Viele Unbekannte und ein Minister
Diese Politiker wollen SPD-Vorsitzende werden
Bis zum ersten September haben die Bewerber um den SPD-Vorsitz noch Zeit, ihren Hut in den Ring zu werfen. In den vergangenen Tagen hat das Kandidatenkarussell an Fahrt aufgenommen. Ein Überblick.
Lange hat er sich gewunden, am Ende hat er sich aber entschieden anzutreten: Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz bewirbt sich um den SDP-Vorsitz. Seine Tandempartnerin ist Klara Geywitz, Landtagsabgeordnete in Brandenburg.
dpa
Olaf Scholz (61), Vizekanzler und Finanzminister
„Ich glaube, dass Deutschland eine starke sozialdemokratische Partei braucht“, sagte Scholz zu seiner Bewerbung um den SPD-Vorsitz. Mit Blick auf die schlechten Zustimmungswerte für die Partei in Umfragen sagte er: „Ich möchte alles dazu beitragen, dass sich das ändert.“
Seinen Sinneswandel begründete der 61-Jährige mit seinem Verantwortungsgefühl für die Partei. „Ich habe für mich jetzt den Eindruck gehabt, es wäre nicht verantwortlich, bei der Bedeutung, die die SPD für die Zukunft unseres Landes hat, wenn ich jetzt nicht sagen würde, ich will das machen“, sagte er. Es tue der SPD nicht gut, wenn das Bild entstehe, es traue sich niemand.
Kay Nietfeld/dpa
Klara Geywitz (43), Landtagsabgeordneten in Brandenburg
Seit 2004 ist Geywitz Abgeordnete im Potsdamer Landtag, hier ist sie derzeit auch Kandidatin für die Landtagswahl am 1. September. Im Wahlkampf ist die Innenpolitikerin seit Wochen mit einem roten Lastenfahrrad in der Brandenburger Landeshauptstadt unterwegs. Geywitz ist zudem Mitglied im Parteivorstand der Sozialdemokraten. 2018 saß sie mit Scholz in der Hauptverhandlungsrunde, die den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD auf Bundesebene aushandelte.
dpa
Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (61) und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (59) sprechen eher die konservativeren SPD-Mitglieder an. Pistorius gilt als einer der profiliertesten Innen- und Sicherheitspolitiker der SPD.
Robert Michael/zb/dpa
Petra Köpping (61), Ministerin für Gleichstellung und Integration in Sachsen
Köpping steht für Integration und Ostdeutschland, Themen, die sie in der SPD unverzichtbar machen. Im September 2018 veröffentlichte sie ihre Streitschrift "Integriert doch erst mal uns!". Darin fordert sie einen stärkeren Dialog zwischen Ost und West und eine gesamtdeutsche Aufarbeitung der Nachwendezeit.
Monika Skolimowska/ZB/dpa
Boris Pistorius (59), Innenminister in Niedersachsen
In dem norddeutschen Bundesland gehört Pistorius schon seit längerem zum politischen Inventar. Erst sieben Jahre als Oberbürgermeister in Osnabrück, seit sechseinhalb Jahren als Innenminister in Hannover. Mit markigen sicherheitspolitischen Ansagen machte der Jurist sich dabei einen Namen.
So schob Niedersachsen 2017 als bundesweit erstes Land zwei islamistische Terror-Gefährder ins Ausland ab, obwohl sie noch keine Straftat begangen hatten. Und ein neues, umstrittenes Polizeigesetz sieht bis zu 35 Tage Präventivhaft für terroristische Gefährder vor. Allerdings ist Pistorius keineswegs nur der harte Hund der SPD: In der Flüchtlingspolitik etwa warb er wiederholt dafür, aus Seenot gerettete Migranten aufzunehmen, und er weigert sich beharrlich, Abschiebungen nach Afghanistan auszuweiten.
