Bremer Firmen beklagen, dass es schwierig ist, Fachkräfte nach Bremen zu locken. Acht Menschen erzählen, weshalb sie in die Hansestadt gekommen sind oder warum sie Bremen wieder verlassen haben.
Debatte um Fachkräfte Was Menschen nach Bremen zieht und was nicht
Bremer Firmen beklagen, dass es schwierig ist, Fachkräfte nach Bremen zu locken. Acht Menschen erzählen, weshalb sie in die Hansestadt gekommen sind oder warum sie Bremen wieder verlassen haben.
Ungenutztes Potenzial
„Ich bin in Bremen geboren, habe aber auf drei verschiedenen Kontinenten gelebt. Nach meinem Doktorat in Biologie an der Universität in Zürich habe ich in Madagaskar, Burkina Faso und Kanada gearbeitet. Heute bin ich von Bremen aus weltweit als Regierungs- und Industrieberaterin in der internationalen Zusammenarbeit tätig und leite in Bremen die Kulturenwerkstatt. Hier vermitteln wir die Gelegenheit, Abenteuer zu erleben, so wie sie in anderen Kulturen stattfinden. Ich habe Bremen für meinen Betrieb ausgewählt, weil eine Hansestadt der Welt gegenüber offen sein sollte. Die Stadtmusikanten können meiner Meinung nach als Symbol der Cross-Kulturalität angesehen werden. Ich denke, dass Bremen und die Bremer ein enormes Potenzial haben, aber es leider wenig nutzen. Vermutlich liegt das daran, dass es die Welt so, wie viele sie sich vorstellen, gar nicht gibt. In der wirklichen Welt könnte Bremen seine Kompetenzen weit besser einsetzen, als es dies heute tut.“
Imme Gerke leitet in Bremen die Kulturenwerkstatt.

Hilfreich bei der Ansiedlung
„Bremen ist der ideale Ort für mein Unternehmen. Ich hatte schon in Athen angefangen, moderne Klappfahrräder zu bauen. Wegen der Krise ist es derzeit aber schwierig, meine beruflichen Träume in Griechenland zu verwirklichen. Deswegen habe ich einen Standort in Nordeuropa gesucht. Ein Freund wohnte damals schon etwas länger in Bremen. Ich hatte ihn ein paar Mal besucht, wusste sonst aber nicht viel über die Stadt. Ausschlaggebend war auch, dass mich die Wirtschaftsförderung bei der Ansiedlung gut unterstützt hat. Mein Vertriebspartner sitzt außerdem in Münster, also ganz in der Nähe. Meiner Familie und mir gefällt es hier sehr gut. Die Stadt ist genau richtig für die Kinder, sie ist nicht so groß wie Hamburg oder Berlin. Man kann überall mit dem Fahrrad hinfahren. Außerdem liegt Bremen sehr zentral, das ist gut für meine Firma. Meine Frau arbeitet derzeit aber noch nicht. Sie kümmert sich um unser jüngstes Kind. Es ist leider nicht einfach, einen Kitaplatz zu bekommen.“
Stathis Stasinopoulos zog mit seiner Firma nach Bremen.

Gemütliches Flair und kurze Wege
„Ein Praktikum hat mich gleich nach dem Übersetzerstudium von Germersheim in Rheinland-Pfalz nach Bremen verschlagen. Ich wollte sechs Monate, maximal ein Jahr, in der Hansestadt bleiben – jetzt bin ich seit mehr als drei Jahren hier. Ich wurde von der Firma nach dem Praktikum übernommen, also bin ich geblieben. Ich arbeite gerade als Qualitätsmanagementbeauftragte und Lektorin. Bremen hat mich überzeugt. Ich komme aus Wrist, einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein. In meinem Leben habe ich schon an vielen Orten gewohnt – vom Dorf bis zur Großstadt. Mir fiel es immer ein wenig schwer, mich irgendwo heimisch zu fühlen. In Bremen war es anders, ich fühlte mich hier sofort wohl. Es herrscht ein gemütliches Flair. Alles ist mit dem Fahrrad schnell erreichbar. Und jede Jahreszeit hat ihre Reize – sei es mit der Breminale oder dem Schlachtezauber. Das Einzige, bei dem ich Verbesserungspotenzial sehe, sind die Fahrradwege. Sie sind oft nicht vorhanden oder zugeparkt.“
Ramona Büscher kam zunächst für ein Praktikum nach Bremen.

Viele grüne Ecken
„Ich bin vor sechs Jahren von Hamburg nach Bremen umgezogen. Das ist für jemanden in meinem Bereich ungewöhnlich, denn ich arbeite mit digitalen Technologien. In Hamburg gibt es natürlich eine höhere Dichte an Firmen in meiner Branche. Aber ich bereue es nicht. Aktuell arbeite ich in einem Unternehmen für Technologie- und Managementberatung. Ich bin damit sehr zufrieden. Eigentlich hat mich die Liebe nach Bremen verschlagen. Meine Freundin – heute meine Ehefrau – wohnte damals schon in Bremen. Sie hatte hier Arbeit, Familie und Freunde. Also beschloss ich, das Risiko einzugehen und die Hansestadt zu wechseln. Und am Ende hat alles wunderbar geklappt. Ich mag die grünen Ecken der Stadt, ihre Geschichte und ihre Bewohner. Zudem finde ich, dass Bremen genau die richtige Größe hat: Es gibt alles, wonach man sucht, aber es ist nicht so anonym. Ich habe im Lauf meines Lebens in vielen verschiedenen Städten gelebt, aber hier fühle mich zu Hause.“
Alper Iseri verschlug die Liebe von Hamburg nach Bremen.

