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Delaney bekennt sich zu Werder "Ich werde noch einige Jahre bleiben"

Thomas Delaney hat im Exklusiv-Interview mit dem WESER-KURIER erklärt, was ihm noch für das Amt des Kapitäns fehlt und warum Ludwig Augustinsson manchmal fast schon zu professionell ist.
12.07.2017, 17:35 Uhr
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Von Patrick Hoffmann

Herr Delaney, am Bremer Weserstadion hängt seit Kurzem ein riesiges Plakat mit Ihnen im Mittelpunkt. Ist das nur Marketing, oder spiegelt das Motiv Ihren Anspruch wider, bei Werder voranzugehen?

Thomas Delaney: Natürlich möchte ich Verantwortung übernehmen, und ich möchte auch Verantwortung übertragen bekommen. Aber ich will bestimmt nicht Kapitän, Spielmacher, Toptorschütze und alles andere in einer Person sein.

Clemens Fritz hat seine Karriere beendet, Claudio Pizarro keinen neuen Vertrag bekommen. Damit sind zwei Führungsspieler weg. Muss sich nun erst mal eine neue Hierarchie in der Mannschaft bilden?

Ich glaube nicht, dass es eine neue Hierarchie geben wird. Die beiden Top-Führungsspieler sind nicht mehr dabei, jetzt muss einfach jeder Spieler eine Stufe aufsteigen. (lacht) Im Ernst, ich habe nicht das Gefühl, dass in der Kabine eine Leere entstanden ist, die ich jetzt füllen muss. Natürlich brauchen wir Führungsspieler auf dem Platz, aber wir mussten bereits in der Rückrunde auf Clemens aufgrund der Verletzung verzichten, und Claudio hat nicht so viel gespielt. Die beiden waren große Persönlichkeiten, und es ist immer großartig, solche Spieler zu haben, die den Klub kennen und schon lange da sind. Aber wir stehen auch so sehr gut da.

Hat sich denn ohne Fritz und Pizarro irgendetwas verändert?

Die anderen Spieler haben jetzt wieder häufiger Platz auf der Bank der Physios, weil Claudio weg ist. (lacht) Aber ansonsten hat sich nicht wirklich etwas verändert.

Zlatko Junuzovic ist neuer Mannschaftskapitän, äußert aber öffentlich Wechselgedanken. Ist das eine gute Konstellation?

Wir wissen alle, wie das Geschäft läuft. Wir sind alle schon mal in der Situation von „Zladdi“ gewesen, oder wir werden alle in eine solche Situation geraten. Meine Meinung über „Zladdi“ hat sich nicht verändert, weil ich weiß, welche Gedanken ihm gerade durch den Kopf gehen, wie seine Zukunft aussehen soll. Manche Spieler sind in diesen Dingen halt kommunikativer, andere etwas zurückhaltender. Aber ich sehe da kein Problem für uns als Mannschaft.

Die öffentlichen Diskussionen ändern also nichts am Standing von Junuzovic innerhalb des Teams?

Nein, überhaupt nicht.

Was ist mit Ihnen? Sie hatten im Sommer Angebote aus England. Müssen sich die Fans Sorgen machen, dass Sie Werder bald verlassen?

Nein, das denke ich nicht. Das liegt ja auch nicht in meiner Hand, sondern in der von Frank Baumann (Sportchef von Werder Bremen; Anm. d. Red.). Ich werde bestimmt noch einige Jahre in Bremen bleiben. Und damit habe ich auch überhaupt kein Problem. Die vergangenen sechs Monate haben gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war, nach Bremen gewechselt zu sein.

Es war also kein Thema für Sie, Werder in diesem Sommer zu verlassen?

Das ist irrelevant. Der Klub will mich behalten. Fakt ist aber auch, dass ich eines Tages in die Premier League wechseln möchte. Aber eines Tages muss ja nicht morgen sein.

Haben Sie denn eine Ausstiegsklausel im Vertrag stehen?

Ich denke, das ist eine Sache zwischen mir und dem Verein. Aber Sie dürfen vermuten, was sie wollen (lacht).

