Auf einmal ging es ganz schnell. Am Sonnabend hatte Heiko Knüppel noch aufgelegt im Mic Mac. Am darauffolgenden Mittwoch wollte er wieder zur Arbeit, die ihm damals allenfalls Anerkennung und das ein oder andere Kaltgetränk entlohnt wurde, doch Hansi Peymann schickte ihn wieder nach Hause. "Feierabend, der Laden ist zu", sagte der Pächter der Diskothek in Achim-Baden. Das war im Mai 1991, erinnert sich Knüppel. So ganz genau weiß er es nicht mehr. Sicher ist: "Ich war der letzte DJ im Mic Mac." Hinter sich lassen kann und will er das Tanzlokal aber bis heute nicht.
Am Küchentisch – nur einen Steinwurf vom alten Mic-Mac-Grundstück an der Verdener Straße entfernt – blättert Knüppel in Fotoalben und schwelgt in Erinnerungen. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1993 und dokumentieren die letzten Stunden vor dem Abriss des Tanzsaals und den Abbruch selbst. Bevor die letzten Zeugnisse der Achimer Discokultur mit der Baggerschaufel eingerissen wurden, ist Knüppel mit einem Fotoapparat in der Hand und einer Taschenlampe zwischen den Zähnen noch ein letztes Mal hineingegangen ins Mic Mac. Der Strom im Gebäude war zu diesem Zeitpunkt schon lange abgestellt, es war duster und die Einrichtung hatte eindeutig ihre besten Tage hinter sich. Nun ermöglichen die so entstandenen Aufnahmen späteren Generationen einen Einblick in einen besonderen Ort zu einer besonderen Zeit.

Die Bühne für die Mic-Mac-Revival-Party in Baden steht. Am Sonnabend legt Heiko Knüppel dort auf.
Von einer Wand blättert die türkise Farbe ab. Plakate zeugen von Künstlern, die im Mic Mac auf der Bühne standen. Howard Carpendale etwa oder Boney M., die zur Jubiläumsfete im Dezember 1976 kam und auf dem Plakat fälschlicherweise Bonny M. genannt wurde. In der Karnevalszeit hatte Otto Waalkes ein Gastspiel in der Badener Disco. Auch Roland Kaiser, Jennifer Rush oder Mike Krüger traten dort auf, um nur einige zu nennen.
Ein weiteres Bild zeigt die Sektbar in Rot und Weiß, ein anderes das hölzerne Wagenrad in der Mitte der abgehängten Gewölbedecke über der Tanzfläche. Und dann sind da noch die Kunstwerke, etwa das Bild eines roten Oldtimer-Rennwagens oder die Clownfiguren auf der Wand hinter der Bühne. Es ist ein wilder Mix unterschiedlicher Stile aus unterschiedlichen Zeiten, ein Ritt von den 1970er-Jahren bis in die frühen 90er. Nicht im Bild aber noch lebhaft vor Augen hat Knüppel die lebensgroße Raubkatze aus Porzellan im Eingangsbereich. Tiger oder Leopard? Das weiß der DJ nicht mehr. Gleich links neben der Eingangstür, daran erinnert sich Knüppel noch gut, war die Garderobe. Dort hat gut 20 Jahre vorher die Karriere eines anderen Mic-Mac-Urgesteins begonnen: Uwe Schröder.

