Wie viel Veränderung und Prozess kann man den Menschen zumuten? Und ab wann verschreckt man sie? Das ist eine Frage, die das Team von Raumpro beschäftigt. Dabei handelt es sich um ein Projekt, das mit wechselnden Kunstausstellungen in leer stehenden Räumen die Bremer Innenstadt beleben und gleichzeitig die kulturelle Vielfalt stärken möchte.
Mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler hatten sich mit ihren Ideen für Raumpro um Projektleiterin Stella von Rohden beworben. 21 wurden realisiert, somit war von Mai bis Dezember vergangenen Jahres fast jede Woche eine neue Ausstellung zu sehen – in einem ehemaligen Geschäft in der Knochenhauerstraße, das Raum bot für Austausch, um gesellschaftliche Diskurse zu fördern. Zum Beispiel zur städtischen Gestaltung. Oder zu Diskriminierungserfahrungen von schwarzen Menschen, speziell in Bezug auf Technologie. Oder zu kinetischen Klangmaschinen, die als Fixpunkte dienen, um der reizüberfluteten Welt kurz zu entfliehen.
Gerade die bildende Kunst profitiere von Leerständen, da sie ausreichend Platz benötige, berichtet Projektsprecherin Norah Limberg vom Künstlerinnenverband Bremen. Größere Institutionen und Galerien allein reichten nicht aus. „Wir brauchen mehr freie Projekträume – ungebundene Orte, wo Kunst stattfinden kann“, macht sie deutlich.
Die Auswahl, vor allem die Organisation der Projekte, sei schwierig gewesen, ähnlich herausfordernd wie die ständigen Irritationen für das Laufpublikum, die nicht zuletzt durch die Aufbauphasen der Ausstellungen zustande kamen. Wegen der lichtdurchlässigen Schaufenster sah die Öffentlichkeit, wie die Künstlerinnen und Künstler ihre Bilder aufhängten oder Objekte platzierten – ein bewusster Gegenentwurf zu jenen Kunstausstellungen, bei denen so etwas nicht gängig oder erwünscht ist.
„Wenn hier Dinge ausgestellt werden, die unbekannt sind, dann schreckt das oft ab“, sagt Limberg. Das seien Fragen, mit denen sich die zeitgenössische Kunst beschäftigen müsse. Es gebe aber genügend Ausstellungen, die den gegenteiligen Effekt erzielten, neugierig machten und die Leute in den Raum lockten, so wie etwa die zur schwarzen Identität. Ob gute, wirksame Kunst unbequem sein muss? „Da wird wohl jeder und jede im Kunstumfeld anders drauf antworten“, vermutet die Sprecherin.
Wie es mit Raumpro weitergeht, ist ungewiss. Die Förderung seitens der Stadt stehe noch aus, und wie realistisch die Finanzierung sei, könne bislang niemand sagen, sagt Limberg. „Aber wir wollen unbedingt weitermachen, weil es Anklang in der Szene und in der Stadt gefunden hat.“
Bis alle Beteiligten wissen, wie die Zukunft des Projekts aussieht, bleibt im Untergeschoss der ehemaligen Boutique eine nachgebaute Miniatur des Raums von Künstler Atsushi Mannami zurück. Sie soll den Raum überdauern.