Christophe Gateau/dpa
Bereits Mitte Juli kündigten Karl Lauterbach und Nina Scheer ihre gemeinsame Kandidatur an. Es gehe ihnen um eine Politik, die Ungleichheiten vermindere, die natürlichen Lebensgrundlagen schütze und unverwässert sozialdemokratisch sei, sagten sie bei der Pressekonferenz. Der Gesundheitspolitiker und die Umweltexpertin haben inzwischen auch die nötige Unterstützung aus der Partei für eine offizielle Bewerbung.
Wolfgang Kumm/dpa
Karl Lauterbach (56), Arzt/Gesundheitsexperte
Sein Markenzeichen ist die Fliege. Lauterbach ist bereits seit fast 14 Jahren Bundestagsabgeordneter. Seine Schwerpunkte sind Gesundheit und Umwelt, er will zum Beispiel die Zweiklassen-Medizin abschaffen. Beim Thema Umwelt stellt er sogar die Schuldenbremse infrage: „Bei Investitionen in Bildung und Umwelt sollte die Schuldenbremse nicht angewendet werden.“
Ralf Hirschberger/dpa
Nina Scheer (47), Juristin, Umwelt- und Energiepolitikerin
Scheer ist noch relativ unbekannt in der Politik. Sie ist die Tochter des langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer. Die 47-Jährige ist unter anderem Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages.
Fabian Sommer/dpa
Europa-Staatsminister Michael Roth (48) und die ehemalige nordrhein-westfälische Familienministerin Christina Kampmann (39) haben als erste ihren Hut in den Ring geworfen - und sind bisher auch das einzige Duo mit offizieller Unterstützung aus der Partei. Beide gehören dem linken Parteiflügel an, sehen die große Koalition kritisch und rufen nach mehr innerparteilicher Fairness.
Jörg Carstensen/dpa
Christina Kampmann (38), Europawissenschaftlerin, Ex-Familienministerin in NRW
Christina Kampmann machte gleich zu Beginn deutlich, dass für Roth und sie die große Koalition kein Wunschbündnis sei und sie "für andere progressive Mehrheiten in diesem Land" eintreten wollten. Sie sagte aber auch: "Wir wollen da nicht Hals über Kopf raus." Investitionen in bezahlbaren Wohnraum statt Schuldenbremse, Kampf gegen Rechtsextremismus und die Stärkung der Daseinsvorsorge seien in ihrem bereits angelaufenen Wahlkampf für den geplanten SPD-Mitgliederentscheid bisher Schwerpunkte gewesen, berichtete Kampmann.
Federico Gambarini/dpa
Michael Roth (48), Politologe, Staatsminister im Auswärtigen Amt
Roth hat seiner Partei im Vorfeld ein "schwerwiegendes Haltungsproblem" vorgeworfen. "Wir gehen einfach nicht anständig miteinander um", sagte er. Das Bewerberduo sieht die Zukunft der Partei als linke Volkspartei. Seine Aufgaben in der Bundesregierung will er aufgeben, sollte er gewählt werden.
Britta Pedersen/zb/dpa
Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange (42) tritt zusammen mit dem Oberbürgermeister von Bautzen, Alexander Ahrens (53), an. Sie hatte bereits 2018 für den Parteivorsitz kandidiert, aber gegen Andrea Nahles verloren. Ahrens spricht sich für ein Ende der großen Koalition aus. Auch ihre Kandidatur ist noch nicht offiziell.
Simone Lange (42), Bürgermeisterin von Flensburg
Für die Verwaltungsfachwirtin ist es bereits die zweite Kandidatur: Mitte 2018 trat sie gegen Andrea Nahles an und erhielt 27 Prozent der Stimmen. „Ich fühle mich bestärkt durch das Ergebnis meiner Kandidatur des vergangenen Jahres und trete deshalb erneut an“, sagte Lange. Lange und Ahrens kündigten an, der Partei Glaubwürdigkeit zurückbringen und ein unverwechselbares Profil verleihen zu wollen, mit dem sie wieder Wahlen gewinnt. Bürgermeister und ehrenamtliche Kommunalpolitiker leisteten Basisarbeit.
