Die Parteien in Bremen bemühen sich bei der Aufstellung ihrer Kandidaten um einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung. Tatsächlich sind alle Altersgruppen und viele Berufsbilder vertreten. Manche sind Polizisten, manche Lehrkräfte, das Alter der Kandidaten reicht von Anfang 20 bis Mitte 70; einer hat sogar mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens im Parlament verbracht. Eine ganze Reihe von Kandidaten stellt sich nicht erstmals zur Wahl - so auch einige dieser Superlative.
Bürgerschaftswahl in Bremen 2019 Die Bürgerschaftskandidaten der Superlative
Die Kandidatenlisten der Bremer Parteien für die Bürgerschaftswahl haben so einige Superlative im Gepäck. Das Alter der Kandidaten reicht von Anfang 20 bis Mitte 70, einer hat mehr als die Hälfte seines Lebens im Parlament verbracht.
Marek Gottschlich: Der Bremerhavener
Marek Gottschlich kandidiert auf Listenplatz 8 für die SPD und den Wahlbereich Bremerhaven. Mit einem Alter von 21 Jahren ist der stellvertretende Vorsitzende der Jusos Bremerhaven einer der jüngsten Kandidaten aus der Stadt an der See. Einer Kampfkandidatur habe er sich nicht aussetzen müssen, sagt Gottschlich. Wer einen aussichtsreichen Listenplatz ergattern wolle, müsse "nicht kämpfen oder Ellbogen ausfahren, sondern sich zeigen und sein Engagement beweisen".
Er hege Hoffnungen für ein Mandat, sagt der Kfz-Mechatroniker. 2015 waren für die SPD sechs Bremerhavener in die Bürgerschaft eingezogen; Personenstimmen können die von der Partei festgelegte Reihenfolge jedoch verändern. Falls sein Wunsch wahr werde, sehe er sich "als starker Vertreter von Bremerhaven" innerhalb der SPD-Fraktion und des Landtags. Das bedeute für ihn jedoch nicht, unentwegt Bremerhavener gegen Bremer Interessen durchzusetzen.
Für die Kandidatur gab es einen konkreten Anlass: "Ich habe gerade meine Ausbildung abgeschlossen und damit gerade erst die Berufsschule verlassen. Dort ist mir viel aufgefallen, was mir vorher auf der weiterführenden Schule gar nicht bewusst geworden ist, wie Lehrermangel und Stundenausfall. Das möchte ich ändern." Neben der Bildungspolitik interessiert er sich für den Bereich Wirtschaft, Arbeit und Häfen.

Rolf Vogelsang: Der Rückkehrer
Er will es noch einmal wissen: Rolf Vogelsang, 73 Jahre alt, Lehrer im Ruhestand. Vogelsang ist im Archiv der Bürgerschaft bereits vertreten, denn er war von 2001 bis 2015 Landtagsmitglied. Nun nimmt er Listenplatz 62 ein. Wenn ihn nicht Personenstimmen tragen, müsste die SPD bei der Wahl ein sensationelles Ergebnis erhalten, um ihn in die Bürgerschaft mitzunehmen.
Das ficht Rolf Vogelsang nicht an. Zum einen sei er Optimist, zum anderen fühle er sich Oslebshausen verpflichtet. Einer der bisherigen SPD-Vertreter aus dem Ortsteil sei umgezogen, der andere trete nicht wieder an. Das habe er so nicht stehen lassen wollen. "Oslebshausen muss eine Stimme im Parlament haben." Neben ihm stelle sich auch eine junge Oslebshauserin zur Wahl, das sei bei seiner Entscheidung aber noch nicht klar gewesen. Auch sein Umfeld, Mitbürger in Oslebshausen sowie Parteifreunde, hätten ihn vielfach aufgefordert, politisch noch nicht in den Ruhestand zu wechseln.
Er habe kein Problem damit, Jüngeren Platz zu machen, versichert Rolf Vogelsang. "Doch wo sind sie? Das ist nicht so einfach." Nicht nur Lebens-, sondern auch Politik- und Parteierfahrung hat Vogelsang reichlich zusammengetragen: 1963 ist er in die SPD eingetreten. Von 1999 bis 2011 war er Mitglied im Beirat Gröpelingen, von 1999 bis 2003 als SPD-Fraktionssprecher. Seit dem Jahr 2010 steht er dem Ortsverein Oslebshausen vor.

Anna Fischer: Die Junge
Auf Listenplatz 13 der Liste der Linken für den Wahlkreis Bremen kandidiert Anna Fischer. Die Kandidatur ist ihre Premiere, und mit 21 Jahren ist sie einer der jüngsten Bewerberinnen. Die Chancen, in die Bremische Bürgerschaft einzuziehen, sind für die Studentin der Politologie nicht überragend: Derzeit besteht die Fraktion aus acht Abgeordneten aus Bremen und Bremerhaven. Mit ihrer Platzierung sei sie zufrieden: "Mir ist wichtig, dass wir im Wahlkampf vertreten sind und die politische Aufmerksamkeit nutzen, die es in dieser Zeit gibt, um junge Leute zu motivieren, sich grundsätzlich mit Politik und Gesellschaft auseinanderzusetzen."
Politisch unerfahren ist Anna Fischer nicht. Seit sie etwa 16 Jahre als sei, engagiere sie sich bei und für die Linksjugend Solid. Daraus habe sich ihre Kandidatur ergeben. Besonderes Gerangel unter möglichen Jugendkandidaten um einen Platz auf der Bewerberliste habe es nicht gegeben. Viele jungen Menschen seien politisch interessiert und ausgesprochen engagiert, hätten aber wenig Interesse an Parteiarbeit oder am Marsch durch die Institutionen über ein Parlament.
Anna Fischers thematischer Schwerpunkt liegt auf "feministischen und antirassistischen Kämpfen". Ihr Anspruch sei, wie es in ihrer Bewerbung für die Kandidatur heißt, "klare Kritik an bestehenden Zuständen mit konkreten Ansätzen für eine bessere Welt zu verbinden".

