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Fotoreportage Lesestoff to go: Bremens bunte Vielfalt der Bücherschränke

Neue Bestimmung für alte Schränke oder auch Telefonzellen: In Bremen stehen in jedem Stadtteil Bücherschränke, in denen Lesestoff auf Austausch wartet. "Bringen, nicht bloß holen" ist die Devise.
19.09.2021, 06:00 Uhr
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Lesestoff to go: Bremens bunte Vielfalt der Bücherschränke
Von Gesa Below

Früher standen in den Regalen Coladosen oder Medikamente. Oder in einem dieser Häuschen war ein Fernsprecher installiert, heute haben manche dieser Schränke und Zellen eine neue Bestimmung bekommen. Diese unterscheidet sich deutlich vom früheren Angebot. Das Sortiment ist unterhaltsamer, für jedermann frei zugänglich und – ganz wichtig – kostenlos. Bücherschränke gibt es in Bremen in allen Stadtteilen, es gibt sie in hübsch und gepflegt und in der eher vernachlässigten Variante, es gibt sie auf öffentlichem Grund und Boden, in Bürgerhäusern und Supermarkteingängen ebenso wie auf Privatgrundstücken.

Ein besonders hübsches Exemplar steht im Vorgarten von Ulli Hahndorf in der Zwickauer Straße in Findorff. Eigentlich, so sagt der Softwareentwickler, sei seine Idee vor sieben Jahren gewesen, wegen akuten Platzmangels in seinen Regalen die eigenen Bücher dort hinzustellen: „Aber das Konzept hat sich leider nicht bewährt“, sagt er rückblickend und lacht. Das Prinzip der Bücherschränke sei schließlich „bringen, nicht nur holen“, und entsprechend verringerte sich der Bestand nicht. Hahndorfs „Bücherdorf“, wie der Schrank offiziell heißt, ist ein ehemaliger Medizinschrank aus Bundeswehrbeständen und hat Innenleben und Farbe gewechselt: Aus langweiligem Behörden-Beige wurde ein knalliges Rot, und seit März 2015 teilen sich Romane, Sach- und Kinderbücher, Bildbände und manchmal auch Zeitschriften den Platz.

„Wenn es zu voll ist, nehme ich was raus, man soll ja stöbern können“, sagt Hahndorf, und ja, er wirft auch weg: Ladenhüter wie „Campingführer aus den 1980er-Jahren“ zum Beispiel, aber auch verschmutzte oder fehlerhafte Bücher wandern ins Altpapier. Alle zwei, drei Tage schaut er durch, entsorgt und säubert. Verwüstungen oder Zerstörung haben sein „Bücherdorf“ noch nicht getroffen. „Die Hemmschwelle, seinen Müll auf einem Privatgrundstück zu entsorgen, ist wohl doch zu hoch“, glaubt er.

Wenn es zu voll ist, nehme ich was raus, man soll ja stöbern können
Ulli Hahndorf über den Bücherschrank in seinem Vorgarten in Findorff

Bücherschränke brauchen Laufkundschaft und sollen im besten Fall auch ein Ort des Austausches sein. Das funktioniert in Wohnstraßen, an Plätzen und auch am Eingang von Ladengeschäften besonders gut. Seit fünf Jahren steht beispielsweise ein großes Bücherbord im Eingang des Edeka-Marktes im Alten Postamt. Marc Kreymborg, Inhaber und Marktleiter, freut sich, dass „unser Schrank bestens angenommen“ wird.

Nicht nur auf privatem Grund stehen die kostenlosen Mini-Büchereien. „Den Antrag für einen Bücherschrank kann jeder Bremer Bürger stellen“, heißt es beim dafür zuständigen Amt für Straßen und Verkehr (ASV). Weil es sich bei der Einrichtung um eine „stadtbildprägende Maßnahme“ handelt, muss nach dem ASV auch das zuständige Ortsamt befragt werden. Ist diese bürokratische Hürde ebenfalls genommen, „schließt das ASV mit dem Antragsteller einen Gestattungsvertrag ab“. So weit, so amtlich.

Einer dieser Schränke steht in der Delmestraße. Gerade bringt Robert Franz zwei Bücher und nimmt sich als nächsten Lesestoff Hans Falladas „Kleiner Mann – was nun?“ mit. Das Buch wird er zu Hause lesen – er könnte sich aber auch direkt neben dem Schrank niederlassen, denn das Ensemble verfügt sogar über Tisch und Sitzbank.

Die Pflege, die bei den privaten Bücherschränken meist gut funktioniert, ist bei den von den Stadtteilen betriebenen nicht ganz so einfach. So wird beispielsweise das Ensemble in der Delmestraße, bestehend aus Schrank, Tisch und Bänken, gern zweckentfremdet und als Freiluftkneipe benutzt. Auch wenn ehrenamtliche Initiativen sich um die Schränke kümmern – dass sie als Müllentsorgungsort missbraucht werden, kommt vor. Das Problem kennt auch Susanne Lotz, die Initiatorin des Bücherschranks in der Pappelstraße, den es seit 2013 gibt. Sie selber sieht hin und wieder nach dem Schrank, und dann, „gibt es hier ein paar gute Geister, die auch immer mal nach dem Rechten schauen“.

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