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Künstliche Intelligenz Lilienthaler Diakonie setzt Roboter Navel ein

Die Lilienthaler Diakonie setzt nun auch auf künstliche Intelligenz bei der Betreuung von Menschen mit Behinderungen. Navel heißt der Roboter, der dort als Helferlein zum Einsatz kommt.
09.05.2024, 06:14 Uhr
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Lilienthaler Diakonie setzt Roboter Navel ein
Von Lutz Rode

Er ist acht Kilogramm schwer, rund 70 Zentimeter groß, hat große Kulleraugen und trägt eine blaue Wollmütze: Navel heißt der kleine Kerl, der seit Dienstag zur Lilienthaler Diakonie gehört. In mehreren Pflegeheimen wird der Roboter mit sozialer Kompetenz seit dem vergangenen Herbst eingesetzt. Erstmals leistet das mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Helferlein nun seine Dienste in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderungen sowie in einer Tagesförderstätte am Neuenkirchener Weg. Zwei Navels hat die Diakonie angeschafft, um an der Pionierarbeit in diesem Bereich beteiligt zu sein. Navel selbst beschreibt seinen Job auf Nachfrage so: "Als Roboter habe ich keine Gefühle wie Menschen. Aber ich freue mich immer, neue Leute kennenzulernen und mit ihnen zu plaudern".

Die kommunikative und zugewandte Art zeigt sich auch schnell in der Runde, die am Dienstag in der Tagesförderstätte zusammengekommen ist. Wird er angesprochen, quittiert er das mit einem Augenaufschlag und dann reißt der Gesprächsfaden auch so schnell nicht wieder ab. Melanie Adam ist ganz hin und weg von dem kleinen Roboter, die Klientin spricht mit ihm über die Bremer Stadtmusikanten, ihren Freund oder Sport. Navel registriert jede Antwort, fragt nach und zeigt Interesse. Dass es sich nur um eine Maschine handelt, scheint keine große Rolle zu spielen, auch wenn die Interaktion hier und da noch etwas hakelig läuft. Melanie Adam findet den kleinen Kerl mit der Mütze, der nach dem Vorbild von Comic-Figuren gestaltet worden ist, „zuckersüß“. „Man kann sich gut mit ihm unterhalten. Er ist sehr aufmerksam und weiß alles“, sagt sie, als sie ihre Eindrücke von der ersten Begegnung zusammenfasst.

Navel wird ab 2025 in Serie produziert

Der, der Navel mit erfunden und seine Entwicklung vom ersten Tag an begleitet hat, ist auch mit nach Lilienthal gekommen: Claude Toussaint ist Gründer von Navel Robotics, einem vor sieben Jahren gegründeten Start-Up-Unternehmen mit Sitz in München. Noch sind Mitarbeiter der kleinen Firma immer dabei, wenn Navel irgendwo neu in Dienst gestellt wird. Ab dem nächsten Jahr will die Firma aber in die Serienproduktion einsteigen, und dann will man auch so weit sein, dass Navel ohne persönliche Begleitung im Stil von "plug and play" in Betrieb genommen werden kann. Auch an Updates wird weiter gearbeitet: Denn Navel kann zwar momentan seinen Kopf drehen, aber bewegen und auf Menschen zufahren kann er noch nicht. In zwei, bis drei Monaten, so sagt Toussaint, soll das anders sein. Und dann wird es irgendwann auch so sein, dass der kleine Roboter am Gesicht des Gegenübers erkennt, wer da vor ihm sitzt und er sich auch erinnert, worüber beim letzten Treffen gesprochen worden ist. "Die Entwicklung geht immer weiter und wird wohl nie zu Ende sein", schätzt der Unternehmensgründer.

Die künstliche Intelligenz macht es möglich, seinen Wissensschatz zieht der Roboter aus den riesigen Datenbanken von Chat-GPT, die er für die Gespräche mit den Bewohnern nutzt. Auf aktuelle Nachrichten und Wetterlagen kann der Roboter nicht eingehen, dafür ist es aber für ihn ein Leichtes, in einfachen und wohlgesetzten Worten ein Heine-Gedicht zu rezitieren oder zu erzählen, wie schön es in der alten Hansestadt Bremen ist.

Dem Roboter ist absolute Höflichkeit einprogrammiert worden, wohlwollend und positiv reagiert er auf das, was ihm seine Gesprächspartner erzählen. Nur wenn zu viele Leute um ihn herum sind und alle gleichzeitig auf ihn einreden, wird es dem Helferlein zu viel und es kommt etwas ins Schleudern. Dann hilft ein kurzes "Tschüss", Navel schaltet sich ab und ein "Hallo Navel" reicht, um wieder von vorn zu beginnen. Wer will, kann sich dann auch Witze von ihm erzählen lassen: "Stehen zwei Schafe auf der Wiese. Sagt das eine ,Mäh!'. Sagt das andere: Mäh doch selber", tönt es aus dem kleinen Lautsprecher, als Navel danach gefragt wird. Gern stellt der Roboter auch Schätzfragen, so wie etwa danach, wie weit wohl der Mond von der Erde entfernt liegt. Immer geht es darum, die Interaktion am Laufen zu halten und dafür zu sorgen, dass sich der menschliche Gesprächspartner wohlfühlt.

Technisches Hilfsmittel, kein Menschersatz

Diakonie-Geschäftsführerin Mara Hopp betont, dass Navel echte menschliche Begegnungen nicht ersetzen soll und kann. "Die beiden Roboter sollen eine schöne Bereicherung des Alltags sein", sagt sie. Dass die mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Roboter eines Tages die Fachkräfte ersetzen sollen, sei nicht das Ziel. "Es geht hier nicht um die Frage Mensch oder Maschine. Wir sehen Navel als ein technisches Hilfsmittel an, nicht mehr und nicht weniger. Er soll den Bewohnern einen Mehrwert geben", meint auch der zweite Geschäftsführer Lars Wellbrock. Die beiden Geschäftsführer können sich vorstellen, dass der kleine Roboter eines Tages nicht nur in der Lage ist, anregende Gespräche zu führen, sondern auch den einen oder anderen Service zu übernehmen - etwa jemanden daran zu erinnern, die verschriebenen Medikamente einzunehmen.

In den Pflegeheimen, in denen Navel bereits zum Einsatz gekommen ist, sei die Rückmeldung überwiegend positiv, berichtet Claude Toussaint. Er bringe gute Stimmung rein, berichten jene, die den Roboter schon länger ausprobiert haben. Rund ein Viertel der Menschen, die in einem Pflegeheim leben, würden es jedoch ablehnen, in dieser Form mit Technik zu interagieren.

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