Mit Bausparverträgen hat Dieter König jahrzehntelang gute Erfahrungen gemacht. Sein Wohn- und Geschäftshaus in der Bremer Neustadt hat er zum Teil darüber finanziert. Auch vorher hatte er schon Darlehen bei der Bausparkasse genutzt. „Das hat immer gut funktioniert“, sagt der 58-Jährige. So gut, dass er Anfang der 1990er-Jahre bei der LBS Bremen – heute LBS West – weitere Bausparverträge abschloss. „Modernisierung des Altbaus, Anbau, Aufstockung, altersgerechter Umbau – alles teure Maßnahmen, bei denen ein Bauspardarlehen helfen kann. Ich selbst brauchte es dann zwar zunächst nicht mehr, aber ich könnte zum Beispiel meinen Töchtern helfen, wenn sie nach Ausbildung und einigen Berufsjahren mal irgendwo sesshaft werden.“
Doch daraus wird womöglich nichts. Obwohl er die komplette Bausparsumme noch nicht angespart hatte, bekam er Ende 2014 ein Kündigungsschreiben von der LBS. Die stellte ihn vor die Wahl, sich entweder das Geld auszahlen zu lassen oder zu schlechteren Bedingungen in einen neuen Bausparvertrag zu wechseln.
So wie König geht es in diesen Monaten Tausenden Sparern. Bundesweit haben Bausparkassen massenhaft Verträge gekündigt, obwohl die Bausparsumme noch nicht erreicht ist, haben die Verbraucherzentralen festgestellt. Vier Gesellschaften stehen dabei im Fokus: Die LBS-Baden-Württemberg, die Bausparkasse BHW, Wüstenrot und die LBS West. Dabei geht es besonders um solche Verträge, für die für heutige Verhältnisse hohe Renditen vereinbart wurden. Sie werfen vier oder gar fünf Prozent Zinsen ab. Viele stammen aus den 1990er-Jahren, als das Zinsniveau höher war und Bausparkassen mit attraktiven Zinsen um Marktanteile kämpften.
In der aktuellen Niedrigzinsphase bekommen die Institute am Finanzmarkt aber selbst nur sehr niedrige Zinsen für das Kapital ihrer Bausparer. Das ist bitter für diejenigen, die ihre Kundengelder nicht langfristig genug gegenfinanziert haben. Deshalb versuchen die Institute jetzt, ihre Sparer aus solchen lukrativen Altverträgen hinauszudrängen.
Die LBS West hat nach eigenen Informationen circa 2,2 Millionen Bausparer. Wie viele Verträge dort gekündigt wurden, will Unternehmenssprecher Gregor Schneider nicht beziffern. „Das bewegt sich bei uns im Promillebereich“, sagt er. Gekündigt worden seien nur solche Verträge, die schon seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind. Das heißt, dass Kunden die erforderliche Mindestsparsumme für ein Darlehen angespart haben, aber das Geld bislang nicht in Anspruch genommen wurde.
Aus Sicht der Verbraucherzentrale Bremen hat die LBS West jedoch vielen Kunden zu Unrecht gekündigt. Hier steht man auf dem Standpunkt, dass die Kunden so lange Anspruch auf Einhaltung des Vertrages und damit Zahlung der vereinbarten Guthabenzinsen haben, bis die volle Bausparsumme erreicht ist. „Eine vorherige Kündigung ist aus unserer Sicht nicht zulässig“, betont die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale, Irmgard Czarnecki. Eine einschlägige Rechtsprechung gebe es dazu allerdings nicht.
Um diese Art von Kündigungen zu beenden, hat die Verbraucherzentrale die LBS West nun abgemahnt. „Sollte sich die Bausparkasse weigern, die Unterlassung zu unterschreiben, werden wir sie verklagen“, kündigt Czarnecki an.
„Wir werden die Unterlassung nicht unterschreiben“, erklärt LBS-Sprecher Schneider. Man habe stattdessen die Verbraucherzentrale erneut angeschrieben, um die Position der Bausparkasse noch einmal zu erklären. „Kein Mensch hat Spaß an gerichtlichen Auseinandersetzungen“ – aber hier gehe es um Grundsätzliches: um das Ziel des Bausparens. Und das sei nun mal: Sparen, um ein Darlehen zu nehmen. So stehe es im Bausparkassengesetz. Und wer zehn Jahre und länger kein Darlehen in Anspruch genommen habe, der habe offenbar kein Interesse an einem Darlehen, so Schneider.
