Die Zentrale Notaufnahme des Nordbremer Klinikums war in den vergangenen Jahren immer wieder Baustelle. Jetzt sind die nächsten Handwerker-Kolonnen abgerückt. Diesmal haben sie einen Bereich neu gestaltet, der wichtiger für die Behandlung von akuten Fällen ist als jeder andere: der sogenannte Schockraum. Dort werden schwer verletzte und traumatisierte Patienten erstversorgt. Der Umbau ist für das Team so etwas wie ein Meilenstein in einer Reihe von Veränderungen – aber nicht der letzte.
Sie stehen zu fünft um die Behandlungsliege: vier Mediziner, eine Pflegekraft. Sie wollen demonstrieren, wie der Schockraum funktioniert. Und erläutern, warum der alte gut, aber der neue besser ist. Vieles ist ausgetauscht worden – das Deckenlicht, der Fußboden, das medizinische Equipment. Frank Wösten sagt, dass der Raum jetzt heller und das Inventar klarer angeordnet ist als vorher. Der Chef der Notaufnahme und ärztliche Direktor zeigt auf Schränke, die Türen aus Glas haben, damit man sehen kann, was wo liegt: hier das Verbandszeug für Verbrennungen, dort die Hohlnadeln für die Lumbalpunktion, bei der Nervenwasser entnommen wird.
Andere Schranktüren zeigen an, was hinter ihnen ist. Sie sind beschriftet. Genauso wie der Boden. Er sieht so ähnlich aus, wie der in einem Fernsehstudio: Es gibt mehrere Markierungen, die kenntlich machen, wer wo in Position zu gehen hat, wenn der Schwerverletzte gebracht wird: der Anästhesist, die Pflegekräfte, die Ärzte der Allgemeinchirurgie. Acht farbige Kreise gibt es. Auf einem steht: "Teamleader". Er hat das Sagen. Haben die Einsatzkräfte des Rettungswagens den Schockraum verlassen, hört jeder nur noch auf ihn. Monitoring, Anamnese, Behandlung – alles soll so ablaufen wie bei einer genau einstudierten Choreografie.
An der Wand hängen Bildschirme und ein Board, auf dem die Teamleitung abhakt, was von den Pflegekräften und Medizinern gerade unternommen wurde, um einem Notfallpatienten zu helfen. Die einzelnen Schritte folgen dem Schockraum-ABC, das auf Englisch aufgelistet ist. Das A steht für Airway – für die Kontrolle der Atemwege. Das B für Breathing und damit für den Atmungscheck. Das C für Circulation und die Überprüfung der Kreislauffunktion. Es gibt noch mehr Buchstaben und Tabellen auf dem Board, die entweder mit einem Häkchen versehen oder ausgefüllt werden. Und ein Schaubild, das die Umrisse eines Körpers zeigt, auf dem der Leader die Verletzungen einzeichnet.
Dass alles akribisch dokumentiert und genau vorgegeben wird, was wann passiert und wer wo beim Patienten steht, kommt nicht von ungefähr. Nach Wöstens Worten sind klare Strukturen wichtig, weil sie dem Team mehr Sicherheit geben. Und mehr Sicherheit, meint er, schafft wiederum mehr Tempo bei der Behandlung von Schwerverletzten, bei denen jede Minute zählt. Wösten sagt, froh darüber zu sein, dass der Schockraum modernisiert wurde. Im Bremer Norden werden nämlich mehr Notfälle versorgt als in anderen Häusern des Klinikverbundes Gesundheit Nord. Nur im Krankenhaus Mitte ist das Aufkommen an schwer verletzten und traumatisierten Patienten noch größer.
Welche Rolle das Klinikum an der Hammersbecker Straße bei der Notfallversorgung spielt, zeigt die Zahl der Schockräume. Es hat zwei und damit mehr als benachbarte Häuser. Wösten spricht von einer Reserve und davon, dass nur in Ausnahmefällen beide belegt werden. Ihm zufolge wird immer versucht, Schwerverletzte auf mehrere Krankenhäuser zu verteilen, um die Notaufnahmen nicht zu überlasten. In die Nordbremer Notaufnahme kommen pro Jahr 30.000 Menschen, davon müssen 500 im Schockraum versorgt werden. Sein Umbau hat 40.000 Euro gekostet – eine Summe, die vergleichsweise gering ist, wenn man die Ausgaben der vorangegangenen Veränderungen in der Notaufnahme addiert.
Seit 2016 hat das Klinikum den Wartebereich neu aufgeteilt, die Anlaufstelle der Kassenärztlichen Vereinigung integriert, einen Computer-Tomografen angeschafft und die Zahl der Behandlungsplätze erhöht. Macht eine Investitionssumme von 1,16 Millionen Euro. Ginge es nach Wösten, kämen demnächst noch ganz andere Beträge dazu. Er hofft, dass nach den Umbauten im Bestand weitere und grundlegendere folgen. In einem 52-seitigen Konzept hat er dargestellt, wie er sich die Notaufnahme in Zukunft vorstellt. Der Chefmediziner will vor allem Wege noch kürzer machen, was einen Komplettumbau bedeuten würde. Und Kosten in Höhe von mehreren Millionen.