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Fotoreportage Artistik am Osterdeich: Total im Flow

Die Flow Fellows treffen sich am Osterdeich und spielen sich in einen entrückten Bewußtseinszustand - manchmal. Bis der erreicht ist, heißt es üben. Aber auch das sieht artistisch aus.
10.10.2021, 06:00 Uhr
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Artistik am Osterdeich: Total im Flow
Von Gesa Below

Es ist eine bunte Truppe, die sich jeden Donnerstag um 17 Uhr am Osterdeich bei den Weserterrassen trifft. Bunt vor allem wegen der unterschiedlichen Gerätschaften, mit denen die Frauen, Männer und manchmal auch Kinder jonglieren und herumwirbeln; manchmal ist auch Feuer mit im Spiel. Flow Fellows nennen sie sich, und Flow Arts nennt sich die Form, bei der es darum geht, sich „künstlerisch auszudrücken – eben in den Flow zu kommen“, erklärt Thorben Plath, der Mitbegründer der Gruppe. Da rollen Stäbe über Arme, Schultern und Köpfe wie von Zauberhand bewegt, schwingen Kugeln an Seilen  in rasender Geschwindigkeit durch die Luft, kreisen Ringe wie von allein um Arme: „Wir nennen das Objektmanipulation“, sagt Plath und meint damit „die Irritation des Zuschauers“, der – um es mal weniger theoretisch zu beschreiben – nicht weiß, wo ihm der Kopf steht vor lauter Gewirbel, Gedrehe und Gewerfe.

Flow. Das Lexikon nennt den Zustand ein „besonders positives emotionales Erleben bei einer Tätigkeit, das dadurch charakterisiert ist, dass eine Person ganz auf ihr Tun konzentriert ist und darin aufgeht, sich selbst dabei vergisst, das Zeitgefühl weitgehend verloren ist“. Was sich trocken und theoretisch anhört, ist in der Realität eine artistische Angelegenheit; Bewegungsfreude ist hier Voraussetzung, das akrobatische Geschick entwickelt sich im Lauf der Übungen.

Plath hat die Gruppe 2019 in einem Messenger-Chat zusammen mit Fabian Szoszynski begründet – nachdem die ehemals existierende Bremer Jonglier-Szene total eingeschlafen war, wie er sich erinnert. Es habe sogar mal eine Bremer Jonglier-Convention gegeben, unter deren Dach viele Disziplinen von Flow Art liefen, aber das habe sich mittlerweile ein bisschen aufgeteilt.

40 bis 50 Aktive machen bei den Flow Fellows mit – mal mehr, mal weniger, im Sommer seien es immer viele. Offizieller Treffpunkt – nicht nur für die Flow Fellows, sondern auch für andere Akrobaten – sind die Weserterrassen, solange es das Wetter zulässt. Und nein, es sind nicht alle schon vorgebildet, sagt Plath, es kommen auch Anfänger, die, dem Selbstverständnis der Community entsprechend, von den Erfahrenen lernen. Wer sich fortbilden will, kann das aber auch außerhalb der Gruppe machen: „Es gibt Flowfestivals und Jonglierconventions überall auf der Welt, bei denen man mitmachen kann. Das ist zu einer echten Bewegung geworden, die vor ungefähr 20 Jahren angefangen hat und jetzt so eine Größenordnung hat wie Yoga in den 1990er-Jahren“, so Plath. Mittlerweile gebe es auf jeder zweiten Hochzeit und auf fast jedem Volksfest irgendeine Flow-Aufführung.

„Mindestens 20 bis 30 verschiedene Geräte“, so Plath, seien im Einsatz. Sie haben geheimnisvolle Namen wie Dragonstaff, Flowerstick, Bugang, Firestaff und Contactstaff; einzig bekannte Namen für den Laien sind die Keulen oder der Hoop. „Bei uns sind Stäbe und Poi die beliebtesten“, erklärt Plath. Die Stäbe gibt es in verschiedenen Längen mit unterschiedlich schweren Gewichten in allen Formen an den Enden, Poi sind Kugeln, die an einem Seil befestigt sind und geschwungen werden. Ursprünglich in Neuseeland als Waffe benutzt, hätten sich die Poi in der heutigen Zeit zu einer ausgefeilten Kunstformen bei den Flow Arts entwickelt, sagt Thorben Plath, der auch selbst mit diesen beiden Geräten viele Jahre als Künstler auf Bühnen stand. Und weil es das Ganze auch zum Anzünden gibt, sieht man die Fortgeschrittenen der Flow Fellows an lauen Abenden am Osterdeich nicht nur mit Stäben und Kugeln artistisch wirbeln und schwingen, man sieht auch die brennenden Varianten.

Wenn die Flammen dann Figuren in den Abendhimmel zeichnen, dann hat das eindeutig etwas Magisches. Prosaisch ausgedrückt: Der Funke springt über. Auch als Zuschauer kommt man da locker in den Flow.

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