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Orientteppiche können ewig halten Frisch geknotet

Im Teppichhaus Gleue im Fedelhören arbeitet Ceyhan Ates als Teppichreparierer. Mit Nadel und Faden, Hammer und Nägeln arbeitet er an den schadhaften Teppichen und verhilft ihnen zu einem frischen Look.
13.02.2022, 06:00 Uhr
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Frisch geknotet
Von Gesa Below

Es  mögen an die tausend Teppiche sein, die auf- oder ausgerollt im Teppichhaus Gleue auf einen Besitzer warten. In Bremens ältestem Teppichgeschäft im Fedelhören, das unlängst sein 100-jähriges Bestehen feierte und von Gerald Elfers als Besitzer geführt wird, finden sie sich in ganz groß bis ganz klein, alle handgeknüpft, mit so klingenden Namen wie Täbriz, Kashan, Bidjar, Ghom, Isfahan, Bachtiar, Nain und Hereke. Sie kommen aus  Persien, Afghanistan, Pakistan, Indien, China, dem Kaukasus und der Türkei, und sie sind aus Wolle oder aus Seide, sie sind auf verschiedene Art geknüpft, und sie wiegen bis zu 100 Kilogramm. Über den Wert jedes einzelnen sagt vor allem die Dichte der Knoten etwas aus: je feiner, desto wertvoller – Seidenteppiche haben schon mal mehr als eine Million Knoten pro Quadratmeter, andere sind mit nur einer fünfstellige Knotenzahl gefertigt.  Alle Altersklassen sind in dem Geschäft vertreten: ganz neue Teppiche stehen und liegen neben Hundertjährigen.

Und dann gibt es die Patienten – also Teppiche, die repariert werden sollen. Das ist die Aufgabe von Ceyhan Ates, gebürtig aus Nazilli in der Westtürkei und seit 1982 treuer Mitarbeiter im Bremer Teppichgeschäft. In der Türkei würde er sich Hali Tamircisi nennen – „das bedeutet auf Deutsch Teppichreparierer“, erzählt er, während er an seinem langen Arbeitstisch sitzt, vor sich einen Teppich, dem er zu neuem Glanz verhelfen soll – oder in diesem Fall zu schönen neuen Fransen.

Vor allem die Seiten und die Fransen eines Teppichs sind es, die es zu reparieren gilt – „da gibt es die Abnutzungsspuren durch die Schuhsohlen; oft ist auch Feuchtigkeit im Spiel. Wenn die Besitzer jahrelang einen Pflanztopf auf den Teppich gestellt haben, dann ist das Material eben irgendwann mürbe“, so Ates. Und „ein guter Arbeitgeber sind auch junge Hunde“, ergänzt Gerald Elfers, und hat gleich eine Anekdote parat: Über die Jahrzehnte habe eine Bremer Familie einen Teppich dreimal zur Reparatur gegeben, weil ihre jeweiligen jungen Hunde das gute Stück angekaut hatten: „Der erste hat drei Zentimeter abgefressen, der zweite zehn Zentimeter und der dritte Hund hat gleich 30 Zentimeter rausgekaut.“

Um solch ein großes Stück Teppich zu ersetzen, braucht es neben den Kett- und Schussfäden, die sozusagen von oben nach unten und von links nach rechts laufend dann das Gerüst für das Knüpfen bilden, auch die entsprechenden Farben. „Wir sammeln hier alles“, deutet Ates hinter sich auf die deckenhohen Regale. Da stehen durchsichtige Plastikboxen, in denen große Wolle-, Baumwolle- und Seidenfäden in Dutzenden Farben aufgehoben werden: „Wir heben alles auf, was bei der Reparatur entfernt werden muss. Dann kippen wir den Karton hier auf den Tisch und suchen uns den passenden Faden heraus“.

Klingt einfacher, als es dann ist – die Nadel im Heuhaufen zu finden, ist sicher auch nicht viel aufwändiger. Aber oft wird die Mühe belohnt, und deshalb kann es sein, dass ein 50 Jahre alter Teppich mit einem 50 Jahre alten Garn restauriert werden kann. Sollte die passende Farbe nicht in den Reste-Boxen zu finden sein, kommt  gekaufte Tapisserie-Wolle zum Einsatz – solche, wie sie auch zum Weben benutzt wird.  

Und dann wird genäht und geknüpft – wobei letzteres keine herkömmlichen, sondern mit einem Knüpfmesser in verschiedenen Techniken durch das Gewebe gezogene Knoten sind. Mit  unterschiedlich starken Kämmen werden die Fäden dann fest aufeinander geschoben, und  damit die Abschlusskante zwischen Gewebe und Fransen auch hält, kommt eine Häkelnadel ebenso zum Einsatz wie ein mit Bienenwachs präparierter Faden – „der rutscht dann besser und geht einfacher zu vernähen“.

Aber  es wird nicht nur gestichelt und geknotet.  Es werden die zu reparierenden Teppichabschnitte zur besseren Bearbeitung auf Rahmen genagelt, ganze Teppiche zum Glätten auf große Holzplatten gespannt, es wird zu guter Letzt auch manchmal gebügelt: alles in Handarbeit.

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