Als der Präsenzunterricht wieder anlief, sind einige Schülerinnen und Schüler nicht zurück in die Klassenräume gekehrt. Lehrer berichten, dass es bei manchen Kindern sehr schwer war, sie überhaupt wieder zu erreichen. Dass Schüler in der Pandemie häufiger den Unterricht meiden, bestätigte zuletzt eine bundesweite Forsa-Umfrage unter Lehrkräften. An Schulen, in deren Einzugsgebiet viele Eltern Sozialleistungen bekommen, gab jeder dritte befragte Lehrer an, der Schul-Absentismus habe zugenommen.
Die Gründe für das Abtauchen sind vielfältig. Das schildert eine Bremer Sonderpädagogin, die mit diesen Jugendlichen gearbeitet hat. "Speziell nach der Weihnachtszeit war es richtig problematisch", sagt Stefanie Höfer, Vorsitzende des Verbands Sonderpädagogik in Bremen (VDS). Anfang des Jahres war die Präsenzpflicht in Bremens Schulen aufgehoben: Eltern konnten entscheiden, ob ihr Kind am Wechselunterricht vor Ort teilnimmt oder zuhause lernen soll.
Doch einige Kinder tauchten nicht wieder auf, als die Präsenzpflicht im März wieder anlief. "In der Pandemie ist all das, was man vorher noch einigermaßen deckeln konnte, extrem aufgeploppt", sagt Höfer. "Einige Kinder wurden beim Distanzlernen völlig abgehängt und wollten danach gar nicht mehr zur Schule gehen, weil sie den Eindruck hatten, 'ich schaffe das eh nicht'", schildert die 59-Jährige, die bis zum Sommer Leiterin des Rebuz West war. Die regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren, kurz Rebuz, sind in Bremen für Schulmeider zuständig. Höfer führte Beratungsgespräche mit Kindern und Eltern und macht Hausbesuche in den Familien.
Testpflicht in Bremen: Einige Eltern lehnen Corona-Tests ab
Die Sonderpädagogin benennt mehrere Ursachen, weshalb Kinder nicht zurück kehrten. Einige Eltern lehnen ab, dass ihr Kind auf Corona getestet wird – doch zwei Tests pro Woche sind in Bremen Voraussetzung für den Schulbesuch. Wer daran nicht teilnimmt, soll ein Distanz-Lernangebot bekommen. "Die Ablehnung der Tests und Masken ist ein Grund, dass Kinder nicht in die Schule gingen", sagt sie. "Manche Eltern wollen das von ihren Kindern fernhalten." Eine zweite Gruppe von Eltern habe ihr Kind aus Angst vor Ansteckung mit Corona weiter zu Hause gelassen. Eine dritte Gruppe bildeten einige Familien aus Bulgarien und Rumänien. "Es gibt Eltern, die die Schulpflicht in Deutschland ohnehin zu lang finden, manche lassen ihre Kinder zu Hause, weil sie lieber zu Hause mit anpacken sollen, das betrifft oft gerade die Mädchen."
Die Option des Distanzlernens führe zudem bei der Durchsetzung der Schulpflicht zu einer rechtlichen Grauzone, schildert Höfer. Normalerweise kann die Behörde Eltern, deren Kinder ständig fehlen, Bußgelder auferlegen. "Aber wenn Schüler nicht am Distanzlernen teilnehmen, führt das nicht zu einem Bußgeld", sagt Höfer. "Das ist eine Rechtslücke, wir sind da letztlich handlungsunfähig."
Auch im Bildungsressort machte man sich Sorgen um die abgetauchten Schüler. Deshalb fragte die Behörde zuletzt bei den Schulen ab, wie viele Kinder seit längerem nicht mehr am Präsenzunterricht teilnehmen. Insgesamt meldeten die Schulen 85 betroffene Kinder, sagt Maike Wiedwald, Sprecherin der Bildungsbehörde. Manche von ihnen hätten wochenlang, andere monatelang nicht am Präsenzunterricht teilgenommen. "Darunter sind Kinder, die zu einer Risikogruppe gehören, und denen der Arzt den Schulbesuch nicht empfiehlt, aber auch Kinder, deren Eltern die Tests ablehnen", so die Sprecherin. Auch einige Schulmeider seien sicherlich in dieser Gruppe enthalten.
Schulmeider, also Kinder, die den Schulbesuch verweigern, hat es immer gegeben. Im Schnitt gab es Stefanie Höfer zufolge in den vergangenen Jahren in Bremen meist an die 1000 Kinder mit hohen Fehlzeiten. Die nun in die Grauzone des Distanzlernens abgetauchten Kinder kommen in der Pandemie offenbar als weitere Gruppe hinzu.