Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Tagung regionale Geschichte 150 Jahre Eisenbahn im Landkreis Diepholz

Die Eisenbahn im Landkreis Diepholz kann in diesem Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum feiern. Das ist Thema der 19. Tagung der regionalen Geschichte, die am Sonnabend, 21. Oktober, im Kreismuseum Syke stattfindet.
18.10.2023, 15:07 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Wilfried Meyer

Landkreis Diepholz. 150 Jahre Eisenbahn im Landkreis Diepholz ist das Thema der 19. Tagung der regionalen Geschichte, die am Sonnabend, 21. Oktober, im Kreismuseum Syke stattfindet. Anlass ist die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Bremen-Osnabrück am 15. Mai 1873. Ein Rückblick.

Im Hoyaer Wochenblatt Nr. 56 vom 13. Mai 1873 erschien der offizielle Eröffnungstermin in einer Anzeige. Betreiber war die private Köln-Mindener-Eisenbahn-Gesellschaft mit Sitz in Köln. Planungen für die Strecke Hamburg–Paris, so die ursprüngliche Bezeichnung, begannen bereits 1866. Bis dahin existierten von Bremen aus nur Bahnverbindungen nach Hannover (seit 1847), Geestemünde (1856), Oldenburg (1867) und Uelzen (1873).

Der Bremer Staatsbahnhof konnte das Verkehrsaufkommen der neuen Strecke nach Osnabrück nicht mehr verkraften, deshalb musste für diese Bahn ein neuer Bahnhof erbaut werden. Er entstand auf dem Gelände der späteren Stadthalle, neben der Hollerallee, und nannte sich „Hamburger Bahnhof“. Bis zur Einweihung des neuen Bremer Zentralbahnhofs 1889, dem heutigen Hauptbahnhof, diente er als Provisorium und wurde danach abgerissen.

Bei Dreye erfolgte die Überquerung der Weser, und im weiteren Verlauf versuchte die Bahngesellschaft, möglichst viele Dörfer und Städte anzubinden. Um keine bestehenden Gebäude oder Siedlungen abreißen zu müssen, verlief die Strecke häufig weit von den Ortszentren entfernt. Trotzdem weigerten sich zahlreiche Bauern, ihr Weide- oder Ackerland zu verkaufen. Ihnen war klar, dass durch die Gleisanlagen lange Umwege entstehen würden und sich die geteilten Flächen oft schlechter bearbeiten ließen. Innerhalb kurzer Zeit wurden unzählige Landeigentümer enteignet und erhielten erst 1874 eine Entschädigung. Der Nutzen der kürzeren Handelswege und der besseren Liefermöglichkeiten war den Bewohnern noch nicht bewusst. Außerdem erwarteten viele den Verlust ihrer Arbeitsplätze im Frachtfuhr- und Pferdedroschkenwesen.

Streckenbau schafft Arbeitsplätze

Der Bau dieser Strecke schuf dagegen zahlreiche neue Arbeitsfelder, zum Beispiel bei den umfangreichen Erdarbeiten, beim Neubau der Schrankenwärteranlagen, Stellwerken und besonders beim Bau der Bahnhöfe. Die Zeitungen warben nahezu täglich mit „lohnenden Beschäftigungen“ an der Strecke.

Die Empfangsgebäude, wie man Bahnhofsgebäude nannte, entstanden überwiegend in einem sehr ähnlichen Historismus-Stil, komplett in Rotstein. Nicht nur im Landkreis Diepholz, sondern auch auf dem weiteren Streckenverlauf von Bremen nach Hamburg. Die Bahnhofsgebäude in Kirchweyhe, Syke, Bassum, Twistringen, Barnstorf und Drebber blieben im Zweiten Weltkrieg erhalten und ähneln sich bis heute im Baustil. Dagegen hat der Diepholzer Bahnhof andere Stilelemente. Alle anderen kleineren, dazwischen liegenden Stationen (Dreye, Barrien, Bramstedt, Drentwede und Lembruch) wurden erst einige Jahre später erbaut und hatten teilweise noch Fachwerkkonstruktionen, sie liefen unter der Kategorie „Haltepunkte“.

Bis 1884 war der Streckenverlauf noch einspurig, der Bahndamm und die Weserbrücke hatten allerdings schon den Platz für das zweite Gleis. Nachdem sich der Güterverkehr auf der „Rollbahn“, wie die Strecke inzwischen genannt wurde, stark entwickelt hatte, war der Ausbau mit einem zweiten Gleis erforderlich. Weil zur Streckenbauzeit noch Zollgrenzen zwischen Bremen und dem Umland bestanden, baute die Köln-Mindener-Bahngesellschaft gleich hinter der Weserüberquerung, noch auf preußischem Gebiet, eine Güterumgehung in Richtung Sagehorn. Dort erreichten die Güterzüge wieder die Strecke Richtung Hamburg.

