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Bremer Mediziner unterhält Freundschaft zu Johann Wolfgang von Goethe und dessen Lebensgefährtin Christiane Goethe-Meyer und die Lachse von Bremen

Bremen/Weimar. Hätten die Bremer Nikolaus Meyer nicht den halb spöttischen Beinamen „Goethe-Meyer“ verpasst – er wäre längst vergessen. Kaum jemand fragt sich ernsthaft, wie es zu diesem Doppelnamen kam.
30.07.2017, 00:00 Uhr
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Bremen/Weimar. Hätten die Bremer Nikolaus Meyer nicht den halb spöttischen Beinamen „Goethe-Meyer“ verpasst – er wäre längst vergessen. Kaum jemand fragt sich ernsthaft, wie es zu diesem Doppelnamen kam. Tatsächlich bestand zwischen ihm und Goethe ein lebenslanger Briefwechsel. Der kulturbeflissene Mediziner berichtete über die kulturelle Szene und andere Entwicklungen der Hansestadt. Goethe nutzte Meyers Bereitschaft, sich in Abständen Viktualien, also Lebensmittel, für die Weimarer Küche aus Bremen liefern zu lassen.

Nicht der Schöpfer des gewaltigen Faust-Dramas wird in der Korrespondenz sichtbar, sondern der Hausherr und väterliche Förderer. Aber ebenso deutlich Einfluss auf den brieflichen Verkehr nimmt seine Lebensgefährtin Christiane Vulpius. Mit ihr lebt der Dichter in „wilder Ehe“. Vom herzoglichen Hof wird diese nicht standesgemäße Verbindung Goethes missbilligt. Christiane bleibt der Zugang zur höfischen Gesellschaft verwehrt. Man lästert über sie und die Verbindung des Dichters. Einzig die Mutter Goethes lässt in ihren zahlreichen Briefen die „Bettgenossin“ herzlich grüßen. Nachdem Christiane die vornehme Frau Rat in Frankfurt besucht hat, wird ihr Verhältnis noch warmherziger. Mutter Goethe schreibt dem Sohn: „Du kannst Gott danken! So ein liebes unverdorbenes Gottes Geschöpf findet man sehr selten – wie beruhigt bin ich jetzt über alles was dich angeht“.

Die Begegnung mit dem jungen Medizinstudenten Nikolaus Meyer, der den Winter 1799/1800 im Haus Goethes zubringt, schafft ein Vertrauensverhältnis, das bis zu Christianes Tod anhält. Der angehende Mediziner bereitet seine Präparate zum Physikum auf dem Küchenherd in Goethes Wohnung. Goethe billigt diese Freundschaft. Manche seiner Briefe enden so: „Ich überlasse einiges andere zu schreiben meinen Hausgenossen und Wünsche recht wohl zu leben“.

Nikolaus Meyer besucht mit Christiane dörfliche Feste und Tanzvergnügen, zu denen Goethe als Geheimrat keinen Zutritt hätte. Die tolerante Mutter des Dichters ermutigt ihre illegale Schwiegertochter: „Tantzen sie immer liebes Weibgen. Tantzen Sie – frölige Menschen mag ich so gern – und wenn sie zu meiner Familie gehören hab ich sie doppelt und dryfach lieb“.

Wie wichtig für die Lebensgefährtin des Dichters auch die Korrespondenz mit Nikolaus Meyer ist, verraten Briefe von 1803 und 1805. Ihm vertraut Christiane ihre Sorgen an, „denn ich habe gar niemanden, dem ich vertrauen kann und mag. Dass ich außer ihm (Goethe) und Meyer keinen Freund auf der Welt habe, und dass ich in Weimar keinen Freund besitze, dem ich alles, was mir am Herzen liegt, sagen könnte“.

Der Oktober 1806 bringt nicht nur politisch, sondern auch für Goethes Lebenssituation eine Wende. Bei Jena und Auerstädt schlagen die Truppen Napoleons das preußische Heer. Plündernde Franzosen dringen auch in Goethes Haus am Frauenplan ein. Betrunken steigen sie die Treppe hinauf bis in das Schlafzimmer des Dichters, ziehen die Waffen. Christiane stellt sich mutig vor ihn, ruft Nachbarn herbei. Es gelingt, die Marodeure aus dem Zimmer zu schaffen. Unter dem nachhaltigen Eindruck der Todesgefahr wendet sich der Dichter mit einem Brief an den Hofprediger Günther: „Ich will meine kleine Freundin, die so viel an mir gethan völlig und bürgerlich anerkennen als die meine. Sagen Sie mir, wie es anzufangen ist, dass wir sobald wie möglich getraut werden? Was sind deshalb für Schritte zu thun? Können Sie die Handlung selbst verrichten? Ich wünsche, dass sie in der Sakristei der Stadtkirche geschähe.“ Am 19. Oktober findet die Trauung in der Schlosskirche statt.

Aus dem einfachen Blumenmädchen wird durch diese kirchliche Zeremonie die Frau Baronin. Schon zuvor wendet sich Goethe mit einem Eilbrief an seinen Bremer Gewährsmann. Er erläutert seine Eheschließung und bittet dringend um eine Reihe von Delikatessen für eine kleine Hochzeitsfeier. Eile ist geboten, der Postweg muss berücksichtigt werden. Nikolaus Meyer beschafft umgehend das Gewünschte. Für Christiane von Goethe gleicht die Einführung bei Hofe einem Spießrutenlaufen. Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen, die erst kürzlich verwitwet von Danzig nach Weimar gezogen war, macht sie mit den wichtigsten Regeln des Hofes bekannt.

Zehn Jahre währt Goethes Ehe. Christiane kränkelt, schließlich nimmt ihr Leiden ernste Formen an. Sie stirbt am 6. Juni 1816 im Alter von 52 Jahren.

Noch einmal wird die enge Verbindung zu Nikolaus Meyer erkennbar. Christian August Vulpius, Goethes Schwager, schreibt am 11. Juni an Meyer: „Ihre Freundin, meine Schwester ist nicht mehr. Der Tod hat ihrer kraftvollen Gesundheit in einem schrecklichen Kampfe von fünf Tagen das Leben abgekämpft. Alle weinen und ihr Mann ist untröstlich.“

Für die Ausgabe DIE WOCHE - MEIN VEREIN schreibt Ulf Fiedler regelmäßig Texte über Wissenswertes aus der Historie der Region. Lob, Anregungen und Kritik senden Sie bitte an ulffiedler@yahoo.de.

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