Es ist "Zeit für mehr Gerechtigkeit", findet die SPD - und dementsprechend ist auch ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl am 24. September 2017 aufgebaut. Unser Politikredakteur Joerg Helge Wagner hat sich die 105 Textseiten genauer angesehen und die zentralen Passagen herausgearbeitet.
Serie zur Bundestagswahl 2017 Das Wahlprogramm im Check: die SPD
Es ist "Zeit für mehr Gerechtigkeit", findet die SPD - und dementsprechend ist auch ihr Wahlprogramm aufgebaut. Die zentralen Positionen stellt Redakteur Joerg Helge Wagner in dieser Fotostrecke vor.
„Hohe Beiträge bei später niedrigen Renten wird es mit uns nicht geben!“ Das Rentenniveau soll 2030 mindestens beim jetzigen Stand von etwa 48 Prozent liegen, der paritätische Beitragssatz bei höchstens 22 Prozent. Aber: „Das Rentensystem muss ab Mitte der 20er-Jahre (...) durch zusätzliche Steuermittel und eine Verbreiterung der Versichertenbasis stabilisiert werden.“ Selbstständige, „die nicht in einem Versorgungswerk abgesichert sind“, müssen in die gesetzliche Rentenversicherung. Wer mindestens 35 Jahre Beiträge gezahlt hat und/oder Zeiten für Kindererziehung und Pflege angerechnet bekommt, soll Anspruch auf ein Alterseinkommen haben, das zehn Prozent über dem durchschnittlichen Grundsicherungsanspruch am Wohnort liegt.

Durch mehr Regeln und staatliche Investitionen in Infrastruktur, Wohnungsbau, Forschung und Polizei. Sachgrundlose Befristungen werden abgeschafft: „Die Sachgründe für Befristungen werden wir einschränken und die Möglichkeit von Kettenbefristungen begrenzen.“ Dafür sollte es ein Recht geben, nach Teilzeitarbeit wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren. „Arbeiten auf Abruf“ will man eindämmen: „Die Koppelung eines Leiharbeitsverhältnisses an einen Arbeitseinsatz (Synchronisation) soll unzulässig sein.“ Für Sicherheit und Qualität in der Ausbildung will man „das System der zulassungspflichtigen Handwerksberufe sowie den Meisterbrief stärken“. In „Langzeitkonten“ soll Arbeitszeit angespart werden können.

„Wir werden den öffentlichen und sozialen Wohnungsbau ausbauen. Den Erwerb von Wohneigentum für Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen werden wir durch ein Familienbaugeld erleichtern“, heißt es. Im ländlichen Raum soll sie beim Erwerb von leer stehenden Bauten das Programm „Jung kauft Alt“ unterstützen. Mit Investitionsanreizen und bundesweiten Standards will man „gemeinsam mit den Ländern die Neubautätigkeit ankurbeln“. Die Mietpreisbremse wird verstärkt: Stellt sich heraus, dass der Mieter „bei Vermietung der Wohnung mehr verlangt hat als zulässig, können die Mieter künftig die gesamte zu viel gezahlte Miete zurückverlangen.“

„Das Bundeskriminalamt wollen wir in seiner zentralen Koordinierungsfunktion stärken“, heißt es. Dafür werde es „keinen Einsatz der Bundeswehr als Hilfspolizei im Inland geben“. Stattdessen will man „die Datensysteme der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben vereinheitlichen“. Polizei und Verfassungsschutz sollen „zur Gefahrenabwehr“ noch enger kooperieren. Um Terroristen möglichst gar nicht erst ins Land zu lassen, will die SPD „die Kontrollen an den Außengrenzen des Schengenraums verstärken und das Grenzkontrollsystem der Schengen-Mitgliedstaaten effektiv umsetzen“. Zudem will man „die Luftsicherheit und die Kontrollen an Flughäfen verbessern und dafür auch strukturell verändern“. Europol und die Grenzschutzagentur Frontex will die SPD „stärker bei der Terrorismusbekämpfung einbeziehen“.

Die SPD will "zusätzliche 15.000 Stellen" bei den Sicherheitsbehörden schaffen und "für eine moderne Ausstattung" sorgen. "Wir wollen, dass sich unsere Behörden konsequent der Alltagskriminalität annehmen – durch mehr Prävention und effektive Strafverfolgung. (...) Wo Videotechnik hilft, soll sie eingesetzt werden." Zudem will man Gerichte und Staatsanwaltschaften "personell und technisch besser ausstatten" - aber auch kontrollieren: "Wir werden die Arbeiten an einer gemeinsamen Verlaufsstatistik von angezeigten Straftaten und tatsächlichen Verurteilungen fortführen."

„In Deutschland wollen wir bis 2020 den Ausstoß von CO2 im Vergleich zu 1990 um mindestens 40 Prozent senken, bis 2050 wollen wir weitestgehend Treibhausgasneutralität erreichen.“ Dazu will die SPD „Deutschland zur energieeffizientesten Volkswirtschaft der Welt machen“. Wichtige Rollen sollen dabei Erdgas, erneuerbares Gas aus Power-To-Gas-Anlagen und moderne Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung spielen: „Wir werden sie entsprechend fördern.“ Erneuerbare Energien aus Windkraft (Off- und Onshore) und Sonnenenergie will die SPD ausbauen, dafür aber unkonventionelles Fracking verbieten und EU-weit auch die Fördermöglichkeiten zum Bau neuer Atomkraftwerke abschaffen.

"Wir werden extremistische islamistische Moscheen schließen", versichert die SPD. Zuwanderung sieht sie aber vor allem als Chance: "Wir wollen ein Einwanderungsgesetz schaffen, mit dem wir den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte besser steuern können." Das soll ein "an der Nachfrage nach Fachkräften orientiertes Punktesystem nach kanadischem Modell" leisten. Zudem will man prüfen, "ob ein Wechsel von Asylsuchenden in das arbeitsmarktbezogene Aufenthaltsrecht umsetzbar ist". Dazu sollen "verpflichtende und berufsqualifizierende Sprachkursangebote" ausgebaut werden: "Wir erwarten, dass diese Angebote auch wahrgenommen werden."

„Wir werden einen verlässlichen Zeitplan erarbeiten, um Mobilität in Deutschland bis 2050 digital, schadstofffrei, barrierefrei und sicher zu gestalten.“ Die Lkw-Maut für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen soll auf allen Bundesstraßen gelten. Die Einnahmen will man in Straßen und Brücken investieren. „Wir lehnen jedoch eine Mautpflicht für Fahrzeuge unter 7,5 Tonnen ab, weil sie vor allem Handwerksbetriebe belasten würde.“ Für kommunale Straßen und den ÖPNV „werden wir die Finanzhilfen des Bundes an den steigenden Bedarf anpassen“. Generell meint die SPD: „Die Zukunft des Automobils ist elektrisch. Deshalb ist der Aufbau einer Batteriezellenfertigung in Deutschland von zentraler strategischer Bedeutung.“ Bis 2030 sollen „doppelt so viele Kundinnen und Kunden wie heute die Bahn nutzen“.

Unter ihrem Generalthema „Gerechtigkeit“ nennt die SPD „gute und gleiche Bildungschancen für alle Kinder“ sowie „genügend und bezahlbaren Wohnraum“. Bildung soll grundsätzlich gebührenfrei sein, „von der Kita (...) bis zum Master“. Familienarbeitszeit und Familiengeld sollen daneben Eltern ermöglichen, „ihre Arbeit und die Kindererziehung partnerschaftlich aufzuteilen“. Das Familiengeld „beträgt jeweils 150 Euro monatlich für beide Eltern, wenn sie jeweils 75 Prozent bis 90 Prozent der jeweiligen regulären Vollzeit arbeiten“. Das entspreche 26 bis 36 Wochenstunden. Bis zu 24 Monate lang soll ausgezahlt werden. Zudem will man einen „Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kita- und Grundschulkindern einführen – mit finanzieller Beteiligung des Bundes“.

Durch eine „Bürgerversicherung“, die alle gesetzlich Versicherten, aber auch Beamte automatisch aufnimmt. Privatversicherte können wählen, ob sie beitreten. Eine einheitliche Honorarordnung für Ärzte soll die Bevorzugung von Privatpatienten ohnehin beenden. Arbeitgeber und -nehmer sollen denselben Anteil an der Bürgerversicherung zahlen: „Arbeitnehmer werden dadurch um fünf Milliarden Euro pro Jahr entlastet.“ Menschen, die Familienmitglieder pflegen, können ihre Arbeitszeit für bis zu drei Monate reduzieren und erhalten in dieser Zeit „eine Lohnersatzleistung, die sich (...) am Elterngeld orientiert“. Arzneimittelpreise sollen stärker reguliert werden.

Die SPD will Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen entlasten. Neben dem Ehegattensplitting soll es einen Familientarif mit Kinderbonus geben: „Jedes Elternteil soll künftig 150 Euro pro Kind von seiner Steuerlast abziehen können. Im Familientarif können Ehepartner Einkommensanteile von höchstens 20.000 Euro untereinander übertragen.“ Ab 2020 soll der Solidaritätszuschlag entfallen – zumindest für Singles mit einem Jahreseinkommen bis 52.000 Euro und Ehepaare bis 104.000 Euro. Der aktuelle Spitzensteuersatz (42 Prozent) soll bei Singles erst bei 60.000 Euro greifen (aktuell: 54.000). Zwischen 76 200 und 249.999 Euro steigt der Satz noch einmal linear-progressiv auf 45 Prozent. Das entspricht der heutigen „Reichensteuer“, die aber ab 250.000 Euro fix 48 Prozent betragen soll. Zudem will die SPD „sehr große Erbschaften“ schärfer besteuern und eine Finanztransaktionssteuer einführen. Kapitalerträge sollen nicht mehr pauschal mit 25 Prozent besteuert werden, sondern wie Einkommen aus Arbeit.

Die SPD will „Europa aus der Wachstumsschwäche herausführen“, und zwar mit einem „breit angelegten europäischen Investitionsprogramm“. Dessen Mittel sollen „in die grenzüberschreitenden europäischen Verkehrs- und Energienetze, in den Aufbau der modernsten Infrastruktur der Welt für schnelles Internet (europäisches Gigabit-Netz), in Bildung und Ausbildung, Forschung und Entwicklung und die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit“ fließen. Die Finanzpolitik soll „übermäßige Verschuldung verringern, aber ausreichende Freiräume für langfristig wirkende Reformen und nachhaltiges Wachstum geben“. Eine „europäische Sozialunion“ soll soziale Mindeststandards sichern und Lohn- und Sozialdumping wirksam unterbinden.

"Das Recht auf Asyl muss unangetastet bleiben", betont die SPD. Das gelte EU-weit: "Wir akzeptieren nicht länger, dass sich einzelne Mitgliedstaaten dem gemeinsam beschlossenen europäischen Asylsystem verweigern." Hingegen sollen "Länder, die eine Hauptlast bei der Flüchtlingsaufnahme tragen", aus dem EU-Haushalt finanziell unterstützt werden. Asylverfahren sollen "grundsätzlich weiterhin auf europäischem Boden durchgeführt" werden – in Deutschland gründlich, aber auch schneller. "Wir werden keine Menschen in Perspektivlosigkeit und Lebensgefahr abschieben", betont die SPD mit Hinweis auf Afghanistan.

In den Schulen will man „verstärkt offene Bildungsinhalte (Open Educational Resources) nutzen“. Nötig seien „vernetzte digitale Lern-Plattformen“. Bund und Länder sollen dabei eng zusammenarbeiten. In der Wirtschaft sollen „kleine und mittlere Unternehmen“ für digitale Ausrüstung „einen Zuschuss erhalten, wenn sie sich zuvor beraten lassen und ein Digitalisierungskonzept vorlegen“. Zudem will man „Breitband für alle“: „50 Megabit pro Sekunde soll nur ein Zwischenschritt bis 2018 sein. Unser Ziel sind Gigabitnetze. Bis 2025 sollen mehr als 90 Prozent aller Gebäude daran angeschlossen sein.“ Schließlich fordert die SPD eine „nationale Strategie für Hochleistungsrechner, um die sprunghaft wachsende Nachfrage an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach Speicher- wie Rechenkapazität besser erfüllen zu können“.

„Grundsätzlich gilt bei Auslandseinsätzen: Eine Beteiligung der Bundeswehr an bewaffneten Auslandseinsätzen erfolgt im Rahmen der Vereinten Nationen, auf der Grundlage des Völkerrechts sowie im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit nach Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes. Voraussetzung ist die Zustimmung des Deutschen Bundestags im Sinne des Parlamentsvorbehalts. Ein militärischer Beitrag Deutschlands muss immer in ein politisches Gesamtkonzept eingebettet sein.“ Eher will die SPD jedoch „zivile Krisen- und Konfliktprävention substanzieller ausstatten – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Dazu gehört auch, freiwillige Friedensdienste erheblich auszubauen.“