Die Population der Schweinswale geht seit Jahren zurück - auch in der Ostsee. Oft verenden die Wale als Beifang in Fischernetzen. Die Organisation Sea Shepherd mit Hauptsitz in Vegesack will das verhindern: eine Fotoreportage.
Tierschützer auf der Ostsee So setzt sich Sea Shepherd für Schweinswale ein
Die Population der Schweinswale geht seit Jahren zurück - auch in der Ostsee. Oft verenden die Wale als Beifang in Fischernetzen. Die Organisation Sea Shepherd will das verhindern: eine Fotoreportage.
Das Wasser ist an diesem Vormittag ruhig, kaum Wellengang. Zwei reglose Frachter scheinen am Horizont entlang zu schleichen. Die Seeluft säuselt um die Ohren, und aus dem Maschinenraum tönt ein gleichmäßiges Surren. Auf einmal ist es still, Borris hat die Motoren ausgeschaltet und deutet wortlos in die Ferne.

Inmitten der glänzenden Wolkenspiegelung taucht eine Schweinswalfamilie auf, zwei junge und drei ausgewachsene Tiere. Fast lautlos gleiten ihre schwarzen, glatten Rücken durch das tiefe Blau. Ab und zu ein leises Pusten. Ein seltener Anblick in den Meeren oberhalb Deutschlands. Denn die Population der scheuen Meeressäuger geht seit Jahren drastisch zurück. Oft tragen angeschwemmte Tiere Spuren auf der Haut, die darauf hindeuten, dass sie in einem Stellnetz verendet sind. Natürliche Fressfeinde hat der bis zu 1,80 Meter große Wal hier nämlich nicht.

Für den effektiven Erhalt der vom Aussterben bedrohten Lebewesen hat die internationale Meeresschutzorganisation Sea Shepherd im vergangenen Sommer die Kampagne „Baltic Sea“ ins Leben gerufen. 69 Freiwillige aus verschiedenen Teilen Deutschlands, Luxemburgs, Österreichs, der Schweiz, der Slowakei und Australiens waren mehr als drei Monate an verschiedenen Ostseeorten stationiert. Das jeweils bis zu 15-köpfige Team lebte an Land in Wohnwagen. Die Helfer lösten sich gegenseitig ab. Bereits zu Beginn des Jahres hatte Sea Shepherd für die Mission das Schiff gekauft und restauriert: ein ehemaliger Hochseeangler, günstig erworben über Ebay-Kleinanzeigen. In Bremen haben die Freiwilligen es abgeschliffen, gesandstrahlt, neu gestrichen und mit Küche, Toilette und Schlafkabinen ausgestattet. Alles im Miniformat, versteht sich. Die gesamte Kampagne ist nach Angaben von Sea Shepherd ausschließlich mit Spenden finanziert, der größte Sponsor unter ihnen Dr. Bronner‘s Naturseifen, außerdem viele Privatpersonen. Nach Bronner ist dann auch das Schiff benannt.

Anfang Juli geht es dann los: Vom deutschen Hauptsitz der Organisation Sea Shepherd in Vegesack fährt die „Emanuel Bronner“ nach Rügen, und dann weiter nach Fehmarn. Dabei ist äußerste Disziplin angesagt: Jeden Morgen geht es um sieben Uhr aus den Federn – oder eher den Schlafsackdaunen. Dann Frühstück, Packen, Abmarsch. Die Crew teilt sich täglich in zwei Teams auf: Land- und Seeteam.

Die Gruppe auf dem Festland ist für die Patrouille der Strände zuständig. „Vorrangig suchen wir nach Auswertung der Windvorhersage die Abschnitte mit direkter Strömung in Richtung Küste ab“, erzählt Kara, die gemeinsam mit ihrem Mann aus der Schweiz angereist ist. Von einfachem Plastikmüll über Schuhe, Radkappen, Geburtstagsluftballons bis hin zu Opas Gebiss ist hier alles zu finden. Neben der Strandreinigung lassen sich hier auch Gespräche mit den Anwohnern führen, um Schweinswalsichtungen zu dokumentieren und Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Viele wissen nicht einmal, dass der große Tümmler auch in der Ostsee zu Hause ist. Geschweige denn, dass die Art ohne ein Verbot der Stellnetzfischerei, was Sea Shepherd schon lange fordert, massiv bedroht ist. Allein an der deutschen Ostseeküste zählt der Verein jährlich rund 130 Totfunde. Viermal entdecken die auch Meereshirten genannten Helfer wieder welche.

Währenddessen konzentriert sich die Besatzung der „Emanuel Bronner“ gezielt auf die tödlichen Hindernisse. „Wir fahren an den Netzen entlang und schauen uns mithilfe von 3D-Sonar an, ob etwas Großes darin hängt“, sagt Borris Plautz, der die komplette Kampagne über Kapitän der „Emanuel Bronner“ sein wird. Ist das Netz sauber und nach Vorschrift markiert, ist alles in Ordnung. Doch zwischen die angemeldeten Netze der ortsansässigen Fischer mogeln sich Unbekannte. Der Küstenwache ist bekannt, dass vermutlich dänische Fischer an der deutschen Küste illegale Stellnetze ausbringen. Sie seien mit Milchflaschen aus Plastik gekennzeichnet, statt ordnungsgemäß mit roten Fähnchen. In diesem Fall entfernen sie das Netz, berichten die Beamten.

Wenn sich alle abends wieder im Camp treffen, kochen sie vegan, essen zusammen und sprechen über die Erlebnisse des Tages. Anschließend geben die Teamleiter im Meeting die Pläne für den nächsten Tag bekannt. Und endlich dürfen alle nach einem anstrengenden Tag in ihre Betten fallen. Denn Seeluft macht ja hundemüde.

Als Informationsplattform dient der Bremer Meeresschützertag, auf dem die geplante Kampagne vorgestellt wird.

Großer Andrang im Hörsaal der Uni Bremen und Standing Ovations für die erfolgreichen Kampagnen des vergangenen Jahres.

Betroffen bringt die Crew einen toten Wal in den Hafen. Obwohl die Lebenserwartung bei 20 Jahren liegt, wurde dieser nur drei.

Surf- und Tauchschulen liefern wichtige Informationen über den Bestand der bedrohten Tiere.

Die "Emanuel Bronner" muss zur Reparatur aus dem Hafenbecken. Sie ist das zehnte Schiff der Shepherdflotte.