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Inoffizielle WM in Schweden Musa Karli - Nationalspieler ohne Nation

Nach den Richtlinien des Weltverbands FIFA ist er zwar kein offizieller Nationalspieler, doch deswegen ist Musa Karli nicht weniger stolz. Bei der inoffiziellen Fußball-WM in Schweden gewann der Delmenhorster mit den Aramäern die Bronzemedaille.
14.06.2014, 00:00 Uhr
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Musa Karli - Nationalspieler ohne Nation
Von Christoph Bähr

Nach den Richtlinien des Weltverbands FIFA ist er zwar kein offizieller Nationalspieler, doch deswegen ist Musa Karli nicht weniger stolz. Bei der inoffiziellen Fußball-WM in Schweden gewann der Delmenhorster mit den Aramäern die Bronzemedaille. Während der Partien des Teams fieberten Anhänger aus aller Welt mit.

Musa Karli stand im Stadion der kleinen schwedischen Stadt Östersund, ließ seinen Blick über die Tribünen wandern – und sah gähnende Leere. Die inoffizielle Fußball-WM für Nicht-FIFA-Mitglieder war alles andere als ein Publikumsmagnet, doch in Karlis Kopf liefen in diesem Moment, kurz vor dem Anpfiff des Halbfinales, ganz andere Bilder ab. Im rot-gelben Trikot der aramäischen Nationalmannschaft lauschte der Delmenhorster der Melodie, die anstelle der nicht-vorhandenen Nationalhymne erklang, und dachte an die vielen Videos, die er gesehen hatte. Aramäer aus ganz Deutschland und den Niederlanden hatten den Spielern Aufnahmen geschickt, auf denen sie zu Hunderten vor der Leinwand die Tore ihres Teams bejubeln. „Ich habe daran gedacht, dass sie alle auf uns schauen. Da kamen mir fast die Tränen“, erzählt Musa Karli.

Den Endspieleinzug schafften die Aramäer bei dem vom Verband ConIFA organisierten Turnier zwar nicht, sie schieden nach einem 1:4 gegen Ellan Vannin (Isle of Man) aus. Durch ein 4:1 über Südossetien im Spiel um Platz drei sicherten sie sich aber anschließend die Bronzemedaille (wir berichteten). „Mit dem Erreichten können wir sehr zufrieden sein. Die Mannschaft war schließlich überhaupt nicht eingespielt“, betont Karli.

Sechs Wochen vor dem Beginn der inoffiziellen WM mit zwölf Teilnehmern hatte der Mittelfeldspieler des Regionalligisten VfB Oldenburg einen Anruf vom aramäischen Nationaltrainer Melke Alan erhalten. Der hatte Informationen über höherklassig spielende Aramäer in Deutschland eingeholt und war dabei auf Karli gestoßen. „Wir haben unsere Vorstellungen ausgetauscht. Es war schnell klar, dass ich dabei sein will, denn für die Aramäer zu spielen, ist für mich mit unheimlich viel Stolz verbunden“, unterstreicht der Delmenhorster. Kurz nach dem Telefonat buchte Karli also einen Flug nach Schweden.

Delmenhorster Doppelzimmer

Während sich die Teams auf die offizielle Fußball-WM in Brasilien wochen- oder gar monatelang vorbereiteten, blieb den Aramäern genau ein Tag, um sich kennenzulernen. „Wir haben einmal trainiert, dann stand das erste Spiel an“, berichtet Karli. Die Spieler des Teams namens „Arameans Suryoye“ reisten aus Deutschland, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz an. „Die meisten von ihnen kannte ich nicht oder nur vom Hörensagen“, schildert Karli. Immerhin war sein Mitbewohner kein Fremder: Das Hotelzimmer teilte sich der 24-Jährige mit David Demir vom Kreisliga-Vizemeister SV Atlas Delmenhorst.

Als es im ersten Vorrundenspiel gegen Kurdistan ging, wurde Demir im Laufe der Partie eingewechselt. Karli spielte von Beginn an und war zunächst skeptisch. „Die Kurden trainieren seit vier Jahren zusammen und spielen teilweise in der ersten irakischen Liga“, hatte er vorher gehört. Sollte das bunt zusammengewürfelte aramäische Team gegen solch einen Gegner überhaupt eine Chance haben? Die Antwort lautete: Ja. Die Aramäer gewannen mit 2:1, und Musa Karli erzielte einen Treffer. „Ich hatte schon gehofft, dass ich Akzente setzen kann. Ich kenne meine Qualitäten“, betont der Delmenhorster, der bereits für den SV Darmstadt 98 in der dritten Liga auflief.

Im zweiten Spiel gegen Tamil Eelam (Separatisten in Sri Lanka) glänzte Karli erneut als Torschütze und führte seine Mannschaft zu einem 2:0-Erfolg. Da die komplette inoffizielle WM im Internet übertragen wurde, war seine Familie in Delmenhorst live dabei. Lobeshymnen aus der Heimat gab es aber nicht. „Mein Vater ist mein härtester Kritiker, und das ist gut so. Ich kann mich nie ausruhen“, sagt Musa Karli. Im Viertelfinale setzten sich die Aramäer – erstmals mit Karli und Demir in der Startelf – nach Elfmeterschießen gegen Okzitanien durch. Danach reiste Demir ab, um in der Bezirksliga-Relegation für Atlas zu spielen.

Musa Karli und seine Teamkollegen verließen derweil langsam die Kräfte. Innerhalb von vier Tagen hatten sie drei Partien auf dem Kunstrasen von Östersund bestritten. Im Halbfinale gegen Ellan Vannin ging den Aramäern dann trotz einer 1:0-Führung die Puste aus. „Die Belastung war sehr groß. Ich musste mich mit muskulären Problemen auswechseln lassen“, berichtet Karli. Für das kleine Finale gegen Südossetien mobilisierte er trotzdem noch einmal alle Kräfte und wurde mit der Bronzemedaille belohnt. Über Facebook und sein Handy trudelten danach unzählige Glückwünsche von Aramäern aus aller Welt bei dem Mittelfeldspieler ein. „Dass es keinen aramäischen Staat gibt, schweißt uns noch mehr zusammen. Wenn man irgendwo Aramäer trifft, unterhält man sich gleich miteinander“, schildert Karli. „Ich denke, dass sie alle mit uns zufrieden waren. Wir sind als Team im Laufe des Turniers zu einer richtigen Einheit geworden.“

Für ihn geht es nun erst einmal darum, die sportliche Zukunft zu klären, denn sein Vertrag beim VfB Oldenburg läuft Ende Juni aus. Erste Gespräche über eine Verlängerung habe es gegeben. „Ich würde gerne bleiben. Der VfB ist ein Traditionsverein“, sagt Karli. Dass der Delmenhorster, der einst beim SV Tur Abdin mit dem Fußballspielen begann, ein fester Bestandteil der aramäischen Nationalmannschaft bleibt, steht dagegen schon fest. Künftig sollen regelmäßig Freundschaftsspiele ausgetragen werden. „Ich bin jederzeit bereit, wieder das Nationaltrikot zu tragen“, betont Musa Karli. Für 2016 ist die nächste inoffizielle WM geplant. Wie dabei die Tribünen voll werden könnten, weiß der Delmenhorster bereits: „Direkt in Stockholm gibt es sehr viele Aramäer. Dort hätten wir vor mindestens 5000 Zuschauern gespielt.“

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