Ludwig Augustinsson hat vor ein paar Tagen ebenfalls erzählt, dass er eines Tages in der Premier League spielen möchte …

… ja, aber jetzt sind wir ja erst mal in der Bundesliga. Wenn Ludwig gewollt hätte, würde er jetzt schon in England spielen, und ich auch. Aber für meine Entwicklung ist die Bundesliga der richtige Schritt. Ich kann schwer erklären, warum das so ist. Ich denke aber, dass in Spanien und Deutschland der beste Fußball gespielt wird. England ist halt wegen des ganzen Drumherums und der wirtschaftlichen Möglichkeiten etwas ganz Besonderes. Aber ich will der bestmögliche Fußballer werden, und dafür ist die Bundesliga nicht die schlechteste Adresse.

Wollen Sie denn auch irgendwann Kapitän bei Werder werden?

Gerne. Aber ich muss bis dahin noch einiges lernen.

Was zum Beispiel?

Deutsch. In Dänemark war es einfacher für mich, mit den Schiedsrichtern auf dem Platz zu sprechen. Da habe ich auch nicht sofort die Gelbe Karte gesehen. In Deutschland sind die Schiedsrichter aber ein bisschen anders. Sie sprechen immer auf Deutsch zu mir, obwohl ich ihnen auf Englisch sage, dass ich sie nicht verstehe. Aber die meisten sprechen einfach weiter auf Deutsch. Das ist zwar nur eine Kleinigkeit, aber im Fußball ist es halt normalerweise so, dass der Schiedsrichter in hektischen Phasen den Kapitän zu sich holt. Und es ist besser, wenn der Kapitän dann auch versteht, was der Schiedsrichter sagt.

Wir haben bereits über Fritz und Pizarro gesprochen. Auch Serge Gnabry, Florian Grillitsch und Felix Wiedwald haben den Verein verlassen. Haben Sie die vielen personellen Veränderungen zur neuen Saison überrascht?

Bei Grillitsch wussten wir früh, dass er nach Hoffenheim geht. Und ich wusste auch immer, dass die Möglichkeit bestand, dass uns Serge verlassen würde. Auch der Abgang von Felix war keine große Überraschung. Der eine Spieler hat eine Ausstiegsklausel, beim anderen läuft der Vertrag aus – das passiert halt. Werder ist ein kleinerer Fisch als der FC Bayern. Ich kann total verstehen, warum Serge zu den Bayern gegangen ist. Ich hoffe aber, dass wir neue Spieler bekommen.

Also braucht Werder Ihrer Meinung nach noch Verstärkungen?

Ja, man braucht immer neue Spieler.

Stichwort neue Spieler: Ludwig Augustinsson ist neu in Bremen. Sie beide haben zusammen beim FC Kopenhagen gespielt. Was können Sie uns über ihn verraten.

Er ist nicht so extrovertiert wie ich es bin. Aber er passt super in die Bundesliga. Er läuft sehr viel, das ist gut für uns, wenn wir mit Dreierabwehrkette und zwei Spielern auf den Außenbahnen spielen. Ich glaube und erwarte auch, dass wir von ihm einige Torvorlagen bekommen. Er ist ein bisschen langbeinig, aber glauben Sie mir: Ludwig ist schneller als er aussieht. Und er spielt lieber einen Doppelpass als in Eins-gegen-eins-Situationen zu gehen.

Und wie ist er außerhalb des Platzes?

Er ist sehr professionell. Manchmal ist er schon fast zu professionell. Er denkt über alle möglichen Sachen nach, über die er sich eigentlich gar keine Gedanken machen sollte. Er kann ewig darüber nachdenken, welches Proteinpulver nun das bessere ist. Ich sage dann immer: „Ludwig, halt die Klappe! Es ist egal, für welches Pulver du dich entscheidest.“ (lacht) Er will halt unbedingt so gut wie möglich werden. So gesehen, ist er eine tolle Inspiration für seine Kollegen.

Er hat kürzlich auch gesagt, dass er in den kommenden Jahren mit Werder im Europapokal spielen will. Ist das realistisch?

Ja. Ich finde, dass wir uns immer verbessern sollten. Das ist natürlich einfacher, wenn man vorher Tabellen-15. geworden ist, als wenn man Achter geworden ist. Da wird es etwas schwerer, sich weiterzuentwickeln.

Was können die Werder-Fans also in der anstehenden Saison erwarten?

