In ihrem 127 Seiten umfassenden Wahlprogramm nimmt sich die Linke vor allem Themen wie sozialer Gerechtigkeit und Kampf gegen Armut an. WESER-KURIER-Politikredakteur Norbert Holst hat die zentralen Passagen herausgearbeitet.
Serie zur Bundestagswahl 2017 Das Wahlprogramm im Check: die Linke
In ihrem Wahlprogramm nimmt sich die Linke vor allem Themen wie sozialer Gerechtigkeit und Kampf gegen Armut an. WESER-KURIER-Politikredakteur Norbert Holst hat die zentralen Passagen herausgearbeitet.
Die Linke kritisiert die steigende Altersarmut in Deutschland. Sie fordert: "Niemand darf gezwungen sein, zum Überleben Pfandflaschen zu sammeln." Die Partei setzt sich daher für eine solidarische Mindestrente ein: Jeder soll monatlich mindestens 1050 Euro netto haben. Renten unterhalb dieser Grenze werden vom Staat aufgestockt. In Rente soll man grundsätzlich ab 65 Jahren gehen können. Im Programm heißt es: "Die Rente erst ab 67 muss zurückgenommen werden. Forderungen nach einem Renteneintritt erst ab 69, 70, 71 oder 73 sind unrealistisch und unverantwortlich." Wer 40 Beitragsjahre zusammen hat, soll ab 60 abschlagsfrei in den Ruhestand gehen können. Jeder, auch Beamte oder Freiberufler, soll in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.

Die Ansage aus dem Wahlprogramm: "Wir investieren in die öffentliche Daseinsvorsorge und öffentliche Infrastruktur. Mit einem 120-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm sollen die öffentlichen und privaten Investitionen angehoben und gleichzeitig mehr tarifliche und sozial regulierte Arbeitsplätze geschaffen werden." Dieses Programm will die Linke mit "einer gerechten Steuerreform" gegenfinanzieren. Allein 300.000 sozialversicherungspflichtige Jobs soll die öffentlich geförderte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge bringen. Befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit und Werkverträge wollen die Linken erheblich beschränken. Sie erhoffen sich von dieser Maßnahme neue Arbeitsplätze.

Die Linke nennt ihr Modell „solidarische Gesundheitsversicherung“, in die alle einzahlen – also auch bisher Privatversicherte. Dabei werden auf alle Einkommen – auch auf Kapitaleinkünfte – in unbegrenzter Höhe Beiträge erhoben. Im Gegenzug wird eine dauerhafte Absenkung der Beiträge von derzeit durchschnittlich 15,7 Prozent auf unter zwölf Prozent versprochen. Die private Krankenversicherung soll sich auf Zusatzleistungen beschränken. Um die Arzneimittelkosten zu senken, werden Patente auf Medikamente verboten. Die Zielrichtung der Linken: "Gesundheit darf nicht weiter zu einem Markt verkommen, auf dem die Profite mehr zählen als die Menschen."

Mit einem "Neustart für den sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau und ein grundlegend verbessertes Mietrecht" will die Linkspartei gegen den Wohnungsmangel angehen. Es sollen jedes Jahr mindestens 250.000 Sozialwohnungen gebaut werden, vor allem durch gemeinnützige Träger. Dieses Vorhaben soll mit einem Programm in Höhe von fünf Milliarden Euro angeschoben werden. Die geltende Mietpreisbremse sei "untauglich". Die Linken wollen sie "durch eine echte Mietpreisbremse ersetzen, die flächendeckend, bundesweit, unbefristet und ausnahmslos gilt". Für Städte ab einer bestimmten Größe soll ein reformierter Mietspiegel zur Pflicht werden.

"Im Gegensatz zu allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien haben wir jede Einschränkung des Asylrechts abgelehnt", heißt es im Wahlprogramm. Daraus ergibt sich die Forderung nach einem "Bleiberecht für alle" ebenso wie die Ablehnung von Obergrenzen. "Menschenrechte kennen keine Obergrenze", schreibt die Linke. Abschiebungen soll es in Zukunft nicht mehr geben. Ein "klassisches" Einwanderungsgesetz hält die Partei nicht für nötig: "Wir lehnen Quoten, Kontingente und Punktesysteme ab. Sie dienen lediglich der Verwertungslogik des Kapitals und sind Instrumente einer selektiven Einwanderungspolitik."

