Am Gleis 1 herrscht reges Treiben: Menschen parken ihre Fahrräder oder warten auf den Zug, der sie von Ottersberg nach Bremen bringt. Noch sind es nur vereinzelte Reisende – der Zug fährt einmal stündlich, und bis zur nächsten Abfahrt bleiben 30 Minuten. Wenn man im Café am Gleis 1 an der Fensterfront sitzt, lässt sich das Geschehen gut beobachten. Das Café verbirgt sich in einem kleinen Haus aus rotem Backstein. Im Moment wirkt es unscheinbar, denn am Nachmittag ist es geschlossen. Vormittags standen Stühle und Tische draußen, und Gäste konnten dort ihren Kaffee oder ihr Frühstück genießen.
Im Inneren des Cafés wartet ein lohnender Anblick, denn man vergisst schnell das geschäftige Kommen und Gehen auf dem Bahngleis. Antike, restaurierte Möbel, handbemalte Dekorationen, Gemälde und Pflanzen schaffen ein gemütliches Ambiente. Der Duft von Zitronengras liegt in der Luft und leise Shantymusik tönt aus den Lautsprechern.
Johann Neff eröffnete das Café im November 2023. Damit wagte sich der Rentner erstmals in die Gastronomie. Aus seinem vorherigen Beruf als Heilerziehungspfleger bringt er jedoch ein gutes Verständnis für Hygiene mit. Auch andere Fähigkeiten kommen ihm in der neuen Branche zugute: „Ich bin ein kreativer Mensch und Hobby-Maler“, sagt er. Jahrelang durchstöberte er Flohmärkte auf der Suche nach Schmuckstücken, die er restaurieren konnte. Dabei sammelte er so viele Möbel und Dekoartikel, dass er für die Einrichtung des Cafés nichts kaufen musste.
Besucher sind oft positiv überrascht
„Ich arbeite hier nur fünf Tage halbtags, mehr schaffe ich nicht“, erzählt Neff aus seinem Alltag, den er alleine bewältigt. Besonders freut ihn der Zuspruch, den er erhält. Viele Menschen betreten das Café mit den Worten „Das habe ich nicht erwartet.“ Die Besucher sind Bahnreisende oder Menschen aus der Umgebung.
Ständig neue Leute kennenzulernen, bereitet Neff Freude. Ebenso schätzt er die besonderen Begegnungen, die wohl viele Gastwirte kennen: „Eines Tages kam eine junge Frau herein, die mit dem Zug nach Rotenburg reisen wollte. Sie plante, einen schwerkranken Freund im Krankenhaus zu besuchen“, berichtet er. Die Frau erzählte, dass sie mit trüben Gedanken das Café betreten hatte – doch der Aufenthalt dort drin hellte ihre Stimmung auf. „Wenn sich Menschen freuen, merke ich, dass das, was ich hier mache, einen Sinn hat.“