Hoffentlich einen niedrigeren Puls. (lacht) In der vergangenen Saison ging es auf und ab, jetzt wollen wir konstanter spielen. Es wird natürlich schwer, noch mal so zu spielen wie in der Rückrunde, als wir diese Serie mit neun Siegen und zwei Unentschieden aus elf Spielen hatten.

Hat Werder da über seinen Möglichkeiten gespielt?

Vielleicht in diesen elf Spielen, ja. Selbst bei den Bayern würde man von einer guten Serie sprechen, wenn sie neun Siege aus elf Spielen holen. Unsere Fans sollten eine Serie also nicht auch in der neuen Saison erwarten, dann werden sie vielleicht enttäuscht. Aber wir sollten uns schon vornehmen, über einen längeren Zeitpunkt erfolgreich zu spielen.

Was macht Sie so optimistisch, mit Werder den Europapokal erreichen zu können?

Die vergangene Saison. Da haben wir gezeigt, was wir erreichen können. Wir haben in der Rückrunde Mannschaften wie Schalke und Leipzig deutlich geschlagen. Wir müssen diese Leistung bloß konstant abrufen. Wir dürfen nicht wieder so einen schlechten Saisonstart hinlegen, und wir dürfen auch nicht mehr so hohe Niederlage kassieren wie gegen Bayern. Es ist immer ein Schlag ins Gesicht, wenn du 0:4 oder 0:5 verlierst. Das zu vermeiden, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Denn wir haben grundsätzlich eine Mannschaft, mit der wir stabil durch die Saison kommen sollten.

Abgesehen von den letzten drei Saisonspielen mit den vielen, vielen Gegentoren gegen Köln, Hoffenheim und Dortmund machte die Defensive in der Rückrunde bereits einen recht stabilen Eindruck.

Ja, allerdings gab es auch ein paar Ausnahmen, gegen Ingolstadt zum Beispiel. Aber wenn wir gewinnen, ist es egal, wie viele Gegentore wir kassieren.

Wie groß war die Enttäuschung, dass Sie die Europa League mit Werder so knapp verpasst haben?

Am Anfang war es schon sehr enttäuschend. Aber wir haben am letzten Spieltag in Dortmund gespielt, die mussten gewinnen, um sich für die Champions League zu qualifizieren. Wir haben trotzdem gut mitgehalten, hatten aber bei den Schiedsrichterentscheidungen einfach nicht das nötige Glück. Wir müssen aber auch ehrlich mit uns sein: Wir waren im Januar mittendrin im Abstiegskampf. Wenn da irgendwer vom Europapokal gesprochen hätte, wäre er rausgeflogen.

Werder-Trainer Alexander Nouri hat in diesem Sommer jede Menge Tests bei den Profis durchführen lassen, unter anderem Seh- und Nerventests. War das auch für Sie neu?

Ja, in diesem Ausmaß war das neu für mich. Es ging darum, zu gucken, ob wir körperlich alle da stehen, wo wir stehen sollten. Außerdem ging es in den Tests um Verletzungsprävention. Neu war für mich aber auch, so viel in der Vorbereitung zu trainieren. In Kopenhagen haben wir einmal am Tag trainiert, hier trainieren wir bis zu dreimal am Tag. Meine Beine sind echt schwer. Aber so muss das in der Vorbereitung auch sein.

Letzte Frage: Ende Mai haben viele, viele Werder-Fans dieses Video gesehen, wie sie bei der Saisonabschlussparty des FC Kopenhagen mit dem Helikopter mitten im Stadion gelandet und mit der Trophäe in der Hand ausgestiegen sind. Wie ist es zu diesem kuriosen Auftritt gekommen?

Ich wurde zu der Party eingeladen, weil ich ja bis zum Winter Teil der Mannschaft gewesen war. Und dann haben sie mir erzählt, dass sie einen Helikopter für den Tag gemietet haben. Sie wollten, dass einer mit dem Pokal im Stadion landet, und sie meinten, es wäre cool, wenn ich das mache. Es war toll, dass ich mich noch mal gebührend von den Fans verabschieden konnte, ich habe sieben Jahre dort gespielt. Ich werde aber sicher nicht noch mal mit dem Helikopter ins Stadion einfliegen. Das nächste Mal nehme ich ganz normal den Eingang.

Das Gespräch führte Patrick Hoffmann

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