Vor dem modern-minimalistischen Neubau von Wolfgang Ahrens in Bremen St. Magnus befindet sich ein großes Stück Grünfläche, das zur jetzigen Jahreszeit noch mit orange-braunem Laub bedeckt ist. Leicht erhöht, unter einem Baum, versteckt sich dort eine Ansammlung aus Ästen und Blättern, die zwar irgendwie mit der gartenähnlichen Szenerie verschmilzt, jedoch auch hervorsticht. Tatsächlich handelt es sich um keinen gewöhnlichen Laubhaufen, sondern um eine kleine Festung für einen ganz besonderen Vierbeiner.
„Das ist eine Igelburg“, sagt Wolfgang Ahrens. Der 67-Jährige ist der erste Vorsitzende des Vereins Netzwerk Igelfreunde. Die Burg habe er aus Gartenabfällen selbst erbaut, sie soll den Igeln für den anstehenden Winterschlaf einen idealen Unterschlupf bieten.
Das Netzwerk Igelfreunde versteht sich als eine Interessengemeinschaft einzelner Tierfreunde, die sich aktiv für den Igelschutz einsetzen. So beraten sie Menschen, die einen hilfsbedürftigen Igel aufgefunden haben und pflegen möchten. Der Verein klärt zudem über aktuelle Themen des Schutzes der stacheligen Tierchen auf. Gegründet wurde das Netzwerk im Jahr 2014, Ahrens sei 2019 dazugestoßen. Damals hatte er selbst einen kränklichen Igel gefunden und sich an den Verein gewandt, dann nahm alles seinen Lauf.
Verein finanziert sich hauptsächlich über Spenden
Im Moment wohnen zehn Igel bei ihm, die sich in dem Gästezimmer des Hauses in Boxen erholen. Auf den ersten Blick ist von ihnen allerdings wenig zu erkennen. Sie sind nachtaktive Tiere und ziehen sich über Tag in ihren bereitgelegten Kuschelsack zurück. Ab und zu raschelt es kurz, einige Säckchen vibrieren leicht. Aber so richtig zeigen will sich noch kein Igel.
Der Verein, der sich hauptsächlich aus Spenden finanziert, bekommt Ahrens zufolge viele Anfragen von überforderten Igel-Findern: In Spitzenzeiten erreichen die Ehrenämtler etwa 30 Anrufe pro Tag. In Bremen gebe es einfach zu wenige Anlaufstellen für Finder der Vierbeiner. Warum es aktuell so viele Igel in Not gebe, habe mehrere Gründe.
Igel ernähren sich von Insekten. Der Klimawandel sorgt laut Ahrens allerdings für ein Insektensterben und da in immer mehr gepflegten Gärten die Hecken fehlen, haben die Igel Schwierigkeiten, Unterschlupfe zu finden. Das verschlechtere ihre Situation, an ausreichend Futter mangle es zunehmend. Im Sommer werden sie von Mährobotern verletzt, die überwiegend nachts fahren. Ausgerechnet dann, wenn die Igel aktiv sind. Die meisten Tiere, die zu Ahrens kommen, seien unterernährt. „Wenn die Igel Anfang November unter 500 Gramm wiegen, dann muss man stutzig werden.“
Ein Igel will sich schlussendlich doch noch zeigen. „Na komm, Kleiner“, flüstert Ahrens, holt vorsichtig ein Tier aus seinem Versteck. „Das ist Mitri.“ Der Igel ist unverwechselbar, denn kein anderes heimisches Tier hat einen Stachelpelz. Zur Verteidigung gegen Feinde gedacht, handelt es sich bei den Stacheln um verhornte Haare. Besteht eine Gefahrensituation, rollen sich die kaninchengroßen Tierchen zu einer Kugel zusammen.
Jetzt gerade ruht Mitri aber ganz ruhig in Ahrens Handfläche, schaut neugierig umher, rüffelt seine Nase. Er sei zwar frech, aber ein Sozialer, der ließe sich gerne streicheln, erklärt sein Ziehvater. Er engagiere sich nicht, um persönliche Erfüllung zu finden. „Ich möchte die Igel nicht sterben lassen“.