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Fotos der Bremer Unterwelten Die vergessene Kapelle: Ist das der älteste Raum der Stadt?

Bremen hat unter der Erde viele spannende Dinge zu bieten. Dazu gehört der vielleicht älteste Raum Bremens.
09.07.2023, 08:30 Uhr
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Von Sophia Allenstein

Mit einem Ruck zieht Andreas Calic eine Holzbohle vom Boden und enthüllt eine Ebene darunter Sand, durchsetzt von kleinen Knochensplittern. „Die ältesten Knochen, die hier gefunden wurden, stammen aus dem neunten Jahrhundert“, sagt der Tourenleiter. „Sie sind noch einmal hundert Jahre älter als das Gebäude.“ Mit „diesem Gebäude“ meint der Mitarbeiter von Stattreisen die St.-Veit-Kapelle. Sie befindet sich an einem der zentralsten Orte Bremens: direkt unter der Liebfrauenkirche, am Rande des Marktplatzes.

Im Hauptschiff der Kirche weist ein unauffälliges kleines Schild auf die Überreste der Kapelle hin. An Buntglasfenstern vorbei, einige Stufen bergab: Willkommen in einem Stück Bremer Vergangenheit. Über die Jahrhunderte hinweg nutzten Bremer die Räume als Beinkeller und Gruftraum. Besonders wohlhabende Bürger konnten Sarkophage im Inneren platzieren. Die St.-Veit-Kapelle ist ein Stopp der Unterwelten-Führung, einer Stadtführung, die die verborgenen Seiten Bremens erforscht „Die Kapelle gilt als einer der ältesten begehbaren Räume Bremens“, sagt Andreas Calic. „Nur die Krypta des Doms könnte noch älter sein.“

Geschichte der Kapelle war in Vergessenheit geraten

Als das Gotteshaus gebaut wird, ist Bremen demnach noch ein Runddorf mit einfachem Wall. Weil Bremen aber strategisch günstig an Handelswegen liegt, wachsen Markt und Dorf schnell. Die St.-Veit-Kapelle wird zur Marktkirche, früher wie heute im Mittelpunkt des Ortsgeschehens. Während die unterirdischen Räume erhalten blieben, werden die oberen Räume viel später von der jetzigen Liebfrauenkirche ersetzt.

Ein Gewölbe mit Rundbögen, weiß getünchte Wände, unter denen sich an einigen Stellen graues Mauerwerk erkennen lässt, einige Reihen Holzstühle: Heute macht die St.-Veit-Kapelle einen schlichten Eindruck. Es braucht schon einen Experten, um die Bedeutung des Raumes zu erklären. Noch in den Fünfzigerjahren habe man die Kapelle nur als Lagerraum für die Bürgerpark-Tombola und davor als Kohlenkeller genutzt. Ihre Geschichte sei in den Jahrhunderten in Vergessenheit geraten.

Archäologen entdeckten mehr als 500 Jahre alte Fresken

Bei Restaurierungsarbeiten entdecken Archäologen dann wertvolle Fresken, die mehr als 500 Jahre alt sein sollen. Sie sind unter gut zehn Kalk- und Schmutzschichten verborgen und müssen aufwendig mit einem Skalpell freigekratzt werden. Eine Szenerie zeigt den gefesselten Jesus, wie er vor der Kreuzigung von Pontius Pilatus verhört wird. Und über den Köpfen der Besucher: Floral anmutende Deckenmalereien. Historiker vermuten, dass die Malereien aus einer Zeit stammen könnten, in der die Kapelle noch von einer Bruderschaft genutzt wurde: den Brüdern von „To allen Christen Seelen“.

Und die Knochenteile unter den Bohlen? „Um die Kirche herum war früher einer der größten Friedhöfe Bremens“, erklärt Calic. Wurden Grabstellen aufgelöst und neu belegt, könnten die Überreste erneut in der St.-Veit-Kapelle bestattet worden sein. Bis der Friedhof nicht länger geduldet wurde. „Im 19. Jahrhundert wurde Bremen von den Franzosen besetzt. Sie verboten Friedhöfe innerhalb der Stadtmauern. Aus Angst, dass das Grundwasser von den Körpern verseucht wird.“ Die ausländischen Besatzer schlossen den Friedhof, doch viele Knochen blieben.

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