männer mit Angeln zum Maßstab nehme, die täglich den See umzingeln. Manchmal, wenn ich mich entspannen will, schaue ich ihnen beim Angeln zu.
Diesmal haben sich drei ältere Männer mit ihrem Boot ein Plätzchen in Ufernähe gesucht. Wenn sie früher einmal gut durchtrainiert waren, dann können sie das mittlerweile gut verbergen. Weil die Sonne vom Himmel brennt, haben sie ihre Oberkörper entblößt. Ich nehme an, dass dies ihre Art ist, der Sonne Danke zu sagen. Ich bin mir sicher, dass dieser Anblick für die Sonne unvergesslich bleiben wird.
Einer von den Anglern, die an der Promenade stehen, ist Herve. „Deutscher?“, fragt er mich, als er mich bemerkt. „Ich bin Herve“, sagt er, noch ehe ich ihn fragen kann, woran er meine Nationalität erkannt hat. Später denke ich, dass mich meine weißen Socken verraten haben könnten. Zum Glück habe ich gleich verstanden, dass Herve nicht die Einwohner von Hervetien sind, sondern dass Herve so heißt. Herve stammt aus dem Elsass, wie ich später erfahre und was sein gutes Deutsch erklärt.
Herve fragt mich, ob ich zu Hause auch angeln würde. Ich habe das Gefühl, dass Herve jemanden zum Reden sucht. Wenn ich jetzt die Wahrheit sage, nämlich, dass ich vom Angeln keine Ahnung habe, wäre unsere Bekanntschaft vermutlich für immer in der Anbahnungsphase stecken geblieben. Also sage ich zum Thema Angeln das Einzige, was ich zum Thema Angeln sagen kann. „Der berühmteste Dorsch-Angler in Deutschland heißt Horst Hrubesch“, lasse ich Herve wissen. Horst Hrubesch hat das Standardwerk „Dorsch angeln vom Boot und an den Küsten“ verfasst. Ein paar Exemplare sind noch im Handel.
Herve lacht, als er das hört, er hat Horst Hrubesch bis dahin immer für einen Fußballer gehalten. Irgendwie setzt das ein Gespräch in Gang.
Abends gehe ich mit ein paar Kollegen essen. Ich entscheide mich für ein Zanderfilet. Es schmeckt köstlich. Ich stelle mir vor, wie Herve den Fisch ein paar Stunden zuvor gefangen und an den Wirt verkauft hat. Obwohl ich glaube, dass es im Genfer See gar keine Zander gibt, finde ich die Vorstellung schön.