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Fotoreportage Ein letzer Gang durch den Block sechs

Am 7. Juli soll der Block sechs des Kohlekraftwerks am Hafen endültig abgestellt werden. Schon seit 2019 ist das Kohlekraftwerk nur noch auf Standby. Ein letzer Gang durch die Hallen.
04.07.2021, 05:00 Uhr
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Ein letzer Gang durch den Block sechs
Von Frieda Ahrens

Dass Fußball-Europameisterschaft ist, merken die Mitarbeiter eines Kraftwerks ganz ohne im Fußballfieber zu sein. Sie merken es an den Stromschwankungen. Nicht – wie alle denken – wegen der ganzen angeschalteten Fernseher. Sondern weil in der Halbzeitpause halb Deutschland kollektiv zum Kühlschrank oder auf die Toilette läuft. Die Skaleneffekte, die generiert werden, seien enorm, sagt Friedhelm Behrens, Pressesprecher der SWB. „Es gibt eine Leitwarte in Bremen, die sich nur um die Netzwerkstabilität kümmert, die rufen in solchen Fällen bei den Kraftwerken an und sagen, fahrt eure Leistung eben schnell hoch.“

Dieses Jahr ruft die Leitwarte aber nicht mehr beim Kohlekraftwerk im Hafen an – die Maschinen stehen schon seit 2019 still, sie waren zuletzt quasi auf Standby gestellt. In wenigen Tagen geht Block sechs des Kraftwerks endgültig vom Netz. 1979 war es in Betrieb gegangen. Block fünf ruht bereits seit 2014, nun folgt am kommenden Mittwoch der letzte Block. Das Aus fürs gesamte Kraftwerk.

„Es hat sich nicht mehr rentiert, weil große Braunkohleblöcke deutlich günstiger ihren Strom anbieten können“, sagt Behrens. Grob gerechnet haben insgesamt etwa 750 Schiffe aus aller Welt den Block sechs versorgt. Mit diesen Kohlenmengen hat der Block jährlich den durchschnittlichen Stromverbrauch für 640.000 Haushalte gedeckt.

Zuletzt waren noch 98 Mitarbeiter im Kraftwerk im Hafen beschäftigt. 90 von ihnen bleiben bei der SWB. Entweder am Kraftwerkstandort selbst oder nach einer Weiterbildung in anderen Gesellschaften. „Im Grunde bleibt ein Elektriker weiterhin Elektriker, er musste sich nur ein wenig spezialisieren“, erklärt Peter Flegel, Leiter der Elektro- und Leittechnik. Er ist seit 1981 beim Block sechs und bleibt auch. Denn auf dem Gelände braucht die SWB weiterhin Leute. „Nur weil ein Kraftwerk still steht, heißt es ja nicht, dass hier dann alle Arbeit getan ist“, sagt Sven Langner, Leiter der Betriebssicherheit. Das Gebäude stehe trotzdem weiterhin und das sogar mit dem höchsten Punkt in ganz Bremen: Der Schornstein mit 248 Metern schlägt den Fernsehturm. Bis wirklich alles still stehe, dauere es noch ein Jahr. Außerdem bleibe auch die Müllverbrennung.

Auch Langner arbeitet schon seit 1988 an diesem Standort. Sowohl Flegel als auch er haben im Schichtdienst angefangen. Am Anfang stand Langner am Band, dort, wo die Kohle mit großen Containerschiffen ankam. So groß wie Grillbriketts, hat sich die Steinkohle in schwarzen Haufen meterhoch auf einem Platz hinter dem Kraftwerk getürmt. Nun ist der Platz leer, es wächst sogar schon etwas Grün durch die schwarze Erde. „Hätte ich auch nie gedacht, dass ich den Platz mal so leer sehe“, sagt Langner.

Von dem Platz aus transportierten Förderbänder die Kohle ins Kesselhaus, zu den Kohlemühlen. In jeder Mühle sind drei Mühlpendel, die die Kohle zu Staub zerrieben, so fein wie Mehl. Ein Gebläse pustete diese zusammen mit Verbrennungsluft in den Feuerungskessel, wo sie ein Raub der Flammen wurden. Am Rand des Kessels sind Rohre, die vorgewärmtes Wasser mit mehr als 300 Grad enthielten – das wegen des hohen Drucks auch bei der Temperatur noch flüssig war. Während das Wasser durch die heiße Kesselwand nach oben stieg, wurde es in den Rohren dann doch zu Dampf und strömte schließlich mit 535 Grad und einem Druck von 230 Bar in die Turbine. Ein normaler Autoreifen hat etwa zwei Bar. Dadurch kamen die Schaufeln in der Turbine zu einer Drehbewegung, die Welle der Turbine drehte sich und trieb einen Stromgenerator an. Danach half Weserwasser dabei, den Dampf wieder zu kühlen, und der Wasserkreislauf fing wieder von vorne an. Drei Anlagen reinigten den Rauch der verbrannten Kohlenstaubluft von Schadstoffen, bevor diese in die Atmosphäre ging. Allerdings habe der Block sechs fast eineinhalb Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in die Luft geblasen.

Zwar ist der Betrieb seit einiger Zeit eingestellt, das Kraftwerk musste aber auch in den letzten Tagen betriebsbereit sein. Dass es kurz vor dem Ende noch mal hochgefahren wird, sei aber sehr unwahrscheinlich. „Dafür müssten schon sehr viele Kraftwerke in Norddeutschland auf einmal ausfallen“, sagt Behrens. Und Mittwoch ist dann Schluss. Für immer.

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