Die simpelsten Speisen sorgen manchmal für die größten Genüsse. Schon mal eine hocharomatische Walderdbeere gepflückt und in den Mund gesteckt? Besser geht es kaum! Oder eine taufrische Auster geöffnet und ohne jede weitere Zutat wie Zitrone oder Pfeffer in den Mund gleiten lassen? Was für ein Hochgenuss! So geht das mit vielen Lebensmitteln: Wenn sie von wirklich bester Qualität sind, kommen sie solo oder in Minimalzubereitung am besten zur Geltung. So verhält es sich auch mit dem Matjes. Fett ist er, etwas salzig, sanft aber fest in der Struktur, eindeutig im Aroma. Matjesgenuss pur bedeutet zum Bespiel: Einen dieser wunderbaren Fische am Schwanz packen, den Kopf in den Nacken legen, Matjes in den Mund gleiten lassen, es folgt Verzückung pur. Man gehe einmal auf einen Wochenmarkt in Holland, dort kann man glückliche Matjes-Genießer gleich in Heerscharen erleben.
Ähnlich glücklich macht eine kleine Vorspeise, die sich bestens als Einstieg in ein Menü für Gäste eignet: kühles Matjestatar auf warmen, gerösteten Schwarzbrottalern. Dafür muss man nicht einmal den Kopf in den Nacken legen. Für das Matjestatar rechnet man pro Person ein Filet, wenn es wirklich nur eine Vorspeise sein soll. Ansonsten darf es ruhig ein Doppelfilet sein. Vor der Weiterverarbeitung sollte man unbedingt darauf achten, dass die kleinen feinen Gräten nach Möglichkeit alle entfernt werden. Das macht etwas Arbeit, erhöht den Genuss jedoch ungemein.
Zudem erleichtert diese Maßnahme die weitere Verarbeitung. Die Matjesfilets werden für das Tatar mit dem großen, schweren Kochmesser zuerst in Streifen, dann in Würfel geschnitten und schließlich fein gehackt. Man komme bloß nicht auf die Idee, das in der Moulinette oder anderen Mixern zu erledigen. Das würde kein Tatar, sondern gräulicher Fischmatsch. Für vier Personen hackt man zwei Doppelfilets. Anschließend würfelt man zwei kleine Schalotten sehr fein und zieht sie unter das Tatar. Mit Pfeffer und etwas Zitrone abschmecken, auf Salz kann man verzichten, davon hat der Fisch schon genug. Kühl stellen und etwas durchziehen lassen. Eine etwas pikante Note bringen je nach Lust und Laune zwei Radieschen, die ebenfalls gewürfelt und dann unter das Tatar gemischt werden.
Als Unterlage empfiehlt ich ein kerniges Vollkornbrot, das getoastet wird. Für die Vorspeisenhappen sticht man daraus runde Taler aus, die noch warm mit dem kühlen Matjestatar großzügig bestrichen werden. Bloß keine Butter drunter geben, Fett hat der Matjes schließlich von Haus aus genug. Die Taler sollten so groß – oder klein – sein, dass man sie aus der Hand mit einem Bissen verzehren kann. Man wird merken: Gerade der Kontrast zwischen warmem, leicht knusprigen Brot und dem weichen, kühlen Matjes macht diese kleinen Appetithappen so interessant. Wer es etwas zivilisierter mit Messer und Gabel mag, kann die Schwarzbrotscheiben auch ganz lassen. Eine Alternative zum Vollkornbrot wäre ein Pumpernickel, das es schon als Taler zu kaufen gibt.
Eine ebenfalls feine Vorspeise ist ein Matjessalat. Dafür rechnet man pro Person ein Doppelfilet und als weitere Zutaten zwei säuerliche Äpfel, zwei Schalotten, drei Tomaten und einen Topf Crème fraiche. Dafür den Fisch in mundgerechte Stücke schneiden, Schalotten und die geschälten und entkernten Äpfel fein würfeln, die Tomaten überbrühen, häuten, entkernen und ebenfalls in Stücke schneiden. Alle Zutaten mit der säuerlichen Sahne vermischen, mit Pfeffer und Zitrone abschmecken, etwas durchziehen lassen. Auch zu diesem Salat kann man getoastetes Schwarzbrot reichen.
