Herr Rau, wie bewerten Sie den Streit um die Verteilung der Tourismusmittel zwischen Bremen und Bremerhaven?
Oliver Rau: Wir arbeiten weiterhin gerne und vertrauensvoll mit der Erlebnis Bremerhaven in allen touristischen Projekten zusammen. Wichtig ist eine grundsätzliche Unterscheidung: Die Maßnahmen und Finanzierung der Landestourismusstrategie sind von der aktuellen Entscheidung im Senat nicht betroffen. Dazu gehören beispielsweise die gemeinsame Marktforschung, das Landestourismusforum, ein geplanter Innovationswettbewerb, die Arbeitsgemeinschaften zu den Wissenswelten und der Kongressbranche oder der in Produktion befindliche gemeinsame neue Imagefilm. Außerdem bearbeiten wir natürlich weiterhin gemeinsam die Projekte aus dem Etat „2 Städte – ein Land“, dazu gehört zum Beispiel der gemeinsame Auftritt auf Messen und die Ansprache der Busbranche. Alle diese Maßnahmen sind finanziert und werden bereits erfolgreich und auch weiterhin durchgeführt. Aus dem stadtbremischen Bremen-Fonds ist eine Finanzierung von Tourismus-Maßnahmen zum Restart in Bremerhaven leider nicht erlaubt.
Als Sie vor mehr als 100 Tagen Ihre Aufgabe als Marketing- und Tourismus-Chef der Stadt übernommen haben, mochten Sie noch keine Etappenziele benennen. Wie sieht das jetzt aus?
Wir haben im Tourismus ein großes Etappenziel zu erreichen. Das ist der Restart aus der aktuellen Corona-Situation. Es geht darum, dabei mitzuhelfen, Normalität im touristischen Betrieb zu erzeugen. Das ist das größte Etappenziel für die Jahre 2022 und 2023. Hinzu kommen weitere große Maßnahmen wie beispielsweise die Arbeit an der bremischen Stadtmarketingstrategie und auch größere digitale Projekte bis Ende des Jahres.
Wie kann Ihr Beitrag zum touristischen Neustart aussehen?
Wir haben ein großes Maßnahmenpaket geschnürt, der Senat und die Wirtschaftsdeputation haben darüber positiv entschieden. Wenn am Freitag der Haushalts-und Finanzausschuss ebenfalls zustimmt, erhalten wir 2,6 Millionen Euro, um überregionale Kampagnen und weitere Werbemaßnahmen anzugehen, digitale Projekte zu starten und in Dinge einzuzahlen, die sich hier direkt vor Ort auf die touristische Attraktivität auswirken. Damit hätten wir schon eine große Etappe genommen.
Was heißt das konkret?
Wir könnten unser Erlebnis-Magazin, das dreimal im Jahr in jeder fünften Tageszeitung beiliegt, im Umfang und in der Auflage ausbauen und könnten es noch breiter ausstreuen. Wir könnten eine Kampagne in zehn bis 15 großen deutschen Großstädten ausbauen, die wir als attraktiv ansehen. Dort könnten wir das Thema Städtetourismus bewerben und den Menschen sagen: Komm mal für ein langes Wochenende hierher! Wir glauben, dass der Deutschland-Tourismus in diesem und im kommenden Jahr ein großes Potenzial hat, weil die Menschen nach wie vor Sicherheit suchen und kürzere Trips machen. Wir haben in den Sommermonaten bis in den Herbst 2021 bei den Gästezahlen deutlich zugelegt, obwohl wir im vergangenen Jahr ab Mai überhaupt erst wieder touristische Dienstleistungen anbieten konnten.
Mit welchen Vorstellungen kommen die Gäste nach Bremen?
Einerseits wollen die Menschen die Stadt kennenlernen, wenn sie noch nicht hier waren. Andererseits finden sie Themen spannend, die wir anbieten. Wir haben Themenjahre ersonnen. Letztes Jahr sollte dies „Klangfrisch“ sein, das wird nun in diesem Jahr umgesetzt. Anlassbezogener Städtetourismus wird auch künftig für Bremen eine große Rolle spielen. Darauf konzentrieren wir uns und darauf richten wir auch unser Marketing aus.
Womit wollen Sie unter der Überschrift "Klangfrisch" Menschen locken? Konzerte gibt es ohnehin schon reichlich in Bremen.
Es gibt insbesondere neue Dinge. Wir bieten 220 Veranstaltungen im Bereich Musik, von klassisch bis Jazz. Da schaffen wir eine hohe Anzahl von Anlässen und hoffen, dass wir in der Breite alle Musikinteressierten erreichen. Wir haben überregional wirksame Veranstaltungen in 2022. Wenn Lang Lang mit der Deutschen Kammerphilharmonie zum Beispiel in die Glocke kommt, könnten wir uns vorstellen, daraus auch eine Open-air-Übertragung auf dem Domshof zu machen. Das wäre ein Selbstgänger.
