So nimm denn meine Hände und führe mich, bis an mein selig Ende und ewiglich.“ Es ist eines der bekanntesten geistlichen Lieder, das an diesem Dienstagvormittag in der Trauerhalle des Gemeindefriedhofs Klosterweide in Lilienthal gespielt wird. Etwa zwei Dutzend Angehörige nehmen Abschied von einer 95-jährigen Frau aus Bremen-Horn. Bunte Kränze und Blumengestecke sind neben der Urne aufgebaut, Kerzen flackern neben einem Porträt der Verstorbenen, durch die schmalen Fenster strahlt ab und zu die Sonne in den Raum.
„Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen“, zitiert Trauerredner Ottmar Wander den deutsch-französischen Arzt und Philosophen Albert Schweitzer. Er erinnert an die Verstorbene, die ihre Angehörigen liebevoll Lenchen nannten, erzählt von ihrer Warmherzigkeit, schildert Episoden aus ihrem langen Leben, die – trotz des traurigen Anlasses der Feier – die Trauergemeinde mitunter auch zum Lachen bringen.
Die Beerdigung ist gewissermaßen Höhepunkt und Abschluss eines längeren Prozederes, das mit dem Tod eines Menschen beginnt, wie Henrick Tielitz erklärt. Der 32-Jährige führt gemeinsam mit seiner Frau und Inhaberin Laura Tielitz das gleichnamige Beerdigungsinstitut in Schwachhausen, eines von rund 20 in Bremen. Nach der ersten Kontaktaufnahme der Hinterbliebenen mit dem Institut und der Überführung des Leichnams findet das Trauergespräch statt, in dem die Details der Beerdigung besprochen werden. Viele Formalitäten sind zu erledigen – von der Beantragung der Sterbeurkunde bis zur sogenannten zweiten qualifizierten Leichenschau. Der Verstorbene wird schließlich „für seinen letzten Weg vorbereitet“, wie Henrick Tielitz es ausdrückt. Oftmals wird er zum Abschiednehmen aufgebahrt; in den meisten Fällen wird der Leichnam anschließend eingeäschert.
Doch ist es nicht bedrückend, als Bestatter jeden Tag mit dem Thema Tod konfrontiert zu sein? Tielitz überlegt kurz. „Es ist eine sinnstiftende Arbeit, die einen erfüllt“, sagt er. Man schöpfe Kraft daraus, wenn alles gut geklappt habe und die Familie des Verstorbenen abschließen könne. Im besten Fall, so Tielitz, erinnerten sich die Angehörigen noch viele Jahre später mit einem angenehmen Gefühl an die Feier. Doch der Beruf könne den Bestatter auch an sein Grenzen führen – etwa wenn es um sehr tragische Ereignisse gehe oder Kinder gestorben seien. Das nehme einen sehr mit. „Wir sind ja auch nur Menschen.“
Die Trauerfeier für die 95-Jährige nähert sich langsam dem Ende. Ein Lied noch, während die Angehörigen den Saal verlassen, um auf dem Gräberfeld die Urne beizusetzen. Es klingt beschwingt, und das soll es auch. Lenchen liebte die Berge, die Alpen, Österreich. Es ist das „Kufsteinlied“.