Großbritannien verlässt die EU
Was Briten in Bremen über den Brexit denken
In der Nacht zu Samstag tritt Großbritannien aus der EU aus. Was Briten und Bremer verbindet und was Briten in Bremen über den Brexit denken, sehen Sie in dieser Bildergalerie.
Cricket gilt noch heute als eine der typischen englischen Sportarten. In Bremen fand der Sport allerdings erst 1978 eine Heimat, als der Pakistaner und Spieler Yawar Hussain in Findorff den „Bremer Cricket Club“ gründete, der noch heute im Vereinsregister zu finden ist. Aktiv wird Cricket in Bremen heute nur bei der SG Findorff betrieben. 2013 gründete Nisar Tahir (siehe Bild), geboren in Pakistan, ein Team, um ihren zwei Töchtern den Nationalsport ihrer Heimat nahezubringen. Die Mannschaft wuchs schnell auf über 50 Sportler und brachte es zu beachtlichem Erfolg. 2015 wurde die SG Findorff Norddeutscher Cricket-Meister, ein Jahr später Meister in der Cricket-Bundesliga, 2018 Deutscher Vereinsmeister und spielte in der European Cricket League.
Christina Kuhaupt
Auf dem Klapprad
Die Briten William Grout und Alex Moulton wären stolz, würden sie sehen, was einmal im Jahr an den Bremer Wallanlagen passiert. Grout gilt als einer der Pioniere des Fahrrades. Genauer: des Faltrades. Moulton ist Erfinder des Moulton Stowaway, ein legendäres Klapprad aus den 1960er-Jahren. Ihnen zu Ehren wird einmal im Jahr die German Folding Bike Open veranstaltet, die Deutsche Meisterschaft im Klappradfahren. Rund 100 Starter wagen sich dann mit alten und neuen Falträdern auf die 2,4 Kilometer lange Rennstrecke. Auf und an ihr geht es britisch zu: mit Dutzenden Flaggen und englischen Delikatessen wie Fish and Chips, Beef Wellington, Pies und Scones. Die nächsten Folding Bike Open finden am 21. Juni statt.
Christina Kuhaupt
Werders Brite
Mit englischen Fußballern hatte Werder Bremen wenig Glück. 1979 wechselte Dave Watson (Mitte) an die Weser, um Werder im Abstiegskampf als Libero zu helfen. Doch Watson brachte es nur auf zwei Bundesligaspiele. Schon am zweiten Spieltag wurde der damalige englische Nationalspieler im Spiel bei 1860 München nach 35 Minuten vom Platz gestellt. Der DFB sperrte Watson anschließend für sein hartes Foul für acht Wochen. Als Watson nach Ablauf der Sperre beim Spiel gegen Schalke 04 im Oktober 1979 wieder eingesetzt werden sollte, weigerte er sich und spielte fortan nie wieder für die Bremer. Der Vertrag wurde in der Winterpause aufgelöst, Watson wechselte zurück auf die Insel zum FC Southhampton.
Jochen Stoss
Drama-King
Auch in der Hansestadt Bremen gibt es die Residenz eines Königs: In der Neustadt, genauer gesagt am Leibnizplatz. Dort ist William Shakespeare zu Hause, ein Monarch der Wörter und ein wahrer Herrscher über allerlei Volk, das sich in seinen Tragödien und Komödien tummelt. Die nach ihm benannte Bremer Shakespeare Company wurde 1984 von drei Schauspielern und vier Schauspielerinnen als selbstverwaltetes Theater gegründet. Mit den Werken ihres Namenspatrons befasst sich die Company intensiv, aber nicht ausschließlich. Sie bereichert das Theaterleben der Stadt auch durch ihre Nähe zur ästhetischen Tradition der Shakespeare-Zeit und durch eine Wiederbelebung der damaligen Aufführungspraxis: Immer nah dran am Publikum, lautet die Devise.
