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Fotoreportage Barber Angels Brotherhood im ehrenamtlichen Einsatz für die Haare

Barber Angels Brotherhood – ein Name, der in die Irre führen könnte. Doch dieser Verein von Friseurinnen und Friseuren hat nur Gutes im Sinn. Sie schneiden Bedürftigen kostenlos die Haare.
16.06.2024, 05:00 Uhr
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Von Andreas Briese

Scherenklappern, das Schnarren einer Rasiermaschine: Die ersten Gäste haben auf den sieben Stühlen im Nebenraum der Christuskirche in Vegesack vor den Barber Angels Platz genommen. Einige Gäste haben ihre Habseligkeiten unter den Stuhl gelegt, halten die wichtigsten Sachen auf dem Schoß oder haben ihr Hab und Gut an die Wand gelehnt und behalten es stets im Auge.

2016 haben Friseurinnen und Friseure im süddeutschen Biberach die Barber Angels Brotherhood gegründet. Sie bieten in Zusammenarbeit mit karitativen Organisationen kostenlose Friseurdienste für Bedürftige an. Inzwischen sind sie in Österreich, der Schweiz, Spanien, den Niederlanden und Norwegen vertreten. Die Organisation und die Kleidung erinnern an Rocker. Dies soll den Einstieg ins Gespräch erleichtern und den Wiedererkennungseffekt steigern. So tragen Vollmitglieder eine Lederkutte mit Emblem und Aufnähern, wie die Goldmedaille des „Grand Prix Humanitaire de France“, die ihnen 2019 verliehen wurde. Zenturionen leiten die regionalen Einheiten, Chapter genannt, und managen die Veranstaltungen. Gesellen ab dem zweiten Jahr können bei den Aktionen als Gastengel mitmachen – wenn es passt, können sie eine Mitgliedschaft beantragen.

Concettina Magdalena Michaelis hat das Bremer Chapter 2018 gegründet und fährt seitdem mit anderen Ehrenamtlichen regelmäßig zu Mittagstischen und Suppenküchen in Bremen, wo deren Organisatoren Listen mit Menschen zusammengestellt haben, die sich dringend einen Haarschnitt wünschen, sich diesen aber nicht leisten können. Den Gästen die Würde wiedergeben, nennt es Concettina.

An diesem Sonntag hat sie ihre Kutte angelegt und mit ihrem Mann den Anhänger mit ihrem Handwerkszeug beladen.
„53 Gäste waren angemeldet, 50 sind da“, meldet Manny, der mit Birgit in Vegesack den Zutritt managt. Fließendes Wasser, Föhnhauben oder Wandspiegel gibt es in dem Raum nicht. Nadine, Jessy, Gastengel Inna, Kirsten, Ingo, Svetlana und Concettina – sie sind aus dem ganzen Norden nach Bremen gekommen – gehen sorgfältig ihrem Handwerk nach. Am Anfang ist es leise im Raum. Als die ersten Handspiegel vorgehalten werden, wird es lebhafter. Eben noch niedergeschlagene Augen leuchten auf, es wird gelacht und ab und zu fließt eine Träne.

„Brauchst du noch etwas? Shampoo, Creme, eine Lesebrille?“, fragt Kirsten ihren Gast, eine zerbrechlich wirkende, schmale Frau, deren Haare jetzt in einem Pagenschnitt frisiert sind. Kirsten tritt an einen Tisch, auf dem Sachspenden mit Sanitärartikeln aufgereiht sind und überredet die Frau, etwas mitzunehmen. Auch ein Notfallset in rotem Etui gibt es – exklusiv für Wohnungslose. Die Frau schaut hoch, drückt Kirsten kurz, sucht ihre Sachen zusammen und geht aus dem Raum. „Sie hat mich eben zum ersten Mal direkt angesehen“, sagt Kirsten. „Und darum mache ich das.“

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