Einen ersten Lokbesuch gab es in Barnstorf schon am 22. April 1871, da war schon ein Teilstück fertiggestellt. Am 17. September 1872 gab es einen Bericht über den „Goldenen Nagel“, als zwischen Drebber und Diepholz die Gleisverbindung von Norden und Süden erfolgte. Der Diepholzer Amtshauptmann durfte den ersten Schlag machen, und danach befestigten sämtliche Baumeister der Strecke gemeinsam das restliche Gleisstück.

Häufig wurde über Termine für die Streckeneinweihung spekuliert, doch zahlreiche Begleiterscheinungen sorgten immer wieder für Verzögerungen. Im November 1872 wurde bekannt, dass die bestellten 26 nötigen Lokomotiven nicht rechtzeitig geliefert werden konnten. Einen Monat später sorgte das Abrutschen des Bahndamms bei Bassum infolge starker Regenfälle für weiteren Zeitverzug. Ebenso hatte man im Bereich zwischen Diepholz und Lemförde mit Hochwasser aufgrund des nassen Herbstes zu kämpfen.

Zeit der Pferde neigt sich dem Ende zu

Am Tag der Streckeneinweihung tauchten die ersten Kursbuchangebote und Fahrpläne in der örtlichen Presse auf. Der Syker Posthalter Heuer bot seine vier "starken Arbeitspferde und eine neue viersitzige Droschke“ zum Verkauf an. Posthalter Meyer aus Bassum bot sogar acht „gute Arbeitspferde“ und zahlreiches Zubehör öffentlich meistbietend an. Die Zeit, als das Pferd noch Maßstab der Geschwindigkeit war und zum Straßenbild gehörte, neigte sich dem Ende zu.

Die Fahrgeschwindigkeiten der Züge hielten sich aber noch im Rahmen. Laut einem Fahrplan von 1884 brauchte ein Personenzug von Osnabrück nach Bremen drei Stunden – heute knapp die Hälfte. Ein Personenzug vom Bremer Hauptbahnhof nach Diepholz fuhr damals zwei Stunden, „mit Halt von 1 Minute auf jedem Bahnsteig“, so das Kleingedruckte. Heute dauert die normale Fahrt rund 46 Minuten.

Schon früh bot die Bahngesellschaft Extrafahrten „zur Bequemlichkeit des den Bremer Freimarktes besuchenden Publikums“ an: Abfahrt in Bremen um „11:09 Uhr abends, Ankunft um 01:07 Uhr in Diepholz“. Die Bauern hatten inzwischen erkannt, dass sich der Viehhandel am Bahnhof sehr gut mit dem Landhandel der Geschäfte, die sich dort angesiedelt hatten, verbinden ließ. Auch das Gaststättenwesen hatte längst reagiert. Die meisten Bahnhöfe hatten eine Gaststube bereits beim Neubau eingeplant. Weitere Gast- und Hotelbetriebe entstanden in Bahnhofsnähe: in Kirchweyhe sogar neben der Bahnhofsgaststätte drei weitere Gasthäuser in unmittelbarer Nachbarschaft. Vor allem Viehhändler gehörten zu den Stammgästen und nutzten gerne den Service von Stallungen und einer Viehwaage in der Nachbarschaft.

Am Syker Bahnhof entwickelte sich der wohl größte Viehumschlag der Region, überwiegend als Schweinehandel. Das „Hoyaer Landschwein“ war deutschlandweit ein Begriff und versorgte von Syke aus per Bahn die Großstadt Bremen und vor allem das Ruhrgebiet. Die damaligen „Schweinerampen“ an den Bahnhöfen wurden inzwischen fast alle abgerissen.

Landgemeinde Kirchweyhe profitiert

Die kleine Landgemeinde Kirchweyhe erhielt eine besondere Bedeutung für die Bahnstrecke. Die geografische Lage vor der Weser sowie die Entfernungen zum Ruhrgebiet und den Hafenstädten Bremen und Hamburg bot sich als idealer Standort für Zugzusammenstellungen, Lok- und Personalwechsel an. Schon um 1880 waren dort zahlreiche Loks stationiert und der Güterverkehr benötigte viel Personal.

Lesen Sie auch

Bereits ab 1907 musste die Bahnanlage vergrößert werden, zwei Ringlokschuppen entstanden. In der Gemeinde mit ursprünglich knapp 1800 Einwohnern entwickelten sich bis 1919 fast 1500 Arbeitsplätze. Dazu kamen das Zugpersonal, Schrankenwärter und Stellwerksbesatzungen. In der Blütezeit waren bis zu 88 schwere Dampfloks auf dem Verschiebebahnhof in Kirchweyhe stationiert und 55 Kilometer Gleise verlegt.

Zur Startseite
Mehr zum Thema
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)