Jörg Kastendiek: Der Erfahrene
Er hat mehr als sein halbes Leben im Parlament verbracht: Jörg Kastendiek. Der Christdemokrat ist 54 Jahre alt, sitzt seit 1991 in der Bürgerschaft und kandidiert erneut. Das Mandat ist dem CDU-Landesvorsitzenden sicher. Kastendiek besetzte nicht durchgehend einen schlichten Abgeordneten-Sessel. Er war Fraktionschef (2003 bis 2005) und sah sich die Parlamentarier von der Senatsbank aus an (von 2005 bis 2007 als Wirtschaftssenator).
Der CDU-Landeschef gehörte einst zu den sogenannten jungen Wilden – einer kleinen Gruppe von Christdemokraten, die ganz bewusst mit vorderen Listenplätzen ausgestattet worden waren, um einen Generationswechsel zu ermöglichen. Kastendiek war damals 26 Jahre alt und stellt fest: "Aus allen jungen Wilden ist mehr geworden, sie wurden Fraktionschef oder Senator." Neben ihm waren das Jens Eckhoff, Thomas Röwekamp und Roland-Mike Neumeyer.
Seine erneute Kandidatur sei reizvoll, weil die CDU eine reelle Chance habe, die Opposition zu verlassen. Kastendiek kennt auch die Arbeit in einer Regierungsfraktion, die sich deutlich unterscheide. "Diese Erfahrungen kann ich weitergeben."
Er habe nie geplant, im Parlament ein gewisses Maß an Jahren vollzumachen, sagt Kastendiek. "Ich habe mich immer von Legislaturperiode zu Legislaturperiode entschieden. Es muss einem noch Spaß machen, sonst hält man das nicht lange durch." Und schließlich habe die Partei auch noch ein Wörtchen mitzureden. Ein Leben ohne politisches Amt könne er sich indes schwer vorstellen, räumt Kastendiek ein. "Aber es handelt sich eben um Ämter auf Zeit. Damit muss man klarkommen."

Philipp Bruck: Der Neuling
Es müsste nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn sich Philipp Brucks Leben ab Sommer nicht gründlich verändern würde. Der 29-Jährige Ingenieur ist der jüngste Kandidat der Bremer Grünen und mit einer Größe von 1,96 Metern zufälligerweise wohl ebenfalls einer der längsten Anwärter für die Bürgerschaft. Sein Name steht auf Listenplatz 6. Derzeit besteht die Fraktion aus 13 Frauen und Männern aus Bremen und Bremerhaven. Dass neben Platz 6 auch Nummer 5 mit jemandem in der Altersklasse unter 30 besetzt ist (nämlich Lea Schweckendiek, Jahrgang 1996), ist kein Zufall: Philipp Bruckhat einen der beiden für die grüne Jugend reservierte Plätze eingenommen, so wollen es die Statuten der Grünen.
Bruck hat schon einmal kandidiert, für den Bundestag und, wie der Sprecher der grüne Bundesarbeitsgemeinschaft Tierschutzpolitik einräumt, "im Grunde ohne Aussicht auf Erfolg". Auf Bundesebene hätte er womöglich mehr für seine Herzensthemen – Klima- und Tierschutz – erreichen können, doch im Landtag erste parlamentarische Erfahrungen zu sammeln, sei nicht weniger sinnvoll. "Zudem kann man auf Landesebene auch viel bezwecken."
Respekt vor einem Mandat habe er schon, sagt Philipp Bruck. Ihm sei bewusst, dass ihm als Parlamentarier größere Aufmerksamkeit zuteilwerde, auch kritische. "Aber ich traue mir das schon zu."

Agnes Müller-Lang: Die Unermüdliche
Die Liberale Agnes Müller-Lang hat einen langen Atem. Sie sagt: "Ich gebe nicht nach, falls ich bei meinem Engagement nicht sofort Erfolg habe. Ich bleibe einfach am Ball." Das begründet die einstige Justizangestellte so: "Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen und kümmere mich um sie. Ich gebe auch gerne meine Kenntnisse und Erfahrungen weiter."
Das ist nachprüfbar: Die 76-jährige Grambkerin hat schon mehrfach für ein Mandat im Landtag kandidiert, bislang vergebens, unter anderem, weil die FDP einige Jahre in der außerparlamentarischen Opposition überdauern müsste. Aber sie will es weiterhin wissen, dieses Mal steht sie auf Listenplatz 19.
Im September 1983 trat sie in die FDP ein. "Ich wurde so in meinem Elternhaus geprägt." Ihr Engagement habe sich schnell vor allem auch auf die FDP in Bremen-Nord konzentriert. Dort wurde sie in den Kreisvorstand gewählt, im Jahr 2000 wurde sie Beiratsmitglied in Burglesum.
Agnes Müller-Lang zählt zu den ältesten Kandidatinnen der FDP, aber auch zu den lebenserfahrensten überhaupt. "Das war mir gar nicht bewusst", sagt sie. Ihr Alter spiele für sie keine große Rolle, obgleich sie sich in der Bürgerschaft auch seniorenspezifischen Themen widmen werde, falls sie die Möglichkeit bekomme. Weitere Themen, die ihr am Herzen liegen, seien Umwelt, Kultur, Vereine und Sport.