Uwe Schröder hat ab Ende der 1970er-Jahre im Mic Mac aufgelegt.
Der DJ, dessen Name bis heute eng mit der Badener Disco verknüpft ist, zählte zur ersten Generation im Mic Mac. Uwe Schröder, Edmund Kühn und Günther Großwendt gaben in den 70er-Jahren den Ton an, wobei Schröder in den Anfangsjahren damit beschäftigt war, Jacken und Mäntel der Gäste aufzuhängen. Ans DJ-Pult trat er erst ab etwa 1978 als er mit der Frage "Kannst Du auch Musik machen" konfrontiert wurde. An die Anfänge des Mic Mac erinnert er sich gerne zurück. "Das war der Reiz des Neuen", sagt er. Davor habe es nur private Keller oder Jugendheime gegeben, in denen man sich zusammensetzen und gemeinsam Musik hören konnte.
Mit dem Mic Mac, das Rolf Rathjen und Erhard Teuber 1971 gemeinsam aus der Taufe hoben, änderte sich das grundlegend. Auf einmal gab es eine Möglichkeit mittwochs, freitags, sonnabends und sonntags tanzen zu gehen und zu feiern. Schnell etablierten sich in der Badener Disco feste Veranstaltungen wie der Teenieball, bei dem Minderjährige offiziell um 20 Uhr das Mic Mac verlassen sollten. Inoffiziell schaffte es aber regelmäßig der ein oder andere Besucher unter 18 Jahren, deutlich länger im Mic Mac zu bleiben. In guter Erinnerung behalten haben einige Achimer auch die 30-Stunden-Partys. Wer es wirklich ausgehalten hat, so lange zu feiern, bekam einen Stempel, erinnert sich Schröder. Und manchmal kamen um 7 Uhr morgens die Mitglieder des Schützenvereins ins Mic Mac, um die letzten Besucher rauszukehren. Montags pünktlich und nüchtern bei der Arbeit zu erscheinen, war offenbar nicht ganz so wichtig. "Das waren die 70er", sagt Schröder schmunzelnd. Allerdings berichtet auch Heiko Knüppel von langen Nächten Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre. Seine Schichten als DJ endeten nicht selten um 3 oder 5 Uhr morgens.

Regelmäßig traten im Mic Mac auch Bands auf. Darunter waren auch Größen wie Boney M., Howard Carpendale oder Jennifer Rush.
Das alles mag für eine Disco nicht ungewöhnlich sein. Aber das Mic Mac war keine normale Disco. Das Lokal an der Verdener Straße lag mitten in einem Wohngebiet und in direkter Nachbarschaft lag ein Seniorenheim. Doch weder Heiko Knüppel noch Uwe Schröder können sich entsinnen, dass das in 20 Jahren jemals zu Problemen geführt hätte. "Die sind durch die Hintertür im Altenheim raus und dann durch eine andere Tür ins Mic Mac rein", sagt Schröder über die Bewohner. Knüppel hat als junger DJ einmal einen Senior durch das Lokal geführt, das zuvor der große Saal des Gasthauses Pape gewesen war. Der ältere Herr wollte noch einmal den Ort sehen, an dem er seine Frau kennengelernt hatte – und blieb auch noch auf einen Korn.
Dass das Mic Mac trotz all der schönen Momente nach 20 Jahren seine Türen schloss, hat mehrere Gründe. Einer davon liegt in Oyten. Die Großraumdisco Zeppelin grub dem vergleichsweise kleinen Tanzlokal in Baden zunehmend das Wasser ab. Nicht nur die Gäste, auch die DJs wollten die neuen Möglichkeiten ausprobieren. Erst verließ Uwe Schröder das Mic-Mac-Team. "Ich wurde quasi abgeworben", erinnert er sich. Später folgte auch Heiko Knüppel dem Ruf. Hinzu kam ein Pächterwechsel im Mic Mac. Ende 1990 übernahm Peymann den Laden. Er habe wie schon im Omega in Dörverden verstärkt auf Rock und Punk anstelle von zeitgenössischer Tanzmusik gesetzt, erinnert sich Knüppel. Richtig überraschend war das Aus am Ende also nicht.
Mic-Mac-Revival-Party beim Schützenfest
Ein bisschen Wehmut schwingt dennoch mit, wenn die DJs von damals zurückdenken an ihre Zeit im Mic Mac. Schröder hat sich den Namen und das Logo der Diskothek gesichert. Nicht um damit reich zu werden, sondern um die Erinnerung zu bewahren. Knüppel hat kurz vor dem Abriss nicht nur ein paar letzte Fotos geschossen, sondern nahm auch ein Stück Achimer Geschichte mit nach Hause. Der Baggerfahrer wollte schon loslegen, aber der DJ hielt ihn auf. "Ich hol noch schnell meinen Akkuschrauber", rief er dem Arbeiter zu. So kommt es, dass das kleine schwarze Klingelschild des Mic Mac den Deckel seines Fotoalbums ziert.