Ein schweres Rumpeln lässt das Gebälk im Kirchturm erzittern. Das Holz des Glockenstuhls fängt an zu knarzen. Ein, zwei Sekunden später der erste Schlag: ein dröhnender Gong. Dann noch einer und noch einer, bis das tiefe Dong-Dong, das klassische Kirchengeläut, weit über Bremen-Nord zu hören ist.
Auf dem Friedhof der Kirchengemeinde St. Martini in Bremen-Lesum findet gerade eine Beerdigung statt, klärt Klaus Schnitger auf. Er muss es wissen: Der 62-Jährige ist Küster der Gemeinde, das Glockengeläut fällt in seinen Aufgabenbereich. An den Seilen ziehen muss er freilich nicht mehr. Die Glocken werden heute digital gesteuert und automatisch oder individuell per Fernsteuerung in Gang gesetzt.
Das Amt des Küsters ist uralt. Schon im Alten Testament findet es Erwähnung. Als „geistlichen Hausmeister“ übersetzen es einige. „Ein schöner Ausdruck“, sagt Schnitger schmunzelnd. „Ich sage immer, ich bin die rechte Hand des Pastors.“
Die Glocken läuten und die Kirche für die Gemeinde aufschließen – das waren die Kernaufgaben des Küsters. Doch natürlich gehört noch viel mehr dazu. Schnitger, freundlicher Blick, kurze, graue Haare, Jeans und Fleecejacke, zählt auf: Er bereitet die Gottesdienste vor, stellt dafür den Taufkelch und das Abendmahlgeschirr bereit, legt das zum Kirchenjahr passende Tischtuch auf, beschneidet die Kerzen, legt die Gesangbücher aus und die Mikrofone bereit, stellt die Kollekte an ihren Platz. Im Gemeindehaus bereitet er die Säle für Veranstaltungen vor, stellt Kaffee und andere Getränke bereit, unterstützt die Ehrenamtlichen. Er sorgt dafür, dass die Außenanlagen in Schuss sind, schaut bei der sogenannten kleinen Baupflege nach Schäden an den Gebäuden, wechselt kaputte Lampen aus, koordiniert den Einsatz von Handwerkern. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Küster ist kein Ausbildungsberuf. Eine handwerkliche Ausbildung ist für angehende Küster von Vorteil. Schnitger selbst war früher Dachdecker. Nachdem er 2011 in der Lesumer Kirche geheiratet hatte, engagierte er sich zunächst ehrenamtlich in der Gemeinde, was er heute immer noch tut. 2017 wurde dann die Stelle frei, Schnitger wurde Küster. Für ihn verbinde sich damit „Leidenschaft und Beruf“, sagt er. Das glaubt man sofort, wenn er über die Geschichte der Kirche spricht, davon, dass sie 1235 das erste Mal erwähnt wurde und ihr Turm mit rund 1000 Jahren das älteste Gebäude in Bremen-Nord sei. Oben auf einem Hügel steht das Gotteshaus, der Blick geht weit. Klaus Schnitger sitzt auf einer Bank, schaut in die Ferne und strahlt: „Bei gutem Wetter“, sagt er, „kann man von hier bis zum Bremer Dom gucken.“