Ans Herz gelegt sei auch noch eine Matjesterrine, die Idee dafür geht auf Dieter Gerdes zurück, der in den 80er-Jahren sein Michelin-besterntes Restaurant „Landhaus am Schlosspark“ in Rastede betrieb. Die Terrine ist ein erfrischendes Essen für warme Tage, dazu passen auch ein paar Pellkartoffeln, wenn es sättigender sein soll. Wichtigster Partner bei der Zubereitung der Terrine ist der Fischhändler. Wenn er spitzenmäßige Matjes im Angebot hat, dann wird auch die Terrine so. Mit zweiter Wahl sollte man sich nicht abspeisen lassen. Hier ist die Zutatenliste für ein Hauptgericht für vier Personen, als Vorspeise können daraus acht Portionen entstehen:
8 Matjesfilets
0,5 l Crème fraîche
4 säuerliche Äpfel
8 Schalotten
6 Blatt weiße Gelatine
1 Bund Dill
weißer Pfeffer aus der Mühle
Die Menge der Matjes hängt davon ab, wie groß die Filets sind. Bei kleiner Ware kann man gleich zu Doppelfilets greifen. Wem diese Maßangaben zu ungenau sind, der rechnet mit etwa 150 Gramm Fisch pro Person im Hauptgang. Egal ob einfache oder Doppelfilets: Die jungfräulichen Heringe müssen exzellent filetiert sein.
Die gesäuberten Fische abspülen und mit Küchenkrepp abtrocknen. Die Schalotten in dünne Scheiben schneiden. Die Äpfel schälen, entkernen und ebenfalls in Scheiben schneiden. Diese Schnitze in Zitronenwasser zwischenlagern, damit sie nicht braun werden. Den Dill abspülen, abtrocknen, zupfen. Die Créme fraîche erwärmen, aber nicht aufkochen. Die in kaltem Wasser eingeweichte Gelatine gut ausdrücken, in der Sahne auflösen. Die Sahne mit frisch gemahlenem weißen Pfeffer würzen, eventuell auch etwas salzen. Das sollte man allerdings nicht tun, wenn die Matjes viel Salz haben. Ein zusätzlicher Grund, etwas mehr Fisch einzukaufen und schon mal zu probieren. Für eine Terrine braucht man ein entsprechendes Gefäß aus Guss, Keramik oder Weißblech. So lässt sich beispielsweise eine Kastenform für die Hausbäckerei zweckentfremden. Die Form mit Klarsichtfolie auslegen. Sie schützt den Forminhalt vor Fremdaromen und erleichtert das herausheben.
Die so präparierte Form etwa ein bis zwei Zentimeter mit Crème fraîche ausgießen, in den Kühlschrank stellen und fest werden lassen. Dann werden die anderen Zutaten eingeschichtet. Eine Lage Matjes, Äpfel- und Schalottenscheiben sowie Dillspitzen drüber, mit der lauwarmen Sahne begießen. Die Form sacht bewegen und leicht auf die Tischplatte stoßen, damit die Crème fraîche in alle Hohlräume fließen kann. So geht es weiter: die nächsten Filet, die nächsten Äpfel, Schalotten, Dill und Sahne. Das macht man so oft, bis alle Zutaten aufgebraucht sind. Die letzte Schicht besteht aus Sahne. Dann mit Folie bedecken und für einige Stunden in den Kühlschrank stellen.
Zum Servieren die Terrine vorsichtig aus der Form heben und mit einem sehr scharfen, in heißes Wasser getauchten Messer aufschneiden. Hier hat man auch eine der wenigen Gelegenheiten, einmal das Elektromesser einzusetzen.