Für den heutigen Neujahrsempfang des City Airport Bremen und der Via Bremen Foundation gibt es genügend positiven Gesprächsstoff: Mit 2,77 Millionen Passagieren gab es 2014 einen neuen Rekord. Darüber und über Perspektiven des Airports sprach Peter Hanuschke mit Flughafenchef Jürgen Bula.
Herr Bula, lässt sich mit dem guten Ergebnis auch Gewinn machen?
Jürgen Bula: Ja, wenn man nicht parallel dazu der Verlockung erliegt, bei dem ersten Lüftchen das Geld im neuen Jahr wieder auszugeben.
Was heißt das konkret? Sind Sie damit auch vorsichtiger, was Investitionen angeht?
Nein, unsere Investitionen meine ich damit nicht, sondern vielmehr, dass wir nicht abheben: Wir haben nicht gleich auf moderne Kaffeemaschinen umgestellt. Wir machen weiter wie bisher, weil dafür die äußeren Einflüsse zu unkalkulierbar sind. Wir haben in den letzten Monaten einen kleinen Einbruch bei den Russlandverkehren erleben müssen, dann hat sich eine Planung im Winterflugplan – Israel aufnehmen zu wollen – aufgrund der politischen Situation nicht realisieren lassen. Und wir merken jetzt einen negativen Einfluss auf den Frankreich-Umsteigerverkehr.
Dann ist das Rekordergebnis ja noch höher einzuordnen?
Ja, wir haben die äußeren Einflüsse gut verkraftet. Etwa auch den Air-Berlin-Ausstieg zum Herbst oder die Streikerei der Lufthansa-Gruppe, die zehn Mal stattfand.
Was kostet den Airport Bremen ein Streik-Tag?
Ein Streik-Tag der Lufthansa-Gruppe kostet in etwa 20 000 Euro – nicht Umsatz, sondern im Gesamtergebnis.
Wie groß ist die Hoffnung, dass sich die Lufthansa-Streiks in diesem Jahr nicht fortsetzen?
Gering. Es wird sicherlich wieder gestreikt, aber nicht in der Häufigkeit wie im vergangenen Jahr.
Der Flughafenverband beklagt, dass sich die Linienverkehre immer mehr aus der Fläche herausziehen – inwieweit ist Bremen davon betroffen?
Nicht so, weil sich dieser Trend mehr auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen bezieht. Damit waren wir nie groß verwöhnt. Wobei der Rückzug aus der Fläche insgesamt in Deutschland überfällig ist. Wir haben in Deutschland 23 Verkehrsflughäfen. Sie können von jeder Milchkanne aus abfliegen. Das geht am Ende des Tages zulasten der öffentlichen Kassen – siehe beispielsweise Zweibrücken. Und es geht zulasten derjenigen Flughäfen, die von ihren Einnahmen heraus leben müssen und subventionsfrei sind – so wie wir in Bremen. Beim Rückzug aus der Fläche wird der Flughafen Bremen auf jeden Fall kein Verlierer sein.
In Deutschland fällt das Passagierwachstum im internationalen Vergleich sehr gering aus. Woran liegt das?
Das Wachstum wäre noch kleiner, würde man in Deutschland mit München, Frankfurt oder auch Düsseldorf keine Umsteigepunkte für transeuropäische und auch interkontinentale Verkehre haben. Betrachtet man nur den Punkt-zu-Punkt-Verkehr mit Verkehrsursprung in Deutschland, fällt das Wachstum noch geringer aus. Ursache dafür ist, dass wir – mitten in Europa gelegen – die Luftverkehrssteuer haben. Es wird einfach vom Verbraucher abgelehnt, pro Strecke acht bis zehn Euro draufzuzahlen. Hinzu kommt, dass die Nichtflugverkehre bis zu einer Verbindung von 400 Kilometern kaum woanders so gut über die Oberfläche gehen. Da sind die vielen neuen Fernbusanbieter oder die Deutsche Bahn wegen der im Flugverkehr doch notwendigen Vorlaufzeiten bei diesen Distanzen von der Zeitökonomie im Vorteil.
Umso erstaunlicher sind dann doch die Expansionspläne von Ryanair, in Deutschland von einem Vier-Prozent- auf einen 20-Prozent-Anteil wachsen zu wollen.
Das ist für mich absolut plausibel. Die Marktstrategie von Ryanair, die weg davon ist, vom Waldflughafen 1 zum Wiesenflughafen 2 zu fliegen, sondern wirklich Zentren zu verbinden, ist absolut richtig. Deutschland ist nach wie vor ein Markt, der im Inland hochtarifiert ist und wenig Wettbewerb hat. Und Ryanair wird den Marktausstieg der letzten drei Jahre etwa von OLT oder Augsburg Airways zu seinen Gunsten nutzen.
Inwiefern könnte Bremen davon profitieren?
Die Anzahl der Destinationen wird deutlich wachsen, insbesondere im Radius anderthalb bis zwei Stunden Flugzeit. Und Ryanair wird diese Strecken im sogenannten Double-Daily fliegen, also morgens hin abends früh zurück. Der große Gewinner wird der Tourismus in Bremen sein. Insofern wird es noch mehr den In-Coming-Verkehr geben, wovon insbesondere Hotels und Gastronomie in Bremen profitieren.
Im vergangenen Jahr gab es ein Hin und Her mit Rostock Airways – am Ende ist die Airline nicht von Bremen aus abgehoben. Wie ordnen Sie das ein?
Wir haben eine gesetzliche Bedienungspflicht. Das heißt, wenn eine Meschugge-Airline nach Bremen fliegen will, müssen wir die bedienen. Da gibt es Geschäftsmodelle, die mit dem Wort schneller sind als mit dem Tun. Und das war bei Rostock Airways der Fall.
Inwieweit kalkulieren sie künftig noch stärker mit luftfahrtfremden Einnahmen?
Das ist ein wichtiger Bereich. Denn Deutschland ist ein teurer Standort. Wir haben einen Beschaffungsmarkt, wo wir zu 96 Prozent im Nordwesten einkaufen. Wir sind bezüglich der Entstehungskosten auf einem hohen Niveau. Und das vor dem Hintergrund, dass ein Unternehmen aufgrund der gültigen Tarifverträge jährlich teurer wird. Es gibt nur wenig Möglichkeiten, das zu kompensieren, und das ist auch endlich. Wir müssen uns damit befassen, in zusätzliche Geschäftsmodelle einzusteigen.
Welche Modelle könnten das sein?
Wir können vorhandene Flächen umnutzen, um zusätzlich Mieteinnahmen zu erzielen. Ob das nun Büros oder Hangars sind, ist noch offen.
Der Bau eines zusätzliches Parkhauses am Bremer Flughafen macht da wohl eher keinen Sinn?
Richtig. Was vom Standort her unsere Stärke ist, mit dem Rad oder mit der Straßenbahn zum Flughafen fahren zu können, bedeutet für die Einnahmenseite eine Schwäche. Konkret denken wir darüber nach, hier einen Einzelhandelsbetrieb aufzumachen und andere Geschäftsfelder auszubauen.
Zur Person: Jürgen Bula (Jahrgang 1961) ist seit 2009 Geschäftsführer der Flughafen Bremen GmbH. Der Schweizer Staatsbürger ist verheiratet und Vater zweier Kinder.