Bremerhaven Wesertraffic –BV2 ,Vegesack‘. Gerade in Käseburg. 2,50 in der Tiefe, 18 Personen an Bord. Auf dem Weg in den neuen Hafen in Bremerhaven“, tönt es durch die Kabine. André Hübner hängt den Hörer zurück an die Wand. Und wirft einen letzten kritischen Blick auf die Seekarte. Eigentlich verwaltet der Mann mit warmem Lächeln, extravaganter Brille und blauem Basecap Häuser. Auf der BV2 „Vegesack“, einem alten Heringslogger, steuert er als Kapitän. Auf wenigen Metern hölzerner Kajüte – umgeben von Radargeräten, Navigationsprogramm und Länderflaggen – sorgt er dafür, dass die Besatzung den Zielhafen in Bremerhaven an diesem Freitag sicher erreicht. Auf dem Display des Tiefenmessers klettert und fällt ein Graph im Sekundentakt, erinnert an die Herzstromkurve eines Elektrokardiogramms. 14,1 Meter dunkles Nass erstrecken sich zwischen dem Kiel der BV2 und dem Wesergrund.
Irgendwie ist es eine Fahrt wie jede andere. Und irgendwie doch nicht. Das Tuckern des Motors, der dicht mit Wolken bedeckte Himmel, durch den sich die fast übertrieben optimistische Sonne kämpft – vertraut. Geübte Griffe der Mannschaft, beim Hissen des Besansegels, beim Anwerfen der Maschinen – vertraut. Für das Fangschiff selbst ist es jedoch eine Geburtstagsfahrt. 127 Jahre ist es her, dass die BV2 von der Vulkanwerft in Bremen gefertigt wurde. Brachte sie früher Fass um Fass gesalzene Heringe von der Nordsee vor Schottland in die Hansestadt, hat sich nun ein Verein der betagten Dame angenommen.
Zu Gast auf dem historischen Segellogger BV2 "Vegesack"
Die Crew Hübners segelt wie er ehrenamtlich. Alle Positionen, von der Küchenkraft, über den Maschinisten bis zum Rudergänger, übernehmen Vereinsmitgliedern des MTV Nautilus. „Jeder macht das, was er kann. Wer gut zu Fuß ist, klettert in die Masten, wer geduldig ist, steht lange am Ruder. Und wer gut mit Technik kann, wird Maschinist“, erklärt Rudergängerin Vera Stock die Aufgabenverteilung an Bord. Der Maschinist kümmert sich unter anderem um Stromgenerator, Schiffsmotor, Heizung und Toilette. Dem Verein MTV Nautilus gehört der Segellogger, er ist für die Instandhaltung des Traditionsseglers zuständig. Und versucht, mit Tages- und Wochentörns etwas Geld in die Bordkasse zu spülen. Wer mitsegelt, ob einen Tag oder eine Woche, muss bei den Arbeiten an Deck anpacken.
An diesem Nachmittag ist die Stimmung ausgelassen. Unterdeck packt jemand eine Gitarre aus. Gelächter steigt über die Oberlichter hinauf, ein Teil der Besatzung stimmt auf einer Sitzecke in der Kombüse in ein „Aloha Heja He“ ein. Währenddessen halten Rudergänger stoisch Stellung hinter dem Steuer, richten ihren Blick konzentriert in die Ferne, während die BV2 sich weiter die Weser hinabwindet. Die kämpferische Sonne ist verschwunden, der Wind frischt auf, es kommt Bewegung in die grauen Weserwellen. Und die BV2 zieht an Werften, Kirchtürmen und Bootsanlegern vorbei, bis in der Ferne ein buntes Gewirr an Containerkränen Bremerhaven ankündigt.