Und was ist mit den Töchtern von Herrn König? „Wer das Geld tatsächlich noch nutzen will, mit dem müssen wir dann eben individuell ins Gespräch kommen und ihm ein anderes attraktives Finanzierungsangebot machen.“ Vermutlich also einen neuen Vertrag zu verschlechterten Bedingungen. Das sei mit den Kündigungsschreiben auch mehrfach kommuniziert worden, sagt Schneider. Er rechtfertigt die Kündigung auch mit dem „Schutz des Kollektivs“. Das Bausparsystem, erklärt er, funktioniere nur dann, wenn es zwischen Sparern und Darlehensnehmern ein Gleichgewicht gebe: „Aus dem Sammeltopf, wo Spareinlagen und Darlehenstilgung reinfließen, werden ja auch die neuen Darlehen herausgegeben. Und da kann man nicht tolerieren, dass jemand das System einseitig für sich optimiert.“
Dass das Risiko eines Imageschadens durch verärgerte Kunden womöglich größer sein könnte als der Schaden durch die auflaufenden Zinsverluste, glaubt der LBS-Sprecher nicht. Gerade nach den vielen Irrungen und Wirrungen der Finanzkrise und den Vorgängen in Griechenland sei ein Bausparvertrag für Kunden, die ihre Zinsen für die nächsten zehn, 15 oder 20 Jahre absichern wollen, immer noch die erste Wahl, ist sich Schneider sicher.
Kunde König sieht das ganz anders. Sein Vertrauen ist erschüttert: „Ich würde heute keinem mehr empfehlen, einen Bausparvertrag abzuschließen. In meinem Vertrag steht wörtlich: ,Die Bausparkasse kann den Vertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.’ Offenbar kann man sich ja nicht darauf verlassen, dass sich die Bausparkasse an das hält, was sie vertraglich vereinbart hat.“ Die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale pflichtet dem bei. „Ihre eigene Geschäftspolitik fällt den Bausparkassen jetzt auf die Füße.“ Wenn ein Geldinstitut Verträge mit einem festen Zins über die gesamte Vertragslaufzeit verkaufe, sei das eine unternehmerische Entscheidung. Damit hätten die Bausparkassen schließlich über Jahre gute Geschäfte gemacht. Nun müsse das Management aber auch dafür aufkommen, wenn die Rechnung plötzlich nicht mehr aufgeht, weil die Marktzinsen wegbrechen. „Dafür kann man jetzt nicht die Bausparer in die Pflicht nehmen.“
Einige Bausparkassen haben ihren Kunden bereits Verrechnungsschecks ins Haus geschickt – über das angesparte Guthaben samt Zinsen. Die Verbraucherschützer warnen davor, diese Schecks einzulösen. „Damit würden die Kunden der Auflösung ihres Vertrages zustimmen“, warnt Czarnecki.
Dieter König hat gegen die Kündigung seines Bausparvertrages sofort Widerspruch eingelegt. Als trotzdem kürzlich der Postbote mit dem Verrechnungsscheck der LBS vor der Tür stand, hat er die Annahme verweigert. „Ich lasse mir doch das Geld nicht einfach so vor die Tür kippen. Ich will, dass die Bausparkasse ihren Vertrag einhält. Ich will mir den über die Jahre erworbenen Anspruch auf ein Baudarlehen erhalten.“
Verbraucherzentrale informiert über Sammelklage
◼ Bausparer, deren gut verzinste Verträge gekündigt wurden, können sich am kommenden Dienstag, 21. Juli, auf einer Veranstaltung der Verbraucherzentrale Bremen über den aktuellen Stand der Entwicklung informieren. Finanzexperten der Verbraucherzentrale sowie ein auf Bankrecht spezialisierter Anwalt werden erläutern, wie sich Verbraucher wehren können – zum Beispiel mit einer Sammelklage vor Gericht. Die Veranstaltung im Großen Clubraum des Konsul-Hackfeld-Hauses, Birkenstraße 34, beginnt um 18 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung unter Telefon 0421 / 160 77 94 oder per E-Mail an bsk@vz-hb.de.