Schlechte Bedingungen
„Ich habe acht Jahre meines Lebens in Bremen verbracht. Von Beruf bin ich Gesundheits- und Krankenpflegerin. In Bremen fühle ich mich zu Hause. Seit September lebe ich jedoch in Zürich in der Schweiz. Der Grund für meinen Umzug waren schlechte und teilweise unverantwortliche Arbeitsbedingungen. Diese sind mir in jedem Krankenhaus begegnet, in dem ich in Bremen tätig war. Selbst wenn man Überstunden gemacht hat, konnte man den Patienten nicht gerecht werden. In der Nacht war manchmal eine Krankenschwester für etwa 30 Patienten zuständig. Das Personal, das uns entlasten sollte, war oft nicht ausreichend ausgebildet. Ich hatte das Gefühl, dass unsere Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Das ist allerdings nicht nur in Bremen ein Problem, sondern bundesweit. In der Schweiz habe ich dann ganz andere Bedingungen vorgefunden. Hier trage ich mehr Verantwortung und werde bei meiner Arbeit stärker unterstützt. Ich fühle mich Bremen sehr verbunden, aber beruflich sah ich dort keine Perspektiven mehr.“
Rina Muzlijaj suchte im Ausland nach besseren Arbeitsbedingungen.

Miese Bildung, zu viel Verbrechen
„Aus beruflichen Gründen bin ich 2011 nach Bremen gezogen. Ich bin Raumfahrtingenieurin, in Italien geboren und aufgewachsen, und habe in Bremen für ein großes Unternehmen gearbeitet. Nach zwei, drei Jahren habe ich jedoch angefangen, das Leben in einer Großstadt zu vermissen. Zudem war es in Bremen schwierig, meine zwei Hobbys – Fotografie und Bergwandern – zu praktizieren. Ich habe darüber nachgedacht, ob ich nicht vielleicht den Wohnort wechseln sollte. Schließlich habe ich durch Gespräche mit Freunden und Kollegen erfahren, dass das Niveau der Bildung in Bremen nicht so hoch ist wie in anderen Bundesländern. Sollte ich in Zukunft Kinder haben, möchte ich, dass sie Zugang zu einem besseren Bildungssystem haben. All das hat zu meiner Entscheidung beigetragen, die Hansestadt zu verlassen und nach München zu wechseln. Seit Ende 2016 wohne ich hier. Mein Freund ist auch nach München gezogen. Für ihn war eher das mangelnde Sicherheitsgefühl in manchen Bremer Stadtteilen ausschlaggebend.“
Ilaria Pacelli lebte fast fünf Jahre in Bremen und wohnt jetzt in München.

Probleme mit Kinderbetreuung
„Ich komme aus Spanien, meine Ehefrau ist Deutsche. Wir haben eine Zeit lang in Alicante gelebt und sind dann wegen der Krise nach Deutschland, also nach Bremen, gezogen. Hier hat meine Frau als Ärztin einen sehr guten Job gefunden. Ich bin zunächst zu Hause geblieben, um mich um unsere kleinen Kinder zu kümmern. Nach fünf Jahren wollte ich wieder zurück ins Berufsleben. Ich bin Architekt und liebe meine Arbeit. Hier fingen die Probleme jedoch an: In den Kitas mangelte es oft an Personal. Das bedeutete, dass die Kinder wiederholt zu Hause bleiben oder von der Kita abgeholt werden sollten, weil die Betreuerin krank war. Wir haben hier keine Eltern oder engen Verwandten, die sich in solchen Fällen um die Kinder kümmern können. Und Alternativen wie Babysitterdienste sind sehr teuer. Also haben wir beschlossen, demnächst wieder nach Madrid zu ziehen. Dort leben sechs Geschwister von mir. Ich hoffe, dass unser soziales Netz dort eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährt.“
Julián Jiménez de Tejada Benavides ist Architekt.

Bremen am Schlüsselbund
„Ich habe sieben Jahre lang in Bremen gewohnt. Als Informatiker war ich für das Kommunikationssystem des europäischen Raumfahrtlabors Columbus zuständig. Mein Arbeitsumfeld war sehr international. Und die Stadt war einfach toll. In Bremen kann man fast alles finden, was auch eine Großstadt bieten könnte: große Unternehmen, Kinos und eine coole Fußballmannschaft. Gleichzeitig hat man auch ein gewisses Dorf-Gefühl. Alle meine Freunde haben in der Nähe gewohnt, und mit dem Fahrrad war ich immer schnell am Ziel. Im Dezember 2016 bin ich dann aus beruflichen Gründen weggezogen. Ich habe in Toulouse eine Stelle als Abteilungsleitungsassistent bekommen. Nach so vielen Jahren wollte ich etwas Neues ausprobieren. Aber die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Als ich gegangen bin, war ich sehr traurig. Ich habe immer noch den Bremer Schlüsselanhänger bei mir sowie ein kleines Souvenir der Stadtmusikanten in meinem Büro. Wäre die Stelle in Bremen gewesen, wäre ich sicherlich geblieben.“