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Haushaltssperren Die Finanzpolitik des Bremer Senats hat stümperhafte Züge

Der gerade erst beschlossene Bremer Haushalt für das laufende Jahr gerät bereits aus den Fugen. Mit seriöser Finanzpolitik hat das wenig zu tun, meint Jürgen Theiner.
27.07.2024, 05:00 Uhr
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Die Finanzpolitik des Bremer Senats hat stümperhafte Züge
Von Jürgen Theiner

Das ging ja flott: Gerade einmal fünf Wochen ist es her, dass die Bremische Bürgerschaft den Etat für 2024 beschloss – und schon melden die ersten Senatsressorts, dass sie eigentlich zu wenig Geld in ihren Budgets haben. Nichts anderes bedeuten die Haushaltssperren, die Bildungssenatorin Sascha Aulepp und Sozialsenatorin Claudia Schilling (beide SPD) für ihre Häuser erlassen haben. Das Geld fürs laufende Geschäft können sie zwar noch mühsam zusammenkratzen. Aber für zusätzliche, freiwillige Ausgaben steht die Ampel vorerst auf Rot.

Wie kann das sein? Über die Gründe ist im Detail noch nicht viel bekannt, aber offenbar hat man in beiden Häusern bei Einnahmen und Ausgaben zu optimistisch kalkuliert. Wichtig war für Aulepp und Schilling angesichts des engen Rahmens für den Gesamthaushalt, die eigenen Budgetgrenzen einzuhalten und die Zahlen entsprechend passend zu machen. Doch nun holt die Realität die ­Planer ein. Im Sozialbereich galoppieren die Kosten weiter davon, etwa bei der Grundsicherung im Alter und den Hilfen zum Lebensunterhalt, deren Höhe bundesgesetzlich geregelt ist, sich also dem Einfluss des Landes entzieht.

Besonders im Bildungsressort ist die aktuelle Entwicklung keine Überraschung. Dort können sie grundsätzlich nicht mit Geld umgehen, man muss das so deutlich formulieren. Seit Jahr und Tag passieren dort immer wieder Dinge, die jedem Beobachter die Haare zu Berge stehen lassen. Unvergessen die schwarzen Kassen, die eine frühere Staatsrätin beim Verein Stadtteilschule angelegt und mit Millionenbeträgen ausgestattet hatte, um dieses Geld im Bedarfsfall abrufen zu können. Als der Fall 2021 ­aufgedeckt wurde, stellte sich heraus, dass der Überblick über die Finanzströme im Haushaltsreferat des Ressorts komplett verloren gegangen war.

Wer auf Besserung hoffte, sah sich getäuscht. Die jüngsten Absurditäten liegen erst wenige Wochen zurück. So musste das Haus von Senatorin Aulepp im Juni eingestehen, dass die Ausgaben für die Energieversorgung der Schulen im Mai bereits den Gesamtanschlag für 2024 überschritten hatten. 5,9 Millionen Euro waren vorgesehen, 8,3 Millionen schon verheizt. Offenbar hatten die „Fachleute“ der Bildungsbehörde die günstigen Auswirkungen des Klimawandels überschätzt. Verglichen mit solchem Irrwitz, gerät es fast schon zur Nebensache, dass Aulepps Leute in diesem Jahr schon zweimal Geld ausgegeben haben, das vom Haushalts- und Finanzausschuss der Bürgerschaft noch gar nicht bewilligt war, unter anderem für die ­Sanierung einer Grundschule.

Nun also die Haushaltssperre. Die Begründung, die Sascha Aulepp in ihrem Rundschreiben dafür liefert, überzeugt nicht. Die Zahl der Kinder, die mit Schul- und Kitaplätzen versorgt werden müssen, liege „über den Erwartungen“, außerdem hätten viele von ihnen „zusätzliche Unterstützungsbedarfe“. Das ist nun wirklich nichts Neues. Steigende Schülerzahlen und eine Zunahme der Kinder mit Sprachdefiziten und Entwicklungsstörungen sind eine Konstante der vergangenen Jahre. Jede seriöse Etatplanung muss sie auf der Ausgabenseite abbilden. Wenn man als verantwortliche Senatorin fünf Wochen nach einem Haushaltsbeschluss der Bürgerschaft keine bessere Erklärung für die drohende Überschreitung des Ressortbudgets geben kann, ist man möglicherweise der Aufgabe nicht gewachsen.

Festzuhalten ist in jedem Fall: Die Annahmen, auf denen der Bremer Haushalt 2024 gründet, sind sehr früh Makulatur. Das Zahlenwerk zerbröselt. Und das, obwohl über Notlagenbeschlüsse des Parlaments viel geliehenes Geld in den Etat gepumpt wurde. Krise sei das neue Normal, sagte kürzlich der SPD-Haushaltspolitiker Arno Gottschalk. Aber die Bürger dürfen zumindest erwarten, dass die Krise professionell gemanagt wird. Und danach sieht es gerade nicht aus, wenn man die Finanzpolitik des Senats betrachtet. Manches hat eher stümperhafte Züge. Der Bürgermeister steht da in der Gesamtverantwortung. Andreas Bovenschulte muss zusehen, dass sich der Eindruck des ­Dilettantismus nicht verfestigt.

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