Wie lautet das Thema für 2023?
Der Arbeitstitel ist "Genuss am Fluss". Da wollen wir den Menschen Genuss mit allen Sinnen bieten. Es wird viel mit Kulinarik zu tun haben, viel aber auch damit, den Fluss und die bremischen Wasserlandschaften zu erleben. Vielleicht kann man darüber nachdenken, die Badeinselregatta neu zu beleben. Die ist leider eingeschlafen, war aber ein riesiges Event, von dem alle begeistert waren. Da müssten wir Menschen finden, um eine solche Sache umzusetzen. Wir können nur die Anregung geben. Ob es realisiert wird, hängt am Ende vom Geld ab. So ein Spektakel ist eine authentische Bremen-Werbung.
Wie hilft Ihnen das?
Was bei solchen Anlässen über Instagram, über Tiktok an Bildern ausgespielt wird – das hat solch eine Breitenwirkung, den Werbeeffekt könnten wir gar nicht einkaufen. Da wäre unser Budget schnell aufgebraucht.
Wollen Sie am touristischen Dreiklang Stadtmusikanten, Weser und Werder etwas ändern?
Die Stadtmusikanten spielen für den Städtetourismus in Bremen eine wesentliche Rolle. Die Initiative für ein Stadtmusikantenhaus, die vom Rathaus ausgegangen ist, ist für mich als Tourismus-Verantwortlichem super. Das ist ein weiterer Anlass, nach Bremen zu kommen. Für uns ist außerdem wichtig, dass eine große neue Tourist-Info dort integriert wird. Das ist auch eine Etappe. Unser jetziger Standort in der Böttcherstraße ist gut gelegen, aber vom Inhalt her überarbeitungswürdig. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wenn das Stadtmusikantenhaus kommt, wie es kommen soll, dann wird es auch deshalb eine erste Adresse, weil es eine große und offene Empfangssituation erhält. Die Gäste können hier auch ihre Tickets für ihre Aktivitäten bekommen, zum Beispiel den Besuch in der Kunsthalle. Das wird – so wie es jetzt auf dem Papier vorliegt – ein Bremen angemessener Welcome-Point. Und auch wenn es sich banal anhört: inklusive einer öffentlichen Toiletten-Situation, die der Destination entspricht.
Ist das tatsächlich wichtig?
Wir hören immer wieder, dass es an öffentlichen Toiletten fehlt. Noch gibt es die Toilette im ehemaligen Kontorhaus, aber wenn das Gebäude aufwendig umgebaut wird, fällt auch diese Möglichkeit temporär weg.
Neben Weser und Stadtmusikanten spielt Werder die dritte Hauptrolle. Vor einem halben Jahr haben Sie noch vom Abstiegsdebakel gesprochen. Und jetzt?
Ich fühle mich total bestätigt. Ich habe damals jedem gesagt, dass ich finde, Werder macht den Fehler, sich zu bescheiden aufzustellen. Deshalb freue ich mir gerade ein Loch in den Bauch, dass die sportliche Ausgangslage im März so aussieht, als könnte man den Betriebsunfall wieder ausbügeln. Ich bin seit 1. März begleitend als Geschäftsführer der Bremer Weserstadion GmbH bestellt. Es geht dabei auch um die Frage, wie wir diese Immobilie jenseits der Spieltage beleben können. Da verfüge ich, weil ich 21 Jahre für Werder aktiv war, über ein gutes Netzwerk und habe viele Ideen im Kopf.
Worum geht es da?
Da geht es zum Beispiel um kleinere Messen und Veranstaltungen, um die Frage, wie wir das Stadion um Weihnachten bespielen können. Und auch um das Thema Hochzeiten.
Was bedeutet ein möglicher Wiederaufstieg für Bremen?
Werder kommt jetzt nicht mehr drumherum, auch das Wort Aufstieg in den Mund zu nehmen. Uns würde das befruchten, auch touristisch. Natürlich ziehen wir aus 17 mal 42.000 Besuchern Effekte. Der Wert, den Studien schon vor 2010 ergeben haben, liegt für Bremen, wenn Werder in der Bundesliga spielt, bei circa 60 Millionen Euro pro Jahr. Der Verein steht als Aushängeschild und Symbol weiter für diese stolze Stadt.
Wenn wir auf den 31. Dezember vorspringen. Wann war 2022 für Oliver Rau beruflich ein gutes Jahr?
Wenn die Akzeptanz meiner Person in dieser Funktion und der von uns angestoßenen Maßnahmen so ist, dass mein Team und viele Bremerinnen und Bremer sagen: Es war eine gute Entscheidung, Oliver Rau auf diese Position zu setzen.