Britta Pedersen/zb/dpa
Akexander Ahrens (53), Bürgermeister von Bautzen
Seit 2015 ist der Jurist Oberbürgermeister von Bautzen in Sachsen. 2001 trat er aus der SPD aus, erst 2017 wieder ein. Ahrens will die große Koalition auf Bundesebene verlassen. „Man darf gar nicht mehr über die Grenzen des Koalitionsvertrags hinaus diskutieren“, sagte er. Daher wolle er, wenn er zum Parteichef gewählt werde, der Basis empfehlen, die Koalition mit der Union zu verlassen.
Die wichtigsten Themen der Zeit sind laut Ahrens die soziale Sicherheit, menschzentrierte Klimapolitik und die Demokratie.
Monika Skolimowska/zb/dpa
Robert Maier (39), IT-Unternehmer, Vizepräsident des Wirtschaftsforums
Der Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, Robert Maier (39), ist Start-up-Unternehmer aus Berlin. Politische Schwerpunkte sieht er in der Sicherheits- und Migrationspolitik. Als einer von bisher nur zwei Kandidaten will er alleine antreten - die nötige Unterstützung fehlt ihm allerdings noch.
Bernd von Jutrczenka/dpa
Hans Wallow (79), ehemaliger Bundestagsabgeordenter
Hans Wallow (79) ist der zweite Einzelkandidat. Er war in den 80er und 90er Jahren Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion und ist aktuell im Landesverband Rheinland-Pfalz aktiv. Der Verband will die Kandidatur aber nicht unterstützen. Wallow kündigte an, notfalls werde er sich auf die Rechtsordnung der Partei berufen und trotzdem kandidieren.
Privat/Hans Wallow/dpa
An der Vorsitzenden der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan (76), und dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Ralf Stegner (59) reiben sich viele in der SPD. Beide sind überzeugte linke Sozialdemokraten, waren für ihre Partei in der Vergangenheit aber auch durchaus ungemütlich.
Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
Gesine Schwan (76), Politologin
Gesine Schwan war in ihrem Leben schon vieles: Politikwissenschaftlerin, Universitätspräsidentin, zweimal Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, Mitgründerin einer Hochschule, Grande Dame der SPD. Die Markenzeichen der Intellektuellen: Ein heiseres Lachen und die markante Frisur hochgesteckter blonder Locken in geordnetem Chaos. Schwan ist überzeugte Sozialdemokratin, ging mit ihrer Partei aber lange nicht zimperlich um. Sie stritt, erteilte Rat, leitet seit Jahren die Grundwertekommission. Ein Amt strebte die 76-Jährige bisher nie an - bis es zuletzt so schien, als wolle auch niemand anders SPD-Chef werden.
Wolfgang Borrs/NDR/dpa
Ralf Stegner (59), stellvertretender Parteichef
Der blitzgescheite Harvard-Absolvent und SPD-Bundesvize steht seit 2003 in der ersten Reihe der Landespolitik in Schleswig-Holstein - als Finanzminister, Innenminister, als Landespartei- und Fraktionschef. Mit seinem Führungsstil hat der 59-Jährige mit dem Raubein- und Schlechte-Laune-Image zwar manche Sozialdemokraten vergrätzt. Aber: Seinen Job als kantiger Fraktionschef hat er immer professionell erledigt, in Regierung wie Opposition. Im Juni erst erkämpfte er sich die Wiederwahl an der Fraktionsspitze - wenn auch nur mit 14 von 21 Stimmen.
Bis zum ersten September haben die Bewerber um den SPD-Vorsitz noch Zeit, ihren Hut in den Ring zu werfen. In den vergangenen Tagen hat das Kandidatenkarussell an Fahrt aufgenommen - mit Vizekanzler Olaf Scholz bewirbt sich nun auch ein echter Hochkaräter um den Posten.
Ein Überblick der Kandidaten, die sich um den SPD-Vorsitz bewerben.