Dmitri Korolkow steht in etwa 20 Metern Höhe am Fenster seiner Kommandobrücke. Der ukrainische Kapitän schaut runter auf das Treiben, das sich auf seinem Schiff „Lisa“ und im Neustädter Hafen abspielt. Ab und zu raucht er eine Zigarette oder spricht in sein Funkgerät. Er muss geduldig sein: Drei bis vier Tage dauert es, bis alle Schwerteile verladen sind. Erst dann legt das Schiff ab und nimmt Kurs in Richtung Israel. „Bei gutem Wetter erreichen wir Haifa in zehn bis zwölf Tagen“, sagt er. Bei Sturm muss Korolkows Crew unterwegs in einem Hafen ausharren, denn die haushohe Ladung verhält sich wie gewaltige Segel auf dem Meer. Die „Lisa“ transportiert drei Ober- und drei Unterteile von Kränen. Im Hafen von Haifa werden sie zusammengebaut und stemmen dann den Hafenumschlag.
Zwei der sechs Schwerteile befinden sich bereits an Deck, ein weiteres folgt im Lauf des Tages. Es ist 35 Meter hoch und rund 380 Tonnen schwer. In der Sonne glänzt die rote und weiße Lackierung des neu produzierten Stahlgerüstes makellos. Spuren von Abnutzung sind nicht erkennbar. Anders ist es bei den zwei beigefarbenen Kränen, die am Neustädter Hafen den Umschlag stemmen: Ihnen ist anzusehen, dass sie seit Jahren im Einsatz sind. Der Lack ist durch die Witterung verfärbt, hier und da zeigt sich Rost. Das Kranstück heben sie an diesem Vormittag ohne Weiteres auf das Schiff. Nachdem sie es exakt in Position gebracht haben, bereitet ein Team von Schweißern Metallbügel für die Befestigung der Ladung vor.
Industriestätte Neustädter Hafen
Hergestellt hat die Kräne die Firma Kocks Ardelt. In Absprache mit den israelischen Kunden entschied sie sich, den Neustädter Hafen als verlängerte Werkbank zu nutzen. Dafür transportierte die Firma zunächst kleinere Einzelteile in den Hafen und pachtete dort eine Fläche. Rund ein Jahr lang waren die Monteure mit dem Zusammenbau beschäftigt, bis die sechs Einzelteile entstanden waren. „Vermutlich gibt es im Hafen von Haifa keinen Platz für die Montage“, sagt Sven Riekers, Vertriebsleiter bei der BLG Cargo Logistics GmbH. Der Kunde bestand darauf, die Kräne in fertigen Großteilen zu bekommen. Das war auch möglich, denn am Neustädter Hafen gibt es für die Arbeiten ausreichend Platz: Mit einem Areal von mehr als einer Million Quadratmetern gilt er als das größte Terminal für Stückgut in Europa. Derart große Güter wie die Hafenkräne sind dennoch eine Seltenheit.
Von der Einfahrt in den Industriehafen aus hatten Besucher nur einen begrenzten Einblick in das Geschehen rund um die Becken. Da hat der Kapitän Korolkow aus seiner Kabine einen besseren Überblick.