Melissa Rosalind White
Enge Beziehungen
Seit mehr als 265 Jahren pflegen Bremer und Briten eine besondere Beziehung: Am 1. Oktober 1754 entsendete der Inselstaat erstmals einen Honorarkonsul in die Hansestadt, um die Beziehungen zu stärken. Erst die Weltkriege des 20. Jahrhunderts trieben einen Keil zwischen das deutsch-britischen Bündnis. Die britische Luftwaffe „RAF“ war an einem Großteil der Luftangriffe auf Bremen während des Zweiten Weltkrieges beteiligt; britische Soldaten beendeten zusammen mit kanadischen Truppen am 27. April 1945 die Herrschaft der Nationalsozialisten in Bremen. Seitdem stehen Großbritannien und Bremen wieder eng zusammen. Der aktuelle Honorarkonsul, Hans-Christoph Enge (siehe Foto), der seit 2001 das Vereinigte Königreich und Nordirland in Bremen vertritt, baut auch nach dem Brexit auf gute Zusammenarbeit.
Christina Kuhaupt
It’s Tea Time
Einigkeit dürfte zwischen Großbritannien und Norddeutschland herrschen, wenn es darum geht, was in die Tasse kommt. Die Tea Time gilt als Ausdruck britischer Lebensart und Exportschlager. Auch in Bremen können Teefreunde auf ihre Kosten kommen. So bietet das Park Hotel täglich eine traditionelle Tea Time an, mit englischen Köstlichkeiten und Gebäck. Dass der Tee überhaupt nach Deutschland kommt, dafür sorgen zahlreiche Handelshäuser in Bremen – teils schon seit mehr als 100 Jahren importieren sie ihn aus Afrika und Asien. Die beste Kundschaft liegt quasi auch direkt vor der Haustür: Mit jährlich 300 Litern pro Kopf wird nirgendwo in Europa mehr Tee getrunken als in Ostfriesland. Selbst Großbritannien kommt gerade einmal auf 185 Liter.
Jonas Völpel
Was Briten in Bremen über den Austritt denken
„Ich bin genau am Tag des Brexit-Referendums nach Bremen übergesiedelt. Ich war über das Ergebnis sehr enttäuscht. Persönlich könnte in Zukunft mehr Bürokratie auf mich zukommen, zumal meine Frau aus Singapur stammt. Ich könnte mir auf lange Sicht darum eine deutsche Staatsbürgerschaft vorstellen. Aber ich mach mir auch keine Sorgen um die Zukunft. Das wird schon funktionieren."
Andrew Stock, seit 2016 in Bremen
Andrew Stock
„Ich musste jetzt tatsächlich meinen britischen Führerschein umschreiben lassen, sonst hätte ich wieder eine Fahrprüfung machen müssen. Wenn die Übergangsregelungen nicht mehr gelten, muss ich wohl sogar meine alte Arbeitserlaubnis von vor 20 Jahren erneuern. Das ist alles sehr lächerlich."
Mark Roughsedge, seit 2001 in Bremen
Roughsedge
„In Großbritannien ist immer die Rede vom Brexit-Bonus, wenn es um die Vorteile des Austritts geht. Mein Brexit-Bonus ist die deutsche Staatsangehörigkeit. Der EU-Pass erspart mir jetzt einfach ein Haufen Bürokratie. Der ganze Brexit ist frustrierend und einfach nur ein Rückschritt."
John Orr, seit 2012 in Bremen
Orr
„Es ist eine Lose-Lose-Situation, bei der es überhaupt keine Gewinner gibt. Ich konnte beim Referendum 2016 nicht mitstimmen, weil ich da schon zu lange nicht mehr in Großbritannien lebte und hier durfte ich als britischer Staatsbürger nie wählen. Da habe ich mich schließlich zur Einbürgerung in Deutschland entschlossen."
Jeremy Hookway, seit 1996 in Bremen
Frank Thomas Koch
„Es wirkt ein bisschen so, als ob ein guter Freund die Freundschaft aufgekündigt hätte.“
Tim Lee, Shakespeare-Company
Shakespeare-Company
„Die britischen Medien haben nicht einmal versucht, ausgewogen zu berichten.“
Der Weg für den Brexit ist endgültig frei. In der Nacht zum Samstag wird Großbritannien nach fast 50 Jahren die Europäische Union verlassen. Der historische Moment am späten Freitagabend (23 Uhr britische Zeit, 24 Uhr MEZ) wird in London mit einem schmalen Programm begangen. Nur eine Lightshow, Union-Jack-Fahnen und eine Rede des Premiers sollen den Schritt begleiten. Nicht einmal das Londoner Wahrzeichen Big Ben wird zum Abschied läuten.
Diese Fotostrecke zeigt, was Briten und Bremer verbindet und was Briten in Bremen über den Brexit denken.