Janne Sosath-Hahn hätte dieser Tage gerne mehr Zeit, um fernzusehen. Im Schlosspark von Versailles laufen die Pferdesportwettbewerbe der Olympischen Sommerspiele. Großer Sport vor wunderschöner Kulisse. Sosath-Hahn, 2020 deutsche Amateurmeisterin der Springreiterinnen, interessiert sich aber nicht nur für den Sport im Allgemeinen, sondern für ein Pferd im Besonderen: Ermitage Kalone des belgischen Springreiters Gilles Thomas. Der Zuchthof Sosath aus Lemwerder (Kreis Wesermarsch) vermarktet seit diesem Jahr das Erbgut des Hengstes.
"Wir brauchen immer Hengste, die für unsere Züchter interessant sind", gewährt Sosath-Hahn Einblick in Geschäftspraktiken. Mit dem vertraglich gesicherten Recht, tiefgefrorenes Sperma des zehnjährigen Ausnahmespringpferdes vermarkten zu dürfen, habe ihr Vater Gerd Sosath einen echten Coup gelandet, sagt Janne Sosath-Hahn. "Carsten Sostmeyer hat am Donnerstag gesagt, Ermitage Kalone ist das beste Springpferd Belgiens. Wenn nicht der Welt", zitiert die Lemwerderanerin den TV-Moderator nicht ohne Stolz. Scheinbar mühelos hatte der Hengst die Qualifikation zum Mannschaftsfinale gemeistert. Im Finale am Freitag riss der mit zehn Jahren noch recht junge Sporthengst zwei Abwürfe.
Der für Belgien startende Hengst hätte in Lemwerder aber auch Interesse hervorgerufen, wenn Sosaths sein Sperma nicht tiefgekühlt rund um den Erdball schicken würden. Der Grund: Ermitage Kalone ist ein Sohn des Catoki, mit dem Gerd Sosath vor knapp 20 Jahren große Erfolge feierte. "Catoki hätte mein Vater gerne gekauft. Aber der Besitzer wollte nicht verkaufen", erinnert sich Tochter Janne. So mussten Sosaths den Braunen 2007 ziehen lassen.
Ampère-Nachkommen glänzen in der Dressur
Einer weiterer, der nach vier Jahren an der Depenflether Straße gegangen ist, ist Ampère. Nicht, weil Sosaths ihn 2014 nicht mehr gewollt hätten, sondern, weil sein Besitzer ihn bei sich in Amerika haben wollte. Bei den Olympischen Spielen in Paris waren sieben Töchter und Söhne des braunen Hengstes für den Dressurwettbewerb gemeldet, vier gingen letztlich an den Start. Mit Flambeau (Larissa Paulus, Belgien) und Abbeglen (Victoria Max-Theurer, Österreich) sind zwei Nachkommen heute noch einmal mit ihren Reitern im Mannschaftsfinale der Dressurreiter im Viereck zu sehen. Abbeglen wird zudem am Sonntag in der Entscheidung um die Einzelmedaillen mit Victoria Max-Theurer zu Musik durchs Viereck tanzen.
"Für andere Stationen ist es normal, dass die Hengste andere Besitzer haben", weiß Janne Sosath-Hahn. Bei den Lemwerderaner ist das anders. "Wir haben normalerweise nur einen Hengst pro Jahr auf Station, der uns nicht gehört", erzählt Sosath-Hahn. "Dieses Jahr ist das Finishing Touch." Die übrigen 19 seien eigene Tiere.
Obwohl 20 Hengste ihre Boxen vor Ort bezogen haben, kommen Stute und Hengst nicht mehr zum Zeugungsakt zusammen. Pferdedamen, die von ihren Besitzern nach Lemwerder gebracht werden, werden besamt. Ansonsten geht es ein wenig zu, wie in einem Internethandel. Züchter entscheiden sich für einen Hengst und ordern sein Erbgut. Dieses wird in Styroporbehältern per Express über Nacht versendet.
Stuten, die im Sport eingesetzt werden, tragen ihre Fohlen häufig nicht mehr selbst aus. Zur Welt gebracht werden ihre Fohlen nach einem Embyonentransfer von Leihmüttern.
Anerkennung über die Nachfahren
In Lemwerder können interessierte Züchter auch Tiefgefriersperma ausländischer Sporthengste beziehen. Seit Anfang dieses Jahres vermarktet der Zuchthof neben Ermitage Kalone auch die beiden Dressur betonten Vererber Donkey Boy aus Dänemark und Dream Boy aus den Niederlanden. Sogar züchten mit verstorbenen Hengsten wie den beiden herausragenden Sosath-Vererbern der vergangenen Jahrzehnte, Landor und Lordanos, ist möglich. "Es ist gut, dass wir Sperma einfrieren können und es dann noch jahrelang zur Verfügung steht", sagt Janne Sosath-Hahn. Von Vorteil ist die Methode auch, weil weniger nachgefragte Hengste ihre Box immer wieder für neue Vererber räumen müssen.
Manchmal werde ein Hengst jahrelang unterschätzt, bis die Nachkommen für Aufsehen sorgen. So geschehen beim mittlerweile 19-jährigen Cador. "Der hat gar nicht so viel gedeckt", erinnert sich Janne Sosath-Hahn. Mittlerweile weisen viele Turnierergebnislisten Nachkommen des braunen Hengstes als Sieger und Platzierte aus. "Auch in großen Prüfungen", betont die Hengsthalterin. "Jetzt ist die Nachfrage gestiegen."
Daran lässt sich erkennen, wie wichtig für einen Zuchtbetrieb Erfolge sind. "Der Wettbewerb ist sehr groß", stellt Sosath-Hahn fest. Eine konkrete Werbewirkung sei schwer messbar. Aber Aushängeschilder wie der für Belgien gerade bei den Olympischen Spielen startende Ermitage Kalone seien enorm wichtig.