Das Beaujolais, ein Weinanbaugebiet im Osten Frankreichs, ist vor allem für ein Produkt bekannt: den „Beaujolais Nouveau“. Der junge Wein darf mit einer Ausnahmegenehmigung schon ab dem dritten Donnerstag im November rund acht Wochen nach der Ernte verkauft werden und ist ein weltweiter Exportschlager. In Japan, in den USA, aber auch in Frankreich wird er mit Partys begrüßt. Aber der Erfolg hat geschadet. Vor allem in seiner Heimat stand Beaujolais lange für schlechte Qualität. Jetzt ändert sich das wieder.
Magda Daniel schwitzt. Die Sonne brennt auf ihren Rücken. Die Erntehelferin arbeitet sich hockend durch die Weinreben. Ihr Blick sucht konzentriert nach den dunkelroten Früchten in dem grünen Geäst. Ihr Kopf steckt in einer süßlich-schweren Duftwolke. Ihre Handschuhe kleben, überall süßer Saft. Sie und ihre etwa 20 Kollegen ernten mit der Hand. Die Trauben werden mitsamt Kamm gepflückt. Nach der Ernte werden sie nicht direkt gepresst, sondern gären mit Haut und dem Geäst. „Das sorgt für die fruchtige Note des Beaujolais“, sagt Anthony Perol.
Dem 23-Jährigen und seinem Vater gehören die 20 Hektar, die Daniel und ihre Kollegen abernten. Die Familie betreibt den Betrieb im Beaujolais seit fünf Generationen. Das Weinanbaugebiet in der Nähe der ostfranzösischen Stadt Lyon ist bekannt für seine fruchtigen Weine, die hauptsächlich aus der Gamay-Traube gewonnen werden. Die Rebsorte nimmt dort laut Branchenverband „Inter Beaujolais“ 98 Prozent der Anbaufläche ein. Perols pflanzen auf 80 Prozent ihrer Anbaufläche Gamay. Insgesamt stellt die Familie vier verschiedene Weine aus drei Rebsorten her. Doch fast die Hälfte ihrer Trauben verarbeiten sie zu einer Sorte Wein: dem „Beaujolais Nouveau“.
Der junge Wein darf seit einer 1951 erteilten Ausnahmegenehmigung bereits knapp acht Wochen nach der Ernte verkauft werden. Für die Winzer ist das besonders rentabel. „So können wir schneller Umsatz machen“, sagt Perol. Zudem hat eine erfolgreiche Marketingkampagne dafür gesorgt, dass das Erscheinen des „Nouveau“ alljährlich am dritten Donnerstag im November weltweit zum Spektakel geworden ist. Jedes Jahr wird er in Paris, Tokio und New York mit Partys, Feuerwerk und Weinbädern begrüßt. Der junge Wein ist ein Exportschlager. Hauptimporteur ist Japan.
Auch Perols machen den Großteil ihres „Nouveau“-Geschäfts mit dem asiatischen Land. In seinem Heimatland habe das Anbaugebiet jedoch lange einen schweren Stand gehabt, sagt Anthony Perol. Schuld daran seien vor allem die Winzer selbst gewesen, das sagten viele aus der Branche: Auf dem Höhepunkt des „Nouveau“-Booms in den 1970er-Jahren hätten sie es mit der Qualität nicht immer allzu genau genommen. „Viele haben einfach Mist produziert und sich nicht damit aufgehalten, guten Wein zu machen“, sagt auch Remi Simon, Weinhändler in Lyon. Wenn er Kunden zu einem Beaujolais geraten habe, sei die Antwort meist gewesen: „Nein danke, ich will richtigen Wein“, so Simon.
Vor etwa zehn bis fünfzehn Jahre habe ein Umdenken eingesetzt, sagt Perol. Sein Vater stellte den Betrieb der Familie 1997 auf Bioweinbau um. „Das ist etwa 40 Prozent mehr Arbeit“, so Anthony Perol. Aber der Aufwand lohne: „Der Ruf des Beaujolais ist wirklich dabei, sich zu verbessern.“
„Die Debatte um die Qualität des Beaujolais ist langwierig“, sagt Michael Lachaud, und es klingt, als habe der Kellermeister keine Lust mehr, sie zu führen. Der 45-Jährige arbeitet für eine Weinkooperative im Beaujolais. Er ist dafür zuständig, die Ernte in Empfang zu nehmen, ihre Qualität zu kontrollieren und den monatelangen Gärungsprozess zu überwachen. Gerade hat Lachaud die letzte Fuhre der Saison angenommen. Jetzt hockt er in einer der fünf Etagen des fabrikartigen Weinkellers der Kooperative in einer Halle auf dem Betonboden und guckt kritisch in eine kreisrunde Öffnung im Boden. Sie ist der Einstieg für einen raumgroßen Tank, in dem etwa 180 Hektoliter Trauben vor sich hin gären. Lachaud greift nach Früchten und drückt sanft darauf. Es kommt nicht viel Saft, die Traube ist fast noch knackig. „Sie arbeitet im Inneren“, sagt der Kellermeister. „Dadurch können wir mehr Aromen herausziehen.“ Debatten über die schlechte Qualität der Beaujolais-Weine sind für ihn Vergangenheit. Zwar seien die Prädikatsweine des Anbaugebietes immer noch nicht sehr bekannt, aber „die Leute stellen fest, dass Beaujolais-Weine gar nicht so schlecht sind. Der Beaujolais ist Teil unserer Identität.“ Früher habe man gesagt, der Beaujolais sei neben der Rhone und der Saône der dritte Fluss Lyons: „Wäre doch schön, wenn man das wieder hören würde.“