Bremen/Darmstadt. Es war ein banges Warten bis in die späten Abendstunden. Bis zuletzt gab es am Mittwoch keine Bestätigung, ob die Raumfahrtbehörden von Europa und Russland ihre erste gemeinsame Marslandung geschafft haben. Denn die Landeeinheit Schiaparelli sendete zunächst nicht - wie erhofft - die Daten, aus denen die Wissenschaftler auf einen Erfolg schließen konnten. „Wir haben noch Hoffnung“, sagte Jan Wörner, Chef der europäischen Raumfahrtagentur Esa. Über das Soziale Netzwerk Twitter kündigte die Esa an, dass die Wissenschaftler fieberhaft über Nacht daran arbeiten würden, den Status des Landemoduls zu klären. Mit Neuigkeiten sei erst Donnerstag zu rechnen.
Schiaparelli ist einer von zwei zentralen Bestandteilen der Mission Exomars 2016. Geplant war, dass die Landeeinheit am späten Mittwochnachmittag mit einem Tempo von sechs Kilometern pro Sekunde in die Atmosphäre eintritt. Mit ersten Signalen wurde am Abend gerechnet, doch eine zunächst genannte Frist verstrich, ohne dass die Forscher eine Bestätigung vom Zustand des Moduls erhielten. Zwar galt es grundsätzlich als möglich, dass Schiaparelli auf dem Mars gelandet ist. Entscheidend ist aber, ob das Modul Signale funkt, die auf der Erde gemessen werden.
Die Landung von Schiaparelli war eine der kritischsten Phasen auf dem Weg zu dem Planeten: Weil diese nur sechs Minuten dauern sollte, das Übertragen von Signalen vom Mars zur Erde aber mindestens neun Minuten braucht, konnte dieser Schritt nicht vom Kontrollzentrum auf der Erde gesteuert werden. Die Landung musste also vollautomatisch funktionieren.
Für die Exomars-Mission haben die Esa und ihr russisches Pendant Roskosmos mehrere Milliarden Euro in die Hand genommen, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Mars zu bekommen. Konkret geht es darum, Methan und andere Spurengase aufzuspüren, die Hinweise auf mögliches Leben auf dem Planeten geben könnten. Schiaparelli hat dabei die Aufgabe, die Umgebung der Landestelle auf dem Roten Planeten zu untersuchen. Außerdem soll die Einheit Fotos aufnehmen sowie die Transparenz der Atmosphäre und die Oberflächentemperatur messen.
An der Mission, die am 14. März mit Hilfe einer russischen Trägerrakete vom Raumfahrtbahnhof Baikonur auf die Reise geschickt wurde, ist das Bremer Unternehmen OHB maßgeblich beteiligt: Der zweite wichtige Bestandteil von Exomars 2016 ist der Satellit Trace Gas Orbiter (TGO), für den OHB die Struktur sowie das Antriebs- und das Thermalsystem entwickelt hat. Für diesen Teil der Mission konnten die Raumfahrtbehörden am Mittwoch einen Erfolg vermelden: Der Satellit schwenkte auf eine geplante Umlaufbahn um den Mars ein. „Das ist ein großer Erfolg“, sagte Wörner.
Bis 2022 soll der Orbiter den Mars umkreisen und die atmosphärischen Gase des Planeten erfassen. Eines der Instrumente des Satelliten ist speziell darauf ausgelegt, Spuren von Methan zu finden. Die Existenz des Gases konnte in der Vergangenheit bereits nachgewiesen werden. Das Instrument soll nun erforschen, ob das Gas aus einer geologischen oder biologischen Quelle stammt.
Allein in Bremen waren gut 40 OHB-Mitarbeiter an der aktuellen Exomars-Mission beteiligt. Sie und viele weitere Kollegen haben Mittwoch in der Konzernzentrale mitgefiebert, bis es die erste positive Meldung gab: Die ersten Daten hatten ihren Weg vom Orbiter auf die Erde gefunden.
Eine erfolgreiche Mission 2016 ist auch für den weiteren Verlauf von Exomars von Bedeutung: 2020 soll es eine zweite Mission geben, die zunächst für 2018 geplant war. Dann wird mit einer weiteren Rakete ein Rover, also ein ferngesteuertes Fahrzeug, zum Mars geschickt. OHB wird dann nicht nur Bremer Know-how beisteuern, auch die Standorte in Oberpfaffenhofen, Belgien und Schweden werden beteiligt sein. Das Unternehmen verantwortet bei der nächsten Mission unter anderem den Carrier, der das Landemodul mit dem Rover zum Mars bringt. Am bayerischen Sitz der Firma wird derzeit zudem an einem Probenaufbereitungs- und Verteilsystem gearbeitet. Dieses soll später die Gesteinsproben, die der Rover mit Hilfe eines Bohrers sammelt, zerkleinern und anschließend den Instrumenten zuführen.
Maßgebliche Entscheidungen werden auch von der Ministerratskonferenz erwartet: Anfang Dezember treffen sich die zuständigen Minister der Esa-Mitgliedsstaaten in Luzern, um die Leitlinien der europäischen Raumfahrt für die nächste Dekade zu bestimmen. Auch über die weitere Finanzierung von Missionen wie Exomars wird dort beraten.