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EU-Pläne Was sagen Bremer Logistiker zum Lastwagen-Führerschein mit 17?

Ein Plan gegen den Lkw-Fahrermangel der EU lautet: Junge Menschen sollen begleitet schon mit 17 Jahren einen Lkw fahren dürfen. Bremens Logistikunternehmen sind sich uneins, ob dies Abhilfe schaffen kann.
16.04.2024, 05:00 Uhr
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Was sagen Bremer Logistiker zum Lastwagen-Führerschein mit 17?
Von Florian Schwiegershausen

Quer durch alle Branchen in Bremen und umzu werden händeringend Berufskraftfahrer gesucht. Ebenso bieten viele Firmen die Ausbildung zum Berufskraftfahrer an, um Nachwuchs zu gewinnen. Laut Dekra starten jedes Jahr in Deutschland 3500 Personen ihre duale Ausbildung zum Berufskraftfahrer – 100 von ihnen sind Frauen.

Das scheint nicht zu reichen, doch wie gewinnt man mehr Berufsfahrer? Das EU-Parlament will den Weg freimachen für das begleitete Lkw-Fahren mit 17 Jahren. Die Politiker wollen dies bis Dezember möglich machen und haben einem Entwurf zur neuen Führerscheinrichtlinie bereits zugestimmt. Dieser sieht vor: Wer seine Ausbildung zum Berufskraftfahrer beginnt, kann dann ab 17 Jahren über das begleitete Fahren Praxis im Berufsalltag sammeln.

"Chance für das Berufsbild"

Bisher ist es in Deutschland und anderen EU-Ländern so, dass junge Leute mit 21 Jahren den Lkw-Führerschein machen dürfen. Der Führerschein für Lastwagen ist bereits ab 18 Jahren möglich, wenn er im Rahmen der Ausbildung zum Berufskraftfahrer gemacht wird. Die Meinung zu den EU-Plänen ist bei Betrieben in der Region unterschiedlich. So begrüßt Robert Hennemann, Geschäftsführer in der L.I.T.-Gruppe mit Hauptsitz in Brake, zum einen die Herabsenkung des Mindestalters auf 17 Jahren mit begleitetem Fahren: "Wir sehen dies als Chance für das Berufsbild." Auch im Hinblick auf die Ausbildung sei dies ein positiver Ansatz: "Auch das sehen wir als Chance, das Berufsbild in der Altersklasse der betreffenden Schulabgänger wieder interessanter zu machen."

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Wer mit 16 die Ausbildung beginnt, müsste nicht mehr so lange auf dem Betriebshof mithelfen, wie es in manchen Betrieben der Fall ist, bis er selbst mit dem Lkw-Fahren loslegen kann. Olaf Mittelmann, Geschäftsführer vom Landesverband Verkehrsgewerbe Bremen (LVB), kann die Idee zu diesem Schritt nachvollziehen, meint aber: "Dadurch wird der Mangel an Lkw-Fahrern nicht weniger werden." Dabei weist er auf ein besonderes Erfordernis hin: "Im Rahmen der Ausbildung zum Berufskraftfahrer kann man den Lkw-Führerschein zwar mit 18 machen, in Bremen müssen die Teilnehmer dafür aber eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung vorweisen (MPU). In Niedersachsen ist das nicht erforderlich." Die MPU ist vor allem denjenigen geläufig, die mehrmals wegen Trunkenheit am Steuer ihren Führerschein verloren haben und ihn nur zurückerhalten, wenn das Ergebnis der MPU eine positive Prognose ergibt.

Beim Containerlogistikunternehmen Addicks & Kreye mit Sitz in Bremen, Bremerhaven und Hamburg sieht man das Vorhaben skeptischer. Einer von drei Geschäftsführern ist Björn Ohl. Er meint: "Der Verstand sagt mir, dass das durchaus ein Alter sein kann, in dem man auch mit dem Lkw-Fahren anfangen kann. Vom Bauch her habe ich jedoch Bedenken. Man darf ja nicht vergessen, dass da eine junge Person mit einem durchaus 44 Tonnen schweren Fahrzeug unterwegs ist. Und vielleicht sind Menschen im Alter von 21 Jahren etwas besser geeignet, um Ruhe zu bewahren und gelassen genug zu sein zum Bewegen eines solchen Fahrzeugs."

Sensoren machen das Fahren sicherer

Zumindest sei das Fahren durch Sensoren und Abbiegeassistenten sicherer geworden und weniger komplex. Ohl glaubt, dass die Herabsetzung des Einstiegsalters einen geringen Effekt habe auf die Zahl derer, die eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer beginnen. "Das begleitete Fahren scheint sich ja beim Pkw bewährt zu haben, aber bei schweren Nutzfahrzeugen bin ich da skeptischer." Ohl selbst hat seinen Pkw-Führerschein 1990 gemacht. Damals erlaubte der Führerschein, Fahrzeuge bis zu einem Gewicht von 7,5 Tonnen zu fahren. "Wenn es die Situation erforderte, habe ich als Disponent in so einem Fahrzeug selbst die Ware ausgefahren. Selbstverständlich war es für mich als junger Mensch nicht, ein solches Fahrzeug zu bewegen."

Ohl ist sich außerdem nicht sicher, ob die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu mehr Berufskraftfahrern in der Logistik führen würde. Die fehlende Wehrpflicht wird in der Diskussion immer wieder als Argument für die geringe Zahl an Lastwagenfahrern angeführt. "Das steht und fällt mit den Arbeitsbedingungen, die ihnen die Logistik bietet", sagt Ohl. Es gebe durchaus Unternehmen, bei denen die Lkw-Fahrer zwölf Stunden pro Tag unterwegs seien.

Aus Sicht des ADAC sei nichts gegen das begleitete Lkw-Fahren mit 17 Jahren einzuwenden, wie "DIE WELT" schrieb. "Durch das begleitete Fahren wird das Anfängerrisiko für junge Lkw-Fahrer im Straßenverkehr gesenkt", zitierte die Zeitung den Leiter der Verkehrspolitik beim ADAC, Ulrich Chiellino.

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Bis zu zwölf Stunden am Steuer

Der Weg zu mehr Berufskraftfahrern stehe und falle mit den Arbeitsbedingungen, die die Logistik biete, sagt Björn Ohl, einer der drei Geschäftsführer beim Bremer Containerlogistikunternehmen Addicks & Kreye. In manchen Betrieben sei eine Arbeitszeit von zwölf Stunden für Lkw-Fahrer üblich. Die 120 Fahrer bei Addicks & Kreye hätten im Verträge mit 10,5 Stunden inklusive Pause. Sie könnten Überstunden machen, wenn sie wollen, und bekämen sie bezahlt. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Containerlogistik rund um den Hafenterminals. Deshalb werde zum Teil rund um die Uhr in drei Schichten gearbeitet, bei denen ein Arbeitstag laut Ohl aus acht Stunden besteht.

Das durchschnittliche Jahresgehalt eines Lkw-Fahrers gibt das Jobportal Stepstone mit einer Summe zwischen knapp 30.000 und etwas mehr als 40.000 Euro brutto an. Im Durchschnitt kommt das Portal auf ein Jahresgehalt von knapp 35.000 Euro brutto. Nach Angaben der Dekra sind vom gesamten Berufsstand in Deutschland vier Prozent weiblich.

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