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Lebensmitteltests im Sensoriklabor Prüfung für die Sinne

Jeden Tag essen wir Produkte, die uns schmecken. Doch woher wissen wir das eigentlich? Zu Besuch in einem Sensoriklabor in Bremerhaven, wo Kosumenten Lebensmittel erriechen und erschmecken.
20.02.2022, 06:00 Uhr
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Prüfung für die Sinne
Von Hannah Krug

Vor Imke Matullat stehen aufgereiht drei Glasschüsseln. Sie sind alle mit einer anderen Nummer codiert. In jede Schale füllt die Ökotrophologin einen Klecks Kirschjoghurt. Ohne die Verpackung sehen die probiotischen Häufchen fast gleich aus. Dann werden die Schalen in einen Raum mit rotem Umgebungslicht geschoben. „So kann die Produktfarbe ausgeblendet werden, denn je intensiver Farbe, desto intensiver nimmt der Verbraucher auch den Geschmack wahr“, sagt Matullat. Anschließend sollen Testesserinnen und -esser die Joghurts blind verkosten. Schmeckt der Joghurt süß? Riecht er säuerlich? Ist die Konsistenz zu flüssig?

Wir kaufen bestimmte Lebensmittel, weil sie uns schmecken. Doch woher wissen wir das? Diese Vorarbeit erledigen andere. Im Sensoriklabor des Technologie-Transfer-Zentrums (TTZ) in Bremerhaven verkosten Laien wie auch Profis vegane Schnitzel oder Marmeladen unterschiedlicher Hersteller, die wir aus dem eigenen Kühlschrank kennen. Unternehmen beauftragen das Labor, ihre Produkte einer sinnlichen Untersuchung zu unterziehen. Die Ergebnisse sind viel Geld wert. Sie entscheiden darüber, zu welchem Produkt wir langfristig im Supermarkt greifen.

Die Vorrichtungen, in denen die Verbraucher die Produkte probieren, sind ähnlich steril und voneinander abgetrennt wie Wahlkabinen. Genauso wie das Kreuzchen für die präferierte Partei müssen auch die Eindrücke der Probandinnen und Probanden geheim bleiben. In der Kabine simuliert eine Lampe Tageslicht. Tisch, Stuhl und Wand sind in einem einheitlichen faden Grau. Durch ein kleines Fenster reicht das Küchenpersonal die unter haushaltsüblichen Bedingungen zubereiteten Lebensmittel direkt den Testpersonen. Ihre Eindrücke tippen die Verkostenden in einen Computer ein. Für die Geschmacksneutralisierung können sie jederzeit Wasser von einem im Tisch eingelassenen Waschbecken abzapfen und trinken. Ein eintöniger und karger Arbeitsplatz. Genau das, was es braucht, damit sich die Sinne ausschließlich auf die Speisen konzentrieren können.

Während die freiwilligen Tester intuitiv einschätzen sollen, ob ein Produkt schmeckt oder angenehm riecht, übernimmt geschultes Personal komplexere Analysen. „Das kann eine Hausfrau oder ein Frührentner sein – auf jeden Fall Menschen mit viel Zeit“, sagt Matullat. Als Prüfer müsse man den Grundgeschmack in bestimmten Konzentrationen schmecken. Süß müsse bei mindestens sechs Gramm und salzig bei 1,2 Gramm pro Liter erkannt werden. Das sind denkbar winzige Anteile. „Es sind oft nur zehn bis fünfzehn Prozent der Menschen, die so gut schmecken und riechen können“, sagt Matullat.

Diese sensorischen Profis testen zum Beispiel, ob eine Verpackung aus Papier oder Glas den Geschmack des Inhalts beeinflusst. Um solche feinen Nuancen wahrzunehmen, sollten die Tester kurz vor der Verkostung auf Kaffee, Nikotin oder scharfes Pfefferminz verzichtet werden.

„Eigentlich ist alles da“, sagt Matullat über die fünf Sinne. Die Ökotrophologin fasziniert sich für genau diese körperlichen Eigenschaften. „Ich könnte stundenlang an Wein riechen. Der Geruch kann so vielfältig sein. Ich muss ihn gar nicht trinken“, schwärmt Matullat. Diese persönliche Begeisterung vermittelt sie auch in Seminaren. Sie lehrt Firmenpersonal, besser zu riechen und zu schmecken. Darunter fällt, Off-Flavours zu erkennen. Was so viel heißt wie Fehlgeschmack oder Fehlgeruch. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Futtermittel-Geschmack in die Milch durchschlägt. Firmen müssten aber noch mehr tun, um die Qualität ihrer Produkte zu sichern: „Wir sprechen von einem sensorischen Standard“, erklärt Matullat. Eine Tomatensoße müsse beispielsweise einen bestimmten Salz-, Kräuter-, Süße- und Fruchtgehalt haben. An den Standard würden dann die neuen Produkte angepasst werden.

Die Sinne trainieren, das finden auch angehende Fischsommeliers schwierig. Aus diesem Grund hat Matullat mit ihr Team spezielle Tests für Fischeigenschaften konzipiert. Matullat legt zehn Reagenzgläschen mit gelber Flüssigkeit auf den Tisch. Auf den ersten Blick sehen alle gleich aus. Erst bei längerem konzentrierten Hinschauen gibt es Unterschiede. „Für die Auszubildenden ist die sensorische Prüfung immer die schlimmste, dabei kann man das doch auch lernen, sag ich immer.“

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