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Von Tränen und Talenten Türkischer Verband schließt Büro in Köln

Dublin. Der türkische Verband hat entschieden, sein Scouting-Büro in Köln zu schließen. Die Zweigstelle spielte eine wichtige Rolle bei der Sichtung deutsch-türkischer Talente. Die Schließung hat demnach nicht nur sportliche Gründe.
27.05.2014, 08:40 Uhr
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Von Tobias Schächter

Dublin. Hakan Calhanoglu sagt, er sei mit den Kräften am Ende. Man hat das gesehen Sonntagabend in Dublin, nach dem 2:1 der türkischen Fußball-Nationalmannschaft gegen Irland. Freundschaftsspiele nach einer langen Saison mit falschen Einwürfen und vielen Wechseln sind für Zuschauer und Spieler eher Last als Vergnügen. Calhanoglu will ganz nach oben, einer wie Messi und Ronaldo werden. Das hat er jüngst in einem Interview gesagt.

Auf dem Weg zum Star will Calhanoglu schnell den nächsten Schritt machen. Er will den Hamburger SV verlassen und in der neuen Saison beim Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen spielen: „Ich hoffe, dass die Klubs sich einigen.“

Hakan Calhanoglu ist total auf seine Karriere fokussiert. Ob die Türkei dafür das richtige Sprungbrett ist? Die Türken haben sich zum dritten Mal hintereinander nicht für ein großes Turnier qualifiziert, der Fußball im Land liegt nach dem Manipulationsskandal von 2011 sportlich und imagemäßig am Boden. Hakan Calhanoglu, 20 Jahre jung, ist nun der sportliche Hoffnungsträger auf eine bessere Zukunft. Auch ein Anruf des deutschen Nationaltrainers Joachim Löw konnte nichts an seiner Entscheidung für die Türkei ändern. „Ich habe mich für mein Land entschieden“, sagt Calhanoglu. „Ich bereue es nicht.“

Zusammen mit Nuri Sahin von Borussia Dortmund, der in Dublin die Kapitänsbinde der Auswahl von Trainer Fatih Terim trug, soll Calhanoglu die Türkei zur EM 2016 führen. Beide sind vom Europa-Büro des türkischen Fußballverbandes (TFF) in Köln gescoutet worden. So wie zuvor die Altintop-Zwillinge oder Ömer Toprak von Bayer Leverkusen und viele Spieler mehr.

Schon im frühen Jugendbereich streiten der TFF und der DFB um Talente mit türkischen Wurzeln. Die Türken ließen sich das Scouting in Europa in den vergangenen zwölf Jahren bis zu eine Million Euro pro Jahr kosten. Dass allerdings die beiden größten Talente sich für Deutschland entschieden, haben die Verantwortlichen in der Türkei nie verwunden. Mesut Özil empfing die Emissäre von Fatih Terim während eines Trainingslagers mit Werder Bremen an der türkischen Mittelmeerküste nicht einmal, während Ilkay Gündogan die aggressiven Anwerbeversuche der Türken abschreckten. Einmal bedrängten den damaligen Nürnberger Gesandte Terims direkt nach einem Bundesligaspiel im Stadion. Diese Fehlschläge kosteten die jeweiligen Chefscouts in Deutschland den Job.

Nun beschloss Fatih Terim, der in seiner dritten Amtszeit nicht nur Trainer der A-Nationalmannschaft ist, sondern auch so etwas wie der Technische Direktor für die sportliche Ausrichtung des gesamten Verbandes, nach langen, internen Diskussionen die Schließung des Europa-Büros. Terim, so heißt es, wolle verstärkt die Nachwuchsförderung in der Türkei entwickeln. Aber offenbar ärgerte sich die Zentrale auch über schwache Spieler aus Deutschland; zu wenige Özils, zu viele Sararers seien auf Empfehlung Kölns gekommen. Der zwölfmalige türkische Nationalspieler Sercan Sararer vom VfB Stuttgart stand nicht im Aufgebot Terims in Dublin. In einer Fußballkultur wie der türkischen, in der schneller Erfolg mehr zählt als nachhaltige Entwicklung, ist der Aufbau anderer Nachwuchs-Strukturen immer gescheitert. Und die Zusammenarbeit zwischen Istanbul und Köln war immer schwierig.

Dass aber auch Eitelkeiten und Sündenbocksuche bei der Schließung des Europa-Büros eine Rolle gespielt haben könnten, verdeutlicht folgende Geschichte: Vor einem Jahr soll Erdal Keser, der Erfinder des Büros und damalige Chefscout, gefeuert worden sein, weil er den Verbandspräsidenten Yildirim Demirören bei einem Besuch in Köln nicht persönlich empfangen haben soll. Keser, ein ehemaliger Bundesligaprofi, hatte einen anderen Termin.

Nun stehen die großen Räume des Büros in einer Altbauvilla am Kölner Rheinufer leer. Hakan Calhanoglu war zufällig am Tag der überraschenden Schließung zu Besuch in Köln. Es hat Tränengegeben. Manchen Mitarbeitern wurde ein Job in Istanbul angeboten, andere wurden kalt abserviert. Nun, so heißt es, wolle der Verband die Suche nach Talenten in Europa neu institutionalisieren. Wie und wann das geschehen soll, wird offenbar noch diskutiert.

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