Bunte Fähnchen hängen über der Motorjacht "Nedeva", die an der Weserpromenade am Schlachte-Anleger 3b vertäut ist. Ein Zeichen dafür, dass ein besonderes Ereignis bevorsteht. Der Anleger ist mit weißen Bändern geschmückt und vor der Jacht stehen festlich geschmückte Tische.
Der Inhaber Georg Papp sitzt in der Kapitänskajüte. "Heute Nachmittag findet hier eine Hochzeit mit 40 Gästen statt", erzählt der 62-Jährige. "Die Vorbereitungen dafür laufen schon." Die Jacht präsentiere wie keine andere Jacht den Lebensstil der High Society der 20er- und 30er-Jahre, findet Georg Papp.
An dieser Zeit fasziniert ihn fast alles: Mode, Autos, Musik und Architektur. Mit dem Kauf und der Restaurierung von "Nedeva" erfüllte er sich einen großen Traum. Auf der Motorjacht finden Trauungen, Hochzeitsfeiern, Geburtstage und Firmenpräsentationen statt. Zwölf Gäste können an Bord übernachten.
Papp hat die verschiedenen Räume und Kajüten der Jacht nach berühmten Persönlichkeiten benannt, die einst auf "Nedeva" zu Gast waren. Auf dem Oberdeck befinden sich der Salon Stotesbury, die Doris Duke Bar und die J.P. Morgan Havanna Lounge. Im Unterdeck sind die Kajüten Delphine Dodge, Henry Ford, James H.R. Cromwell, Barbara Hutton und Eva Stotesbury.
"Die Jacht ist groß für eine Commuter-Jacht", sagt Papp. "1928 war der Baubeginn und 1930 ist sie ins Wasser gelassen worden." Eine New Yorker Werft baute die Jacht für den Investmentbanker Edward Townsend Stotesbury, der damals zu den wohlhabendsten Bürgern der USA gehörte. Er nutzte sie für Fahrten zwischen seinen verschiedenen Anwesen in Philadelphia und Florida.
"Er hatte einen eigenen Hafen für sein Schiff", erzählt Papp. "Damals war das Reisen mit einer Jacht sehr schnell und komfortabel. Man war sogar schneller als mit dem Auto." Commuter-Jachten waren luxuriöse Fortbewegungsmittel, mit denen Geschäftsmänner zu ihrer Arbeit fuhren. Hatte der Nachbar eine schnellere Jacht als man selbst, orderte man sich einfach eine neue. So machte es auch Stotesbury.
"Ich habe jahrelang nach einer Jacht in diesem Stil gesucht"
1938 verstarb er, und seine Frau Eva musste wegen der Wirtschaftskrise und wegen des Zweiten Weltkrieges den Besitz veräußern, sodass sein Erbe heute über die ganze Welt verstreut ist. "Nedeva" hatte danach mehrere Besitzer und lag unter dem Namen "Shorleave" bis 1947 in Seattle, wo sie als Ausflugsboot gemietet werden konnte.
Sie diente während der Exxon-Valdez-Ölkatastrophe 1989 als Unterkunft und Transportmittel für Archäologen. 2009 kaufte Georg Papp die Motorjacht im amerikanischen Westport bei Seattle für umgerechnet 50.000 Euro und ließ sie nach Bremen überführen. "Ich habe jahrelang nach einer Jacht in diesem Stil gesucht", sagt er. "Es gibt nur noch vier davon und 'Nedeva' ist die einzige in Europa."
Papp ist gelernter Schiffsbauer und restaurierte das Schiff originalgetreu im Stil der 20er-Jahre, um die Stimmung und das Flair der vergangenen Zeit einzufangen. Durch Fotos von damals hatte er eine genaue Beschreibung davon, wie sie zu Zeiten von Stotesbury aussah. In einer Schlafkajüte steht immer noch der Originalschreibtisch von Stotesbury. Fotos der früheren Besitzer und Gäste sind über das Schiff verteilt.
"Die Jacht ist so verrottet gewesen, dass die amerikanischen Werften sie nicht mehr restaurieren wollten", erzählt er. "Keiner hat sich für sie interessiert. Sie war total verbaut und sah unmöglich aus." Über sechs Jahre lang hatte das Schiff Wasser im Rumpf, und Schimmel hatte sich gebildet.
Theoretisch auch seetüchtig
Trotzdem entschloss Papp sich dazu, sie zu restaurieren. Er gründete eine Firma und stellte Mitarbeiter ein. 40.000 Arbeitsstunden stecken in "Nedeva". Ein Jahr lang zeichnete er nur und suchte Accessoires und Möbel aus. Darunter auch nachgebaute französische Militärstühle aus dem Jahr 1850.
Seit 2014 ist "Nedeva" in Betrieb. "Für unsere Gäste ist es hier wie eine Zeitreise", sagt Papp. "Viele kleiden sich im Stil der 20er-Jahre, wenn sie an Bord sind. Dann fühlen sie sich wie Stotesbury." 2015 gab es auf dem Schiff 100 Trauungen, für dieses Jahr gibt es bereits 79 Anmeldungen.
Theoretisch könne die Jacht auch gefahren werden, sagt Papp. Nur müsse er dafür das Außengeländer um 20 Zentimeter erhöhen. "Im Moment habe ich dazu keine Zeit, weil wir so viele Events haben. Aber es wäre natürlich ein besonders Erlebnis, das ich mir für die Zukunft vorstellen kann."