Axel Schönert war sorglos an diesem Freitagabend. "Wir waren unterwegs, guckten uns die Stadt an, die Kneipenmeile an der Weser und das Rathaus", erzählt der 62-Jährige. Ein entspannter Besuch zusammen mit seiner Frau in der Hansestadt, bis ihn in der Knochenhauerstraße plötzlich ein Mann von hinten ansprang.
"Ich dachte zuerst, das ist ein etwas rabiater Scherz eines Bekannten oder so", erinnert er sich. Doch schnell wurde ihm klar, dass es da jemand auf seine Armbanduhr abgesehen hat, nach der sehr gezielt gegriffen wurde. Weil ihm von einem zweiten Mann zusätzlich Pfefferspray ins Gesicht gesprüht wurde, ist der Vorfall juristisch als schwerer Raub zu bewerten. Je nach genauem Tathergang sieht das Strafgesetzbuch dafür mindestens drei Jahre Gefängnis vor, auch höhere Freiheitsstrafen sind möglich. Bislang ist der Täter flüchtig, die Polizei ermittelt.
Die Dimension des Verbrechens wurde Schönert erst im Nachhinein klar. "Das ging alles recht schnell", sagt er. Dem Täter gelang es trotz Schönerts Abwehr, den Verschluss der Uhr zu öffnen und zusammen mit seinem Komplizen durch eine Ladenpassage in Richtung Wall zu flüchten. Schönert musste sich kurz berappeln und verfolgte die Täter dann. "Dahinter war so ein kleiner Park und da liefen die zwei in unterschiedliche Richtungen davon." Er gab die Verfolgung auf, als ein Täter erneut zum Pfefferspray griff. Ihm blieb nur noch der Gang zur Polizei, um den Überfall anzuzeigen.
Die Gefühle des 62-Jährigen schwanken Tage nach der Tat zwischen vollkommener Überraschung und Ärger über sich selbst. Denn in seinem Selbstbild ist der sportliche Architekt kein Opfer. "Ich bin schon viel herumgekommen, aber so etwas am helllichten Tag ist mir noch nirgendwo passiert." Seit 30 Jahren lebt der gebürtige Karlsruher in Paris, hat dort ein Architekturbüro gegründet. Davor hat er in Chicago und New York gearbeitet - Städte, in denen Kriminalität auch kein unbekanntes Phänomen ist.
Darum der Ärger: Schönert war im T-Shirt wie ein argloser Tourist unterwegs, die wertvolle Rolex am Handgelenk gut sichtbar. "Das würde ich in Paris in der Metro natürlich nie machen." Dass der Angreifer sich gar nicht erst mit Drohungen aufhielt, sondern sofort handgreiflich wurde, ist der Grund für Schönerts Überraschung. "Mit solcher Gewalt mitten in der Stadt rechnet man einfach nicht."
Weiterreichende gesundheitliche Folgen habe der Raub bei ihm bislang nicht hinterlassen, sagt er. "Ich bin wohl eher ein robuster Typ." Auch, dass er die Täter ohne langes Nachdenken erst einmal direkt verfolgte, ist wohl diesem Umstand geschuldet. "Im Nachhinein denkt man natürlich: Wie bescheuert! Die hätten ja auch noch richtig zuschlagen können und andere Waffen haben können als Pfefferspray."
Der Täter muss sich immer alle Folgen zurechnen lassen.
Seine Frau als Zeugin des Geschehens hatte Schönert zufolge etwas länger mit den Folgen zu kämpfen. "Die war in den Tagen danach schon nervöser und hatte Angst, Schmuck anzulegen. Nicht mal ihre geliebten Ringe wollte sie tragen."
Juristisch muss sich der Täter immer alle Folgen seiner Tat zurechnen lassen, auch die unbeabsichtigten und psychischen Folgen. Sollte jemand durch ein Gewaltverbrechen etwa dauerhaft traumatisiert sein, würde sich das in einem höheren Strafrahmen bemerkbar machen. Steckt ein Opfer hingegen die Tat gut weg, hat auch der Täter Glück gehabt, weil sein Handeln offenbar geringere Folgen hat. Das ist das Risiko des Täters: Er weiß im Voraus nicht, an wen er gerät und wie schwerwiegend sich seine Tat im Einzelfall auswirken kann.
Schönert hofft auf die Bremer Polizei, zumal am gleichen Abend in unmittelbarer Nähe am Wall noch ein weiterer Überfall mit ähnlichem Muster geschah. Auch dabei wurde eine teure Armbanduhr mit Gewalt vom Handgelenk geklaut, doch diesmal mussten die Opfer ins Krankenhaus, zudem wurden mehrere Autos beschädigt (wir berichteten).
Ob beide Raubüberfälle tatsächlich auf die gleichen Täter zurückgehen, will die Polizei nicht ausschließen. "Die Ermittlungen dauern an", heißt es auf Nachfrage. Und das an dem besagten Wochenende des letzten Bundesligaspieltags in Bremen insgesamt viel los war. "Wir mussten alleine von Freitag bis Samstagmorgen zu 569 Einsätzen in Bremen ausrücken", sagt Sprecher Nils Matthiesen.
Das letzte Heimspiel von Werder Bremen in der abgelaufenen Saison war überhaupt der Grund für Schönerts Besuch in Bremen. "Mein Sohn macht dort gerade ein Praktikum in der Finanzabteilung, wir waren eingeladen." Dass sein erster Bremen-Aufenthalt direkt am Abend vor dem Spiel so verhagelt wurde, will er der Stadt aber nicht negativ anrechnen. "Das war sonst alles sehr nett hier, vom Hotel über die Gaststätten bis zur Polizei, überall wurden wir sehr aufmerksam behandelt." Seine Frau habe noch gescherzt, die Bedienungen seien hier jedenfalls überall netter als in Paris.