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Mixed Martial Arts ist als brutal verschrien "Wir sind keine Krieger"

Martialische Schlägerei oder intelligente Kampfkunst? Der Vollkontakt-Sport Mixed Martial Arts ist mit vielen Klischees behaftet. Der Bremer Henning Bode kämpft mit seinem Team gegen die Klischees.
31.12.2014, 00:00 Uhr
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Von Jan Oppel

Martialische Schlägerei oder intelligente Kampfkunst? Der Vollkontakt-Sport Mixed Martial Arts ist mit vielen Klischees behaftet. Sein überwiegend negatives Image hat diesen Sport in Deutschland ins Abseits gedrängt. Trotzdem wird er immer beliebter. Der Bremer Henning Bode kämpft mit seinem Team aus dem Kampfsport-Studio „Hardcore Training“ gegen die Klischees.

Muskulöse Männer mit freiem Oberkörper, die mit verzerrten Gesichtern aufeinander einprügeln. Blutüberströmt, in einem Käfig aus Maschendraht: Es sind Bilder wie diese, die viele mit dem Vollkontakt-Sport Mixed Martial Arts verbinden.

tBeim MMA dürfen Techniken verschiedener Kampfsportarten miteinander kombiniert werden. Auch am Boden geht der Kampf weiter. Zu brutal – entschied die Bayrische Landeszentrale für Neue Medien und hat die Übertragung von MMA-Kämpfen im deutschen Fernsehen verboten.

Henning Bode findet das übertrieben. „Das ist ein Sport wie jeder andere auch“, sagt der Kampfsportler und Trainer. Den Vorwurf aus Bayern lässt er nicht gelten: In den letzten 20 Jahren seien im MMA weltweit nur drei Todesfälle dokumentiert. „Da sind es selbst beim Springreiten mehr“, sagt Bode. Der 42-Jährige betreibt das Kampfsport-Studio „Hardcore Training“ in Bremen-Woltmershausen und moderiert Übertragungen von Kämpfen im Internet.

Den Begriff „Käfigkampf“, der oft im Zusammenhang mit dem Sport genannt wird, findet Bode ebenfalls irreführend. Der mit Maschendraht umzäunte, achteckige MMA-Ring – das „Octagon“ – mache den Kampf lediglich dynamischer und diene der Sicherheit. So sei es unmöglich, dass Kämpfer aus dem Ring fielen und sich bei Stürzen verletzten.

Bode hat am Empfangstisch seines Studios auf einem Barhocker Platz genommen. 1,90 groß, kurze Haare, Backenbart, die Arme mit zahlreichen Tätowierungen verziert. In über 25 Jahren hat Bode als Kampfsportler Erfahrungen im Boxen, Muay Thai und Brazilian Jiu-Jitsu gesammelt.

Keine Kämpfe mit Neonazis

Mixed Martial Arts ist keine eigene Kampfsport-Technik, sondern ein umfassendes Regelwerk, das Anfang der 1990er-Jahre im Rahmen der Vergleichskämpfe der Ultimate Fighting Championship (UFC) in den USA entstanden ist. Boxen, Muay Thai, Ringen oder Judo – für Kämpfer jeder Richtung, die gegeneinander antreten, existieren individuelle Auflagen. Würfe auf den Kopf oder Nacken des Gegners sind generell verboten. Was beim MMA stellenweise brutal aussieht, ist streng reglementiert. Zwar soll im Ring vieles möglich sein, einen Freifahrtschein für grenzenlose Gewalt gibt es aber nicht. Bei einem K.o. oder einer Aufgabe (Submission) beendet der Ringrichter den Kampf sofort. Ein Anzählen wie beim Boxen gibt es nicht. Bevor Anfänger das erste Mal in den Ring steigen dürfen, müssen sie bei „Hardcore Training“ mindestens zwei Jahre lang trainieren. Dass sich mancherorts bei Kämpfen schon Kinder gegenüberstehen, findet Bode unverantwortlich.

Dem Ursprung der Mixed Martial Arts liegt eine schwierige Frage zugrunde: Welche Kampfsportart ist die beste? Für Bode heißt die Antwort Brazilian Jiu-Jitsu. Eine Weiterentwicklung des Judo. Seit fünf Jahren trainiert er diesen Stil. „So gut wie niemand hat Ahnung vom Bodenkampf“, sagt er. „Deswegen ist BJJ so effektiv“. Ziel ist es, die Kraft des Gegners zu neutralisieren. Dafür wird der Kontrahent mit Hebel- und Wurftechniken möglichst schnell auf die Matte geschickt und dort mit Griffen kampfunfähig gemacht oder zur Aufgabe gezwungen.

Auch wenn die Sportart Mixed Martial Arts nicht so brutal ist wie ihr Ruf, übt sie eine große Anziehungskraft auf Rocker und Neonazis aus. „Dieses Problem hat der Sport“, gesteht Bode. „Das muss man so sagen.“ Er und seine Kämpfer gehen offensiv mit dieser Tatsache um. So läuft das Team bei Wettkämpfen mit den Titelsongs der TV-Serien „Gummibärenbande“ oder „Alfred Jodocus Kwak“ und in T-Shirts mit antifaschistischen Drucken auf. Bode glaubt, dass Neonazis in den Kämpfen vor allem ihr Männlichkeitsbild bestätigt sehen und dass sie das martialische Klischee der Sportart anzieht. Dem wollen die Bremer etwas entgegensetzen.

Um ein Aufeinandertreffen mit Neonazis möglichst zu vermeiden, informiert sich Bode vor jedem Turnier im Internet gründlich über die Veranstalter und gemeldete Kämpfer. Vor allem die Tätowierungen der Gegner nimmt er dabei besonders genau unter die Lupe.

Und das nicht ohne Grund: Bei einem Wettkampf in Greifswald wurden er und einige seiner Kämpfer von rechten Hooligans aus dem Fußball-Umfeld des FC Hansa Rostock rassistisch beschimpft. Selbst in der eigenen Kampfsportschule musste Bode schon Interessierte aus dem rechtsradikalen Milieu abweisen.

Trotz dieser unangenehmen Randerscheinungen und des bestehenden Fernseh-Verbots erfreut sich MMA hierzulande wachsender Beliebtheit. In den USA gehört die Sportart längst zu den beliebtesten. Bode hofft, dass MMA bald auch in Deutschland seinen Weg aus der Nische findet und sich als anerkannte Kampfsportart etabliert. „Wir sind keine Krieger“, sagt er. „Uns geht es um einen fairen, sportlichen Wettkampf.“

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