Die Linke plädiert in ihrem Programm für eine "solidarische Einwanderungsgesellschaft". Um die Integration zu verbessern, will die Partei dem Bundesinnenministerium die Zuständigkeit für Migration und Integration entziehen – und dafür ein eigenes Ressort schaffen. Geflüchtete sollen frühzeitig Zugang zu Integrations- und Sprachkursen erhalten, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Die Linke fordert: "Dafür müssen Sprachkurse in ausreichender Zahl angeboten werden." Auch Geflüchtete sollen von einem Programm zur Schaffung von 300.000 Arbeitsplätzen profitieren. Ein Kopftuchverbot lehnt die Linke ab.

Die Linke sieht den Terrorismus als globale Herausforderung und übt in diesem Zusammenhang Systemkritik: "Der globale Kapitalismus führt zu immer mehr Verwerfungen und Krisen." Eine Folge dieser Verwerfungen sei der islamistische Terror. Der internationale "Krieg gegen den Terror" ist aus Sicht der Linken gescheitert – der Terror sei nicht besiegt worden, sondern habe den Terror in viele weitere Länder geholt, auch nach Europa. Innenpolitisch sieht die Linke die aktuelle Sicherheitsdebatte als vorgeschoben: "Unter dem Vorwand der Sicherheit und des Kampfes gegen den Terrorismus werden Überwachungstechnik und Datensammlung ausgebaut und die Freiheitsrechte ausgehöhlt, die man zu verteidigen vorgibt." Deshalb müsse die "vermeintliche Anti-Terrorgesetzgebung der Bundesregierungen der vergangenen 15 Jahre auf den bürgerrechtlichen Prüfstand".

Die Linke will den Personalmangel bei der Polizei beseitigen. Sie kritisiert: "Den Kürzungen im öffentlichen Dienst sind auch 18.000 Stellen bei der Polizei zum Opfer gefallen. Gleichzeitig werden zentrale Einheiten bei der Bundespolizei gestärkt, die für die Bürgerinnen und Bürger nicht ansprechbar sind." Eine umfassende Aufgabenkritik soll die Polizei von sinnlosen Arbeiten befreien. Im öffentlichen Raum müsse die Sicherheit erhöht werden. Dies, so betont die Linke, sei aber Aufgabe des Staates: "Die Privatisierung von Sicherheit durch Ordnerdienste, "Schwarze Sheriffs" und so weiter wollen wir verhindern beziehungsweise rückgängig machen." Des Weiteren fordert die Partei ein Bündel von Maßnahmen gegen Finanz- und Wirtschaftskriminalität. Die Problematik Einbruchdiebstahl ist im Programm nicht erwähnt.

Die Linkspartei sieht die EU in einer tief greifenden Krise. Und stellt fest: "Dahin haben Sozialkürzungen, Austerität und der Mangel an Demokratie geführt. Gerade die Bundesregierung hat diesen Kurs immer bestärkt." Die Partei fordert einen "Neustart der Europäischen Union" mit neuen Verträgen. Dabei sollen "soziale Rechte, Tarifverträge und demokratische Gestaltungsmöglichkeiten Vorrang vor den Binnenmarktfreiheiten der Unternehmen haben". Unter anderem setzt sich die Linke für einen europäischen Mindestlohn in Höhe von mindestens 60 Prozent des Durchschnittsentgelts des jeweiligen Landes ein. Aus Sicht der Linken muss die EU demokratischer werden. So soll das Parlament künftig ein Initiativrecht bekommen.

Die Linke sieht sich als "Partei des Friedens". Daher lehnt sie Auslandseinsätze der Bundeswehr strikt ab. Die Soldaten sollen aus ihren laufenden Einsätzen abgezogen werden. Auch Ausbildungs- und Beratungsmissionen soll es nicht mehr geben. Zur Begründung heißt es: "Krieg und die Androhung militärischer Gewalt können keine Mittel einer friedensstiftenden Politik sein. Die friedliche Prävention und frühzeitige Lösung von potenziell kriegerischen Konflikten müssen im Zentrum der deutschen Außenpolitik stehen." Rüstungsexporte deutscher Unternehmen sollen generell verboten werden. Der Rüstungsetat soll nicht weiter erhöht werden – eine Senkung wird aber nicht gefordert.

Die Linke will eine stärkere Umverteilung von Reich zu Arm: So sollen alle Arbeitnehmer mit weniger als 7100 Euro brutto im Monat entlastet werden. Der steuerfreie Grundfreibetrag soll deutlich angehoben werden, auf 12.600 Euro im Jahr. Davon würden vor allem Geringverdiener profitieren. Im Gegenzug will die Linkspartei für zu versteuernde Einkommen ab 70.000 Euro den Spitzensteuersatz von 42 Prozent auf 53 Prozent anheben. Für eine gesonderte Reichensteuer sind zwei Stufen vorgesehen: 60 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von 260.533 Euro und 75 Prozent ab einer Million. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist ebenso eine Kernforderung wie eine Erhöhung der Erbschaftssteuer. Mit einer Finanztransaktionsteuer sollen Spekulationen auf den Finanzmärkten eingedämmt werden.

Die Linke lehnt den Bundesverkehrswegeplan 2030 in seiner derzeitigen Form ab. Stattdessen will sie einen Verkehrswegeplan, mit dem eine „sozial-ökologische Mobilitätswende“ vollzogen wird und bei der Personen- und Güterverkehr auf der Schiene im Mittelpunkt stehen. Im Wahlprogramm heißt es dazu: „Statt neue Autobahnen zu bauen, wollen wir den Ausbau des ÖPNV sowie des Rad- und Fußverkehrs in den Kommunen und Regionen finanzieren.“ Dazu sollen die Zuschüsse des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr erhöht werden. Die Linke will ein 120-Milliarden-Euro-Programm für Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge und Infrastruktur auflegen. Dieses „Investitions- und Zukunftsprogramm“ umfasst verschiedene Zielfelder, darunter Verkehr, schnelles Internet, sozialer Wohnungsbau, Sanierung von maroden Schulgebäuden.

Die Linke will das Kindergeld als Sofortmaßnahme auf 328 Euro pro Kind anheben. Außerdem soll ein „ausreichendes, bedarfsgerechtes und qualitativ hochwertiges beitragsfreies Ganztagsbetreuungsangebot für Kinder“ geschaffen werden, flexible Öffnungszeiten inklusive. Daraus ergibt sich für die Linkspartei: "Werden die Dienstleistungen ausgebaut, muss auch das Fachpersonal aufgestockt werden." Auch um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können, soll der Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit durch ein Rückkehrrecht auf die vorherige Arbeitszeit ergänzt werden. „Statt einer Flexibilisierung von Arbeitszeit, die sich lediglich an den betrieblichen Erfordernissen orientiert, brauchen die Beschäftigten mehr Zeitautonomie“, heißt es im Wahlprogramm.

"Um flächendeckende Breitbandinfrastruktur auszubauen, sind staatliche Investitionen in Milliardenhöhe notwendig, die direkt durch öffentliche Träger ausgeführt werden sollen", heißt es im Wahlprogramm. Nach Ansicht der Linken "werden die Chancen der Digitalisierung durch die Konzerninteressen blockiert". Durch die Digitalisierung entstünden in der Arbeitswelt "neue, oft entgrenzte und prekäre Beschäftigungsformen". Aber auch in diesem Bereich müssten die Arbeitsschutzrechte "umfassend gelten". Die Linke will sich dafür einsetzen, dass jeder Haushalt ein Anrecht auf einen bezahlbaren, schnellen Breitband-Internetanschluss hat. Sie verspricht: "Wir schaffen Zugang zu schnellem Internet überall."

Die Partei will die Energieversorgung umbauen: „Die Linke streitet dafür, dass die Vormachtstellung von Großkonzernen in der Energieversorgung beendet und die Energieversorgung umfassend bürgernah und als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge organisiert wird.“ Auch das neue, stärker marktorientierte Eneuerbare-Energien-Gesetz soll reformiert werden.“ Mit diesem Weg will die Partei den Ökostromanteil auf 43 Prozent bis zum Jahr 2020, 70 Prozent bis 2030 und auf 100 Prozent bis 2040 erhöhen. Im Gegenzug fordert die Partei: „Der Ausstieg aus der Atomkraft muss im Grundgesetz festgeschrieben, und alle in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke müssen unverzüglich abgeschaltet werden.“ Ein Ausstieg aus der Kohle soll 2018 beginnen und spätestens 2035 abgeschlossen sein. Fracking soll ohne